Zwar wird gern damit gespielt, dass man Traditionen anerkennen müsse und dergleichen. Aber das sind in Wahrheit nur Schaumschlägereien, um im konkreten Diskurs öffentlich Punkte zu sammeln.
Wie sonst käme man auf den Gedanken im Westen zu sagen, dass man auf seinem Staatsgebiet mehr Menschen haben möchte und diesen Wunsch dadurch befriedigt, dass man aus anderen Kulturkreisen größere Gruppierungen von Menschen dort exportieren und hierzulande importieren könnte, ohne zu begreifen, dass man Menschen mit ihren Gruppen-Traditionen nicht einfach so hin und her schieben kann.
Auch hier wird mit Traditionen, Sitten und Gebräuchen unterschiedlicher Gesellschaften, die aufeinander treffen, im öffentlichen Raum heuchlerisch, scheinheilig, aber vor allem auch sachirrig bis zum Erbrechen herum gefuchtelt. Darüber aber gibt es die gnadenlose Fiktion, dass alle Menschen und Gesellschaften in Wahrheit so gleich seien, dass man sie unter dem Stichwort der Integration zu einer Kongruenz zusammenfügen, ja zusammenschmelzen könnte, die es in Wahrheit ohnehin gäbe und die nur von eingebildeten Unterschieden gestört würde.
Allerdings: Wertesysteme, Rechtsordnungen sind nicht gleich. Und sie sind auch nicht mit einer tumben Politik auszumerzen, um es etwas brutaler auszudrücken. Ein Beispiel sind die katholische und die evangelische Kirche, die sich über kleinste Fragen streiten und die sogenannte Ökumene nicht hinbekommen. Diese kleinsten Fragen sind offenbar trotz eines schon lange währenden Dialoges von Generation über Generation unüberwindbar groß.
Egalismus ist Ersatzreligion der Atheisten
Der Egalismus ist regelrecht zu einer Ersatzreligion des primär atheistisch dominierten Westens geworden, der sich von Religionen und den Religionsgemeinschaften, die er inkludieren will, in Wahrheit immer mehr entfernt. So wird im Egalismus des Westens als objektive Tatsache vorgegaukelt, dass alle Religionen im Kern und in Wahrheit mit der westlichen Philosophie und mit dem westlichen Naturrechtsverständnis, das für die höchste Rationalität gehalten wird, identisch seien. Nach der Devise: alle Menschen wollen nur das Gute und die westliche Vernunft sei bestens in der Lage die eigentlich nur eingebildeten Differenzen verschwinden zu lassen.
Der Egalismus befördert nicht die Integration, was er vorgibt zu tun, sondern er behindert sie in Wahrheit. Die teils enormen Differenzen zwischen Individuen und auch zwischen Gemeinschaften durch die Negierung ihrer Existenz zu entsorgen, ist Desintegration. Die Crux ist, dass sich der Egalismus selber als die Vollendung der übergeordneten Wahrheit betrachtet.
Egalismus und die Weltwirtschafts-und Finanzkrise
Was die Weltwirtschafts-und Finanzkrise und die Eurokrise anbelangt, leiden die im Wesentlichen vom Westen diktierten Rezepturen ebenfalls an dem beschriebenen Egalismus.
Alle Rettungsmaßnahmen zu Gunsten des Euro bis hin zur jüngsten Perfektionierung des ESM basieren auf der sachirrigen Annahme, dass jeder Euro an jedem Ort des Wirtschaftskreislaufes nicht nur weitgehend dieselbe Kaufkraft hätte, sondern auch denselben volkswirtschaftlichen Nutzen brächte. Und das ist erkennbar eine geradezu idiotische Annahme.