Bettina Röhl direkt

Die gefährliche Ideologie des "Egalismus"

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Individualitäten von Gesellschaften

Was den Deutschen Angst macht
Platz 19: Zerbrechen der PartnerschaftAuf dem letzten Platz des Rankings landet die Sorge vor einem Zerbrechen der Beziehung, und das trotz unvermindert hoher Scheidungsquoten in Deutschland. Mit 20 Prozent der Bundesbürger, die sich hiervor fürchten, hat diese Angst aber im Vergleich zu 2012 zugenommen: Im letzten Jahr waren es vier Prozentpunkte weniger. Etwas mehr Männer (21 Prozent) als Frauen (20 Prozent) haben Angst davor, den Partner zu verlieren. Quelle: dpa
Platz 18: StraftatenVor Gewalt und Unrecht fürchten sich 24 Prozent der Deutschen. Die Angst vor Straftaten hat im Vergleich zu 2012 um zwei Prozentpunkte zugenommen. Quelle: dpa
Platz 17: Vereinsamung im AlterDie Herausforderungen einer alternden Gesellschaft bereiten den Deutschen Kopfzerbrechen. Viele haben Angst davor, im Alter zu vereinsamen. 31 Prozent der Befragten äußerten diese Sorge - zwei Prozentpunkte mehr, als 2012. Männer gaben diese Angst mit 29 Prozent etwas seltener an als Frauen (33 Prozent). Quelle: dpa
Platz 16: Krieg mit deutscher BeteiligungDie Sorge vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung rutscht mit 32 Prozent in den untersten Bereich der Ängste-Skala. Gegenüber dem Vorjahr nahm diese Sorge aber um drei Prozentpunkte zu. Quelle: dpa
Platz 15: Drogensucht der eigenen Kinder35 Prozent der Deutschen fürchten sich davor, dass ihre Kinder drogenabhängig werden könnten. Diese Angst hat im Vorjahresvergleich mit einem Prozentpunkt leicht zugenommen. Frauen (37 Prozent) sorgen sich hier mehr als Männer (33 Prozent) um das Wohlergehen des Nachwuchses. Quelle: dpa
Platz 13/14: ArbeitslosigkeitDas Schreckensgespenst Arbeitslosigkeit hat im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugelegt. Mit 36 Prozent der Deutschen ist die Furcht vor der eigenen Arbeitslosigkeit um vier Prozentpunkte gestiegen. Noch 2012 war diese Sorge gegenüber 2011 um vier Prozentpunkte zurückgegangen und damit auf den niedrigsten Wert der Studie gesunken – nur 1994 war die Sorge schon einmal so gering. Die Angst vor Arbeitslosigkeit in Deutschland allgemein landet auf dem 13. Platz und kommt auf 39 Prozent - unverändert gegenüber 2012. Quelle: dpa
Platz 12: Sinkender Lebensstandard im AlterZum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig - viele Deutsche haben Angst davor, später einmal finanziell unter Druck zu geraten. 40 Prozent der Bundesbürger - genauso viele wie im vorigen Jahr - fürchten sich vor einem sinkenden Lebensstandard im Alter. Quelle: dpa

Zwar wird gern damit gespielt, dass man Traditionen anerkennen müsse und dergleichen. Aber das sind in Wahrheit nur Schaumschlägereien, um im konkreten Diskurs öffentlich Punkte zu sammeln.

Wie sonst käme man auf den Gedanken im Westen zu sagen, dass man auf seinem Staatsgebiet mehr Menschen haben möchte und diesen Wunsch dadurch befriedigt, dass man aus anderen Kulturkreisen größere Gruppierungen von Menschen dort exportieren und hierzulande importieren könnte, ohne zu begreifen, dass man Menschen mit ihren Gruppen-Traditionen nicht einfach so hin und her schieben kann.

Auch hier wird mit Traditionen, Sitten und Gebräuchen unterschiedlicher Gesellschaften, die aufeinander treffen, im öffentlichen Raum heuchlerisch, scheinheilig, aber vor allem auch sachirrig bis zum Erbrechen herum gefuchtelt. Darüber aber gibt es die gnadenlose Fiktion, dass alle Menschen und Gesellschaften in Wahrheit so gleich seien, dass man sie unter dem Stichwort der Integration zu einer Kongruenz zusammenfügen, ja zusammenschmelzen  könnte, die es in Wahrheit ohnehin gäbe und die nur von eingebildeten Unterschieden gestört würde.

Allerdings: Wertesysteme, Rechtsordnungen sind nicht gleich. Und sie sind auch nicht mit einer tumben Politik auszumerzen, um es etwas brutaler auszudrücken.  Ein Beispiel sind die katholische und die evangelische Kirche, die sich über kleinste Fragen streiten und die sogenannte Ökumene nicht hinbekommen. Diese kleinsten Fragen sind offenbar trotz eines schon lange währenden Dialoges von Generation über Generation unüberwindbar groß.

Egalismus ist Ersatzreligion der Atheisten

Der Egalismus ist regelrecht zu einer Ersatzreligion des primär atheistisch dominierten Westens geworden, der sich von Religionen und den Religionsgemeinschaften, die er inkludieren will, in Wahrheit immer mehr entfernt. So wird im Egalismus des Westens als objektive Tatsache vorgegaukelt, dass alle Religionen im Kern und in Wahrheit mit der westlichen Philosophie und mit dem westlichen Naturrechtsverständnis, das für die höchste Rationalität gehalten wird, identisch seien. Nach der Devise: alle Menschen wollen nur das Gute und die westliche Vernunft sei bestens in der Lage die eigentlich nur eingebildeten Differenzen verschwinden zu lassen.

Der Egalismus befördert nicht die Integration, was er vorgibt zu tun, sondern er behindert sie in Wahrheit. Die teils enormen Differenzen zwischen Individuen und auch zwischen Gemeinschaften durch die Negierung ihrer Existenz zu entsorgen, ist Desintegration. Die Crux ist, dass sich der Egalismus selber als die Vollendung der übergeordneten Wahrheit betrachtet.

Egalismus und die Weltwirtschafts-und Finanzkrise

Was die Weltwirtschafts-und Finanzkrise und die Eurokrise anbelangt, leiden die im Wesentlichen vom Westen diktierten Rezepturen ebenfalls an dem beschriebenen Egalismus.
Alle Rettungsmaßnahmen zu Gunsten des Euro bis hin zur jüngsten Perfektionierung des ESM basieren auf der sachirrigen Annahme, dass jeder Euro an jedem Ort des Wirtschaftskreislaufes nicht nur weitgehend dieselbe Kaufkraft hätte, sondern auch denselben volkswirtschaftlichen Nutzen brächte. Und das ist erkennbar eine geradezu idiotische Annahme.

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