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Bettina Röhl direkt

Troika im Ouzo-Rausch?

Bettina Röhl Publizistin

Trotz täglicher Hiobsbotschaften von immer neuen Milliardenlöchern, nicht erfüllten Reformen und Steuerflucht empfahl die Troika weiteren Schuldenerlass und neue Kredite für Griechenland, die dem Norden an die Substanz gehen. Warum eigentlich?

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Was aus den Rettungsplänen wurde
GeuroEs war eine Idee des früheren Deutsche-Bank-Chefvolkswirts Thomas Mayer: Griechenland führt eine Parallelwährung ein, den Geuro, der neben dem Euro im Land zirkuliert. Unternehmen könnten dann ihre Beschäftigten mit dem Geuro bezahlen, diese sich  dafür Lebensmittel und andere Verbrauchsgüter kaufen. Da sich die neue Parallelwährung gegenüber dem Euro schnell abwerten würde, wären griechische Produkte und Dienstleistungen – hier vor allem der Tourismus – schnell wieder wettbewerbsfähig. Nach außen hin könnte das Land weiter in Euro rechnen. Es blieb eine Idee. Quelle: dapd
Striktes SparprogrammGriechenland spart sich gesund. Der Plan sieht vor, dass Griechenland 2013 und 2014 gut 11,5 Milliarden Euro einspart – durch Kürzung der Gehältern der Staatsbediensteten sowie der Renten, des Verteidigungsetat und so weiter. Dass Griechenland seine Sparpläne einhält, glaubt kaum noch jemand. Die Prüfungskommission Troika wurde bisher bitter enttäuscht. Auch Regierungschef Antonis Samaras trägt nicht zum Vertrauen in die Sparbemühungen bei, wenn er wie Ende August geschehen bei den Schuldnerländern um einen Aufschub bis 2016 bittet. In wenigen Wochen wird die Troika ihren neuen Bericht vorlegen, dann wird man sehen, was Griechenland bisher erreicht hat. Quelle: dpa
'Grexit" - Zurück zur DrachmeDas Land erklärt sich bankrott, steigt aus der Europäischen Währungsunion aus und kehrt zur Drachme zurück. Jahrelang warnten Euro-Politiker vor Ansteckungseffekte einer Griechenland-Pleite. Spanien, Italien oder Portugal würden dann ebenfalls in den Abgrund getrieben, hieß es einstimmig aus Brüssel. Doch die Stimmung hat sich gedreht. Das Risiko eines Austritts Griechenlands aus der Währungsunion wird in den Ländern der Euro-Zone mittlerweile für beherrschbar gehalten. Das "Grexit-Szenario" bleibt eine Option, sollte Griechenland seine Sparpläne nicht in die Tat umsetzen. Quelle: dpa
Konzept "Südo"Die Teilung des Euro in eine Gemeinschaftswährung der Südländer (Südo) und der Nordländer (Nordo) käme zwar vor allem Griechenland, aber auch Italien, Spanien und Portugal zugute. Da eine Abwertung des  Südo gegenüber dem Nordo die unmittelbare Folge einer solchen Teilung wäre, würde sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Euro-Krisenländer entsprechend verbessern. Mit einer solchen Aufteilung wäre die Währungsunion langfristig ökonomisch stabil. Doch die Politik stellt sich quer – das Festhalten an der Einheitswährung ist europäische Staatsräson. Quelle: dapd
Projekt EurekaEs war eine geniale Idee der Unternehmensberatung Roland Berger: Der griechische Staat verkauft große Teile seines Staatsbesitzes – an Kulturgüter wie die Akropolis war dabei allerdings nicht gedacht – an eine europäische Treuhandanstalt. Mit dem Erlös hätte Griechenland seine Auslandsschulden abtragen können. Die Treuhand hätte dann rund 30 Jahre Zeit gehabt,  die griechischen Staatsunternehmen zu sanieren und zu verkaufen. Deutsche und griechische Politiker hatten durchaus Sympathien für diesen Plan mit dem Namen „Eureka“. Doch es wurde nichts daraus. Quelle: dapd
Konzept "Fixit"Um den Griechen das Leben in der Europäischen Währungsunion zu erleichtern, könnten auch finanziell starke und hoch wettbewerbsfähige Länder die Euro-Zone verlassen. So haben etwa die Finnen angekündigt, sie könnten auch ohne Euro leben. Würden die Finnen tatsächlich austreten (Fixit) und machen die Niederlande, Estland und vor allem Deutschland diesen Schritt mit, würde das Griechenland die fällige Anpassung erleichtern. Vom Tisch ist diese Option noch nicht – der Schlüssel dazu liegt bei der Regierung in Helsinki. Quelle: dpa
Geld druckenEs ist der bequemste aller Auswege – und damit der wahrscheinlichste. Die Europäische Zentralbank (EZB) wirft die Notenpresse an. Und das geht so: Die Regierung in Athen gibt Staatsanleihen aus, griechische Banken kaufen die Titel auf und hinterlegen sie bei der EZB. Dafür bekommen sie frisches Zentralbankgeld. Darüber hinaus denkt die EZB darüber nach, wie sie weitere Staatsanleihen der Krisenländer vom Markt nehmen kann. Die Deutsche Bundesbank ist mit ihrem Widerstand gegen dieses Programm isoliert. 'Not kennt kein Gebot', lautet das Motto von EZB-Präsident Mario Draghi – und so ist der Staatsfinanzierung durch die Notenbank Tür und Tor geöffnet.    Quelle: dpa

Etliche Monate, die schönsten Urlaubsmonate dazu, prüfte irgendeine Troika den, wirtschaftlich gesprochen, maroden Staat Griechenland. Und jetzt, da der Winter auch die griechische Sonne ein wenig vom Himmel holt, einigte man sich flugs mit dem überschuldeten Land darauf, dass Griechenland mit einem erneuten viele milliardenschweren Schuldenerlass beschenkt werden möge. Und man einigte sich auf ein zweites Geschenk, nämlich, dass Griechenland erneut ebenfalls viele Milliarden schwere Darlehen erhalten soll,  für die vor allem die noch profitabel arbeitenden Volkswirtschaften des Euro-Nordens gerade zu stehen hätten.

Schenksteuer fällt bei hoheitlichen Schenkungen von Staat zu Staat leider nicht an. Besser wäre es, wenn eine solche Steuer fällig würde und Steuerschuldner wären gerade diejenigen, die unter dem Etikett "Troika" unter der heißen Sonne Athens für uns alle geschwitzt haben, um ihren Prüfbericht, von dem die Euro-Politik monatelang beherrscht war, nun endlich mit einer vierteljährlichen Verspätung abzuliefern.

500 Millionen EU-Bürger dumm und dusselig sabbeln

Die Troika war mit ihrem Bericht in Verzug und das war der taktische Coup: die Merkels, die Montis und die Hollandes konnten sich nämlich vor der großen Potemkinschen Kulisse einer prüfenden und prüfenden und prüfenden Troika, herrlich gegenseitig die politischen Ping Pong-Bälle zu spielen und vorführen, wie sie um die Euro-Rettung miteinander ringen.

Zukunftsszenarien für Griechenland

Vor dem Hintergrund der großen Chimäre, dass die jetzt heraus gekommene sehr primitive Schenkempfehlung nicht bereits seit Monaten festgestanden hätte, konnten die Euro-Fürsten einen  langen Sommer lang  500 Millionen EU-Bürger dumm und dusselig sabbeln, ein riesiges Theaterstück aufführen und so schleichend, aber in der Sache eigentlich brutal, von Oben eine Art Duldungsstarre der Euro-Gesellschaften erzwingen. Man könnte auch von einer schleichenden Euro-Diktatur sprechen.

Risiken werden in die Zukunft verlegt

Auch wenn die Bundesregierung auf die Vorschläge der Troika ablehnend reagiert hat, sagt das viel zu wenig. Aus der eisernen Kanzlerin, die eine Schuldenunion, Eurobonds und eine uneingeschränkte Vergemeinschaftung aller Negativsalden ablehnte, ist im Laufe der Zeit eine Kanzlerin geworden, die Deutschland auf vielfältigste Art und Weise für das teilweise katastrophale Missmanagement zum Beispiel in Griechenland in eine Mithaftung gebracht hat. So eisern ist Merkel eben nicht.
Solange die deutsche Wirtschaft relativ im Vergleich zu den im Wettbewerb stehenden Volkswirtschaften brummt, fällt das nicht auf. Merkel trimmt im Moment alles, was ihr unter die Finger kommt, also insbesondere die Darstellung ihrer Euro-, Wirtschafts -und Finanzpolitik bis jetzt unbemerkt punktgenau auf den September 2013. Wenn die nächsten Bundestagswahlen anstehen, soll ihre Bilanz glänzen. Alle Imponderabilien und alle Risiken und sicher auch viele negative wirtschaftliche Realitäten werden in die Zeit der nächsten Legislaturperiode verlegt. Man lasse sich also nicht täuschen.

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