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Bettina Röhl direkt

Zyprische Verhältnisse

Bettina Röhl Publizistin

Die Enteignung von Sparkonten auf Zypern ist ein lokaler Sonderfall, der nicht auf Deutschland oder andere Länder im Euro-Raum hochgerechnet werden sollte.

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In Zypern bleiben die Banken bis Donnerstag geschlossen. Die Bürger sind entsetzt. Quelle: dpa

Weihnachten kommt immer so plötzlich, Schwiegermutters Geburtstag auch. Aber die Eurokrisen, diesmal die gerade abgewendete in Zypern, sind als systemische Krankheitssymptome der Einheitswährung Euro nichts wovon irgendjemand überrascht sein konnte. Seit der jüngsten (nicht letzten) Griechenlandrettung  hatte sich in den letzten Monaten  die Meinung, oder besser, das Lebensgefühl durchgesetzt, dass die große Euro-Krise eigentlich schon Geschichte wäre. Und dann kam vor nicht einmal vierzehn Tagen aus dem Nichts, völlig überraschend, die Meldung aus Nikosia: wir sind in wenigen Tagen Pleite. Rettet uns sofort!

Überraschend? Mit Sicherheit nicht. Acht Monate hocken die Kontrolleure der sogenannten Troika aus EU, EZB und IWF nun schon in Zypern herum, um das Bankensystem und die Staatsfinanzen auf Solidität oder eben Unsolidität zu überprüfen.

Die Kunst der Euro-Retter

Prüfanlass hatte man also schon gesehen, aber wer auch immer dafür verantwortlich ist, es scheint ein regelrechtes Denk-und Benennungsverbot im Euro-Rettungssystem zu geben die Realitäten zu durchdringen und sie den Menschen klar zu machen. Die Überschuldung Zyperns einfach ignorieren, die Krise buchstäblich bis zum letzten Tag, für den eine Restliquidität gerade noch vorhanden ist, zu verschweigen, um den Euro gesund zu kommunizieren und die Menschen und die Finanzmärkte in Sicherheit zu wiegen, darin erschöpft sich die Kunst der Euro-Retter.

Wie schon vier Mal zuvor, tagten auch diesmal die Troika-Vertreter in nächtlicher Sitzung und beschlossen in letzter Minute diesmal einen geradezu lächerlich klein wirkenden Hilfskredit  von zehn Milliarden Euro für das kleine Zypern zu gewähren, allerdings unter der Bedingung, dass der Inselstaat einen Eigenbeitrag in Höhe von sechs Milliarden Euro leistet.

Die Chronik der Zypern-Krise

Wer die Banken - und die Staatsschuldenkrisen in Irland, Portugal, Spanien und Griechenland finanziert und für diese Länder in Haftung geht, um den Euro insgesamt in seiner jetzigen Form zu erhalten, für den ist der Liquiditätsbedarf eines Zwergstaates wie Zypern eine Petitesse. Insofern stand von Anfang an fest, dass nach ein bisschen Gepoker - auch das gehört ja inzwischen zum Euro-Rettungs-Ritual - die von Zypern angeforderten Stützungsgelder im Ergebnis fließen werden, wie es jetzt geschieht.

Euro-Rettungs-Rituale

Hier soll es aber nicht um die Frage gehen, ob der große Fetisch einer Einheitswährung vom finnischen Polarkreis bis runter nach Zypern überhaupt eine Chance hat die beteiligten sehr unterschiedlich leistungsfähigen Volkswirtschaften auf ein gemeinsames Niveau zusammen zu schweißen, wie es die Euro-Ideologen hartnäckig propagieren. Hier soll es um eine andere Frage gehen, wie enteignungsähnliche Eingriffe des Staates Zypern auf die Sparkonten von Bankkunden einzuschätzen sind.

Der zyprische Staat, so ist es vereinbart, holt sich die 6 Milliarden Euro, die er selber aufbringen muss, um besagten Kredit von der Troika zu bekommen, bei denjenigen Bürgern, die Sparguthaben bei den ins Straucheln geratenen zyprischen Großbanken unterhalten.

Kunden, die mehr als 100.000 Euro bei ihrer Bank auf die hohe Kante gebracht haben, verlieren bis zu 30 Prozent ihres Habensaldos an den Staat und erhalten dafür gegebenenfalls Bankaktien, die im Zweifel nichts wert sind. Wie ein Staat fehlende Liquidität beitreibt, also Haushaltslöcher stopft, möchte man meinen, sei seine eigene Angelegenheit, die der jeweilige Staat mit den eigenen Bürgern streitig ausdiskutieren müsste.

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