Bewährungsprobe für Green Deal Der Streit entzündet sich am Geld

Von der Leyen hat großes Interesse an einem Kompromiss, so weich er auch sein könnte. Quelle: REUTERS

Noch ist nicht sicher, ob alle EU-Staaten dem ambitionierten Klimaziel für 2050 zustimmen werden. Deutschland kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, den Streit zu entschärfen.

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Einen Tag, nachdem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Green Deal vorgestellt hat, will sie sich von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten Rückendeckung für ihre ambitionierten Pläne holen. Gemeinsam mit dem ebenfalls neu amtierenden Ratsvorsitzenden Charles Michel will sie die EU-Mitgliedsstaaten beim EU-Gipfel am heutigen Donnerstag darauf einschwören, Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Doch es ist keinesfalls ausgemacht, dass dies gelingen wird. Polen, Ungarn und Tschechien sperren sich gegen sich gegen das ehrgeizige Ziel.

Der Streit entzündet sich am Geld. Der Übergang zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft und Gesellschaft wird teuer kommen und die Mitgliedsstaaten unterschiedlich stark betreffen. Die osteuropäischen Länder, die bisher noch stark auf Kohle setzen, haben größere Anstrengungen vor sich. Deshalb soll es einen Ausgleichsfonds („Just transition fund“) geben mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro. Aber auch der überzeugt die drei widerspenstigen Länder bisher noch nicht. Sie wollen konkretere Zusagen, wie sehr sie mit Unterstützung rechnen können.

Das Problem: So lange sich die EU-Mitgliedsstaaten nicht auf ihre Finanzplanung für die Jahre 2021 bis 2027 einigen, kann es keine verbindlichen Zusagen für finanzielle Hilfen geben. Die Mittelfristige Finanzplanung steht an diesem Donnerstag auch auf der Tagesordnung. Die Positionen der Mitgliedsstaaten liegen aber so weit auseinander, dass sie von einer Einigung weit entfernt sind.

Für von der Leyen wäre es eine große Schlappe, wenn die drei Länder ihre Unterschrift unter das Klimaziel für 2050 verweigern. Sie hat ein großes Interesse an einem Kompromiss, so weich der auch formuliert sein könnte. Ratspräsident Charles Michel will sie dabei unterstützen. Als Ministerpräsident von Belgien mit seinen notorisch verfeindeten Landesteilen hat er sich in den vergangenen Jahren als Vermittler geübt. Das Duo Michel und von der Leyen wird sicherlich besser harmonieren als ihre Vorgänger Jean-Claude Juncker und Donald Tusk, die nicht miteinander konnten.

Gemeinsam müssen die beiden Bundeskanzlerin Angela Merkel davon überzeugen, für den Klimaschutz mehr Geld springen zu lassen. Aus Berlin war vor dem Gipfel zu hören, dass die Bundesregierung nicht von ihrer Forderung abrücken wird, die mittelfristige EU-Finanzplanung bei 1,0 Prozent der Wirtschaftsleistung zu beschränken. Deutschland wird mittelfristig mehr Geld in den EU-Haushalt einzahlen müssen – auch wegen des Brexits. Je großzügiger sich Deutschland gibt, desto leichter wird es von der Leyen fallen, den osteuropäischen Ländern Zusagen zu Ausgleichszahlungen zu machen.

Viel hängt nun davon ab, wie sehr Merkel ihre frühere Ministerin unterstützen will und ob sie zum mutmaßlichen Ende ihrer Karriere hin als Klimapolitikerin und gute Europäerin in Erinnerung bleiben will. Von der Leyen hatte am Mittwoch noch einmal daran erinnert, dass ein Aussitzen des Klimawandels die teuerste Option wäre: „Wir dürfen niemals vergessen, wie hoch die Kosten sind, wenn wir nichts tun.“

Die 100 Milliarden Euro, die von der Leyen in Aussicht gestellt hat, stehen allerdings noch nicht bereit. Anfang kommenden Jahres will sie dafür einen konkreten Vorschlag vorlegen. Aus drei Quellen sollen insgesamt 35 Milliarden Euro kommen: Aus den Strukturfonds der EU, aus dem Nachfolger des Juncker-Fonds „Invest EU“ und von der Europäischen Investitionsbank (EIB). Die Gesamtsumme von 100 Milliarden Euro entsteht erst, wenn die öffentlichen Gelder „gehebelt“ werden und zusätzliches privates Geld mobilisiert wird. Diese Methode wurde bereits beim Juncker-Fonds erfolgreich angewandt.

Der erste EU-Gipfel, an dem Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin beiwohnen wird, so viel steht schon vor Beginn fest, könnte bis spät in die Nacht dauern. Schwierige Kompromisse werden im Ratsgebäude fast immer nach Sonnenuntergang erzielt.

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