Bleiben, gehen, hoffen Wie fühlen sich EU-Bürger in Großbritannien kurz vor dem Brexit?

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„Ihr seid in England, sprecht Englisch!“

Alexandra Bulat, die für „the 3 million“ mit rumänischen EU-Abgeordneten in Kontakt steht, hat sich dieses Jahr um eine Art Vorstufe zur britischen Staatsbürgerschaft beworben. Die 24-Jährige macht gerade ihren Doktor am University College of London, 2012 zog sie von Rumänien nach England. Ihr Gesuch wurde Ende Mai abgelehnt.

Der Grund? Die Dokumente seien unzureichend, heißt es in einer E-Mail. Bulat will Einspruch einlegen. Doch das geht nur mit der offiziellen Ablehnung und die ist selbst nach einem halben Jahr nicht bei ihr eingetroffen. Das Innenministerium sei maßlos überfordert, schimpft Bulat. Immer wieder würden Anträge fälschlicherweise abgelehnt. Auch eine Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur beim Innenministerium blieb hierzu unbeantwortet.

Bulats Vorwürfe sind jedoch nicht neu: Bereits im vergangenen Jahr musste sich die Regierung bei etwa 100 EU-Bürgern entschuldigen, nachdem ihnen aus Versehen mit Abschiebung gedroht worden war.

Alexandra Bulat aus Rumänien lebt seit 2012 in England. Sie macht gerade ihren Doktor am University College of London über europäische Migration. Quelle: dpa

Péa Eigler hat erst gar nicht versucht, zu bleiben. Sie ist nach 25 Jahren mit ihrem Mann von Brighton zurück ins Allgäu gezogen. Die 54-Jährige arbeitet als Übersetzerin, zurück in Deutschland muss sie sich nun einen neuen Kundenstamm aufbauen.

Eigler litt nach dem Referendum unter Schlafstörungen, auf einmal war ihr Zuhause kein Zuhause mehr. Ein Arzt riet ihr, Allergietabletten einzuwerfen: Dann würde das mit dem Schlafen schon wieder klappen. Manchmal, wenn sie auf der Straße mit Freunden Deutsch sprach, rief man ihr zu: „Ihr seid in England, sprecht Englisch!“. Also ließ sie das Deutsch sprechen irgendwann ganz sein.

Sie ist enttäuscht von dem Land, das sie einst als Heimat wählte. Und sie ist wütend auf Theresa May und die Rhetorik der Regierung, die den Hass auf EU-Bürger befeuere. Erst vor wenigen Tagen wurde die Premierministerin kritisiert, als sie sagte, dass sich EU-Bürger bald nicht mehr „vordrängeln“ könnten.

Péa Eigler ist Übersetzerin und ist nach 25 Jahren, die sie in Großbritannien gelebt hat, mit ihrem britischen Mann zurück nach Oberstaufen im Allgäu gezogen. Quelle: dpa

Für Virginie Lusandu ist Weitermachen an manchen Tagen leicht, an anderen schwerer. Ob sie gehen oder bleiben wird, weiß sie nicht. Maike Bohn und Alexandra Bulat haben sich entschieden zu bleiben, um weiter für die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien zu kämpfen.

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