Bonitäts-Herabstufung, EU-Beschwerde Italien immer stärker unter Druck

Die internationale Kritik wächst, doch Italiens Regierung bleibt hartnäckig. Quelle: AP

Moody‘s stuft Italiens Bonität herab. Das Land ist damit nahe am berüchtigten „Ramschstatus“. Die Regierung ignoriert jegliche EU-Kritik und will die Herabstufung durch die Rating-Agentur „mit einem Lächeln“ beantworten.

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Italien gerät nach einer Herabstufung seiner Bonität noch mehr unter Druck. Die Rating-Agentur Moody‘s senkte am Freitagabend ihre Note für die Kreditwürdigkeit - mit Verweis auf die voraussichtlich deutlich höhere Neuverschuldung 2019. Italiens Kreditwürdigkeit liegt damit nur noch eine Stufe über dem berüchtigten Ramsch-Status. Damit dürfte es für die Regierung teurer werden, sich frisches Geld am Kapitalmarkt zu leihen. Weitere Herabstufungen könnten noch im Oktober folgen.

Am Samstag beriet die italienische Regierung erneut über die umstrittenen Haushaltspläne, auch hier gab es keinen Kurswechsel. „Im Namen unserer Regierung verneine ich, dass wir über die Reduzierung des Defizits sprechen, das bei 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bleibt“, sagte der stellvertretende Premier und Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, der italienischen Nachrictenagentur Ansa. Die Herabstufung werde man „mit einem Lächeln“ beantworten. Vertreter der deutschen Wirtschaft äußerten sich besorgt, ebenso wie die Europäische Zentralbank (EZB). Conte ergänzte nach der Kabinettssitzung am Wochenende derweil, er werde schon bald EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker treffen, um die Streitpunkte zu erörtern. Vize-Regierungschef Matteo Salvini von der rechten Lega sagte, es gebe und werde auch keinen Plan für einen Ausstieg aus dem Euro geben. Wegen der kostspieligen Wahlversprechen und Befürchtungen einer neuen Schuldenkrise haben ausländische Investoren seit Mai ihre Engagements in italienischen Staatsanleihen um 67 Milliarden Euro reduziert.

Moody's senkte sein Italien-Rating auf „Baa3“. Die Note steht für eine gerade noch befriedigende Kreditwürdigkeit und ist nur eine Stufe über dem berüchtigten Ramsch-Status. Große Fonds dürfen nach ihren eigenen Vorgaben oft kein Geld in Staatsanleihen stecken, wenn diese als Ramsch eingestuft werden. Weitere Herabstufungen könnten die Kapitalflucht verstärken.

Das Land muss Investoren deutlich höhere Zinsen bieten, um Anleihen zu platzieren. Die Rendite der zehnjährigen Papiere kletterte zuletzt auf rund 3,8 Prozent. Das ist der höchste Stand seit viereinhalb Jahren. Der Risikoaufschlag zu vergleichbaren Bundesanleihen liegt zudem so hoch wie zuletzt während der Euro-Schuldenkrise 2012. „Das kostet den Staat ordentlich Geld,“ so Commerzbank-Ökonom Marco Wagner. „Denn je höher der Zins, desto teuerer werden neue Schulden für die italienische Regierung.“

Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny sagte der Zeitung „Kurier“, die Verschuldung Italiens sei beunruhigend. Sie ist mit 130 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung innerhalb der Euro-Zone nur im krisengeplagten Griechenland noch höher. Italien muss sich nach Angaben Nowotnys 2018 und 2019 rund 380 Milliarden Euro am Kapitalmarkt beschaffen. Das sei derzeit nur zu höheren Zinsen möglich, was das Defizit im Budget erhöhen werde.

„Mit dieser Kursänderung manövriert sich die italienische Regierung europapolitisch ins Abseits“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, der Zeitung „Die Welt“. Vorgaben zum Schuldenabbau würden ignoriert, ergänzte der CSU-Europapolitiker Markus Ferber. Die Regierung in Rom steckt „Europa die Zunge raus“. Das sei ein Affront, auf den die EU-Kommission reagieren müsse. Sie hat Italien gerade per Brief mitgeteilt, der Haushaltsentwurf sei ein gravierender Verstoß gegen EU-Regeln. Die Kommission räumte eine Frist bis Montag zur Antwort ein.
Ifo-Chef Clemens Fuest sagte der „Rheinischen Post“, da sich Italien nicht an die Fiskalregeln halte, könne es im Notfall nicht auf Hilfen aus den europäischen Rettungstöpfen oder durch die EZB hoffen. DekaBank-Chefökonom Ulrich Kater sagte der Zeitung, solange das weltweite Wirtschafswachstum stark bleibe, könne alles gutgehen. „Aber spätestens im nächsten Konjunkturrückgang wird sich zeigen, dass die Annahmen der italienischen Regierung falsch sind und dann kann es gefährlich werden.“

Die neue Regierung in Rom aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega plant für 2019 eine drei Mal so hohe Neuverschuldung wie von der Vorgängerregierung zugesagt. Die EU-Kommission sieht darin einen gravierenden Verstoß gegen europäische Regeln. Am Donnerstag kommt die Euro-Notenbank zusammen und wird dabei auch über Italien beraten. „Die EZB wird solange keine Bereitschaft zeigen, Italien zu unterstützen, sofern nicht auch andere Länder unverschuldet mit in die Krise hineingezogen werden,“ so BayernLB-Volkswirt Stefan Kipar.

Die Moody‘s-Analysten betonten, die veränderte Fiskalpolitik in Italien werde wahrscheinlich dazu führen, dass der Schuldenberg in den nächsten Jahren nicht abnehmen werde. Eigentlich gilt in der EU eine Obergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die Italien aber seit Jahren reißt. Die hohe Verschuldung mache das Land anfällig, so Moody‘s.

Die neue Regierung will mehr investieren, um der drittgrößten Volkswirtschaft in der Euro-Zone mehr Schwung zu verleihen. Vorgesehen sind unter anderem Steuersenkungen und ein Grundeinkommen für Arme. „Die meisten Erhöhungen bei den Regierungsausgaben sind struktureller Natur, was bedeutet, dass sie nur schwer rückgängig zu machen sind“, kritisierte Moody‘s. Die Pläne dürften die Wirtschaft zwar anschieben, aber nicht so stark wie von der Regierung gehofft.

Wirtschaftswissenschaftler zeigen sich ebenfalls zunehmend besorgt. Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag): „In der nächsten Wirtschaftskrise könnte das Vertrauen der Investoren in die italienischen Staatsfinanzen ganz kollabieren.“ Im Ernstfall sei angesichts des derzeitigen Verhaltens der Regierung auch nicht mit Hilfe von den Rettungsschirmen oder der Europäischen Zentralbank zu rechnen. Der Chefökonom der Dekabank, Ulrich Kater, warnte, es könne „fatal sein, wenn ein weiterer Schock hinzukäme, etwa ein Konjunktureinbruch oder der Zusammenbruch einer Bank.“ FDP-Bundestagsfraktionsvize Christian Dürr verlangte Konsequenzen aus Brüssel: „Die EU-Kommission muss hart bleiben und die Regeleinhaltung strikt einfordern, sonst droht große Ansteckungsgefahr für die ganze Eurozone.“

Die Regierung im Rom will mehr investieren, um der drittgrößten Volkswirtschaft in der Euro-Zone mehr Schwung zu verleihen. Vorgesehen sind unter anderem Steuersenkungen und ein Grundeinkommen für Arme. „Die meisten Erhöhungen bei den Regierungsausgaben sind struktureller Natur, was bedeutet, dass sie nur schwer rückgängig zu machen sind“, kritisierte Moody's.

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