Allerdings gibt es durchaus die Frage, ob Deutschland sich seiner Verantwortung in der Außenpolitik bewusst ist. Jetzt, wo Deutschland in Sachen Sanktionen gegen Russland eher bremst. So bleibt für mich die außenpolitische Frage: Wie kann man Deutschland in Europa einbinden und gleichzeitig für Europa mobilisieren? Die ist bis heute nicht geklärt. Im Gegenteil. Erstens ist Deutschland seit der EU und NATO Osterweiterung nur noch von freundlichen Nachbarstaaten umringt. Es verspürt nicht mehr wie in früheren Zeiten, den geopolitischen Schmerz der Randstaaten im Osten. Zweitens droht Deutschland in Europa erneut übermächtig zu werden. Das Land ist die unangefochtene Nummer Eins in der EU. Was Bundeskanzlerin Merkel vorgibt, wird gemacht. Bestes Beispiel ist die Austeritätspolitik, die gegen die Mehrheit in Europa durchgesetzt wurde. Sie war einseitig aufs Sparen fokussiert – ohne gleichzeitig Reformen des Arbeitsmarktes, bei den öffentlichen Finanzen und bei der Ausbildung der jungen Leute einzufordern. Deutschland ist nicht unfehlbar. Wir brauchen nicht „mehr Deutschland“, sondern „mehr Europa“.





Ohne Deutschland gäbe es also keine Krise in Europa? Das können Sie nicht Ernst meinen.
Das ist ketzerisch formuliert. Aber wenn Sie in Ihrer Frage „Deutschland“ durch das „deutsche Problem“ ersetzten, würde ich die These unterstreichen. Natürlich haben auch die anderen Fehler gemacht: Griechenland hat sich gnadenlos überschuldet, Italien ist schon fast traditionell und instabil und die Franzosen büßen immer mehr Wettbewerbsfähigkeit ein. Das alles führt zum deutschen Übergewicht. Über die Auslöser und die Schuldigen eines übermächtigen Deutschlands lässt sich also trefflich streiten. Fakt ist: Deutschland gibt den Ton vor – und Europa macht aktuell die gleichen Fehler wie nach 1453.
Zahlen zur EU
... Angestellte zählt die EU-Kommission, darunter 25.000 Beamte.
... soll der EU-Haushalt von 2014 bis 2020 verschlingen.
... netto zahlen die Deutschen jährlich für die EU (2010).
... der Deutschen glauben, dass der Euro ihnen "eher schadet".
1453?
Damals wurde Konstantinopel durch die Osmanen belagert. Die Verteidiger hielten zwei Monate der Belagerung stand und warteten auf Hilfe aus dem Westen. Vergebens. Das Osmanische Reich breitete sich aus und schloss 1529 Wien ein. Erst da reagierte das Heilige Römische Reich und half, eine der größten Städte Mitteleuropas vor den Türken zu verteidigen. Nun fürchte ich macht Europa ähnliche Fehler. Russland annektiert die Krim und greift nach dem Osten der Ukraine. Und die Europäische Union? Sie ist zaghaft, zögerlich und findet keine Mittel. Es dauert Tage bis Europa eine gemeinsame Haltung formuliert, die die Entscheidungsfindung ist oft schmerzend langsam. Die Ukraine-Krise zeigt ganz deutlich: Wir brauchen endlich eine europäische starke Außenpolitik. Das geht am besten in einem europäischen Bundesstaat. Wir sollten uns die Entwicklungsgeschichte Großbritanniens oder der USA zum Vorbild nehmen.
Was kann man von den beiden genannten Beispielen lernen?
Auch hier hilft ein Blick in die Geschichte: England und Schottland rivalisierten lange Zeit miteinander. Dann drohte Frankreich seine Macht auf die britische Insel auszudehnen. Also haben sich England und Schottland zusammengeschlossen. Es gibt schlicht darum die gemeinsamen Werte zu verteidigen. Es war der Kampf des Parlamentarismus gegen den französischen Absolutismus. Auch die USA, ehemals aufgeteilt in Kleinstaaten, haben sich zusammengeschlossen und die Kräfte gebündelt, um gegen fremde Kräfte bestehen zu können. In beiden Fällen mit Erfolg.