Brenner-Gipfel "Deutschland muss die Blockabfertigung akzeptieren"

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"Hier hat Deutschland einen massiven Nachholbedarf"

Was erwarten Sie von Deutschland beim Bau der Zugstrecke zum Brenner Basistunnel?
Der Brenner Basistunnel ist voll im Bau. Wir haben den ersten Teil der Zulaufstrecke in Tirol, die Unterinntaltrasse, bereits seit 2012 in Betrieb. Allerdings können wir den zweiten Teil der Zulaufstrecke nicht in Angriff nehmen, weil wir nicht einmal wissen, wo die Bahnstrecke von Bayern Richtung Tirol münden wird. Hier hat Deutschland einen massiven Nachholbedarf.

Der Brenner-Basistunnel ist immerhin ein gesamteuropäisches Projekt und in Deutschland passiert einfach nichts. Wir riskieren einen Flaschenhals in Bayern und was noch schlimmer ist, dass der Brenner Basis Tunnel dadurch an Effizienz verliert und nicht in dem Maße der Verlagerungen beitragen kann wie möglich. Es ist für mich vollkommen unverständlich, dass in Deutschland immer noch diskutiert wird, anstatt endlich mit dem Bau zu beginnen. In Italien hat man das bereits seit Langem erkannt.

Kritiker sorgen sich, dass die Lkw auch weiterrollen werden, wenn der Brenner Basistunnel 2026 fertiggestellt ist. Wie kann man denn den Umstieg auf die Bahn befördern?
Dafür braucht es mehrere Ansätze. Zum einen muss die Straße teurer werden, deshalb pochen wir auf die Korridormaut, zum anderen müssen die Angebote auf der Bahn wie zum Beispiel mit der rollenden Landstraße verbessert werden. Es braucht auch noch technische Abstimmungen, um die Verlagerung auf die Bahn rascher und attraktiver zu machen. Für die Wirtschaft das ist eine bloße Rechenaufgabe. Wenn die Bahn attraktiver ist als der Lkw-Transport per Straße, reagiert die Wirtschaft augenblicklich. Immerhin verschlingt der Brenner Basis Tunnel zehn Milliarden Euro an Steuergeld, wobei 40 Prozent von der Europäischen Union kommen. Und Deutschland sieht einfach zu und wartet.

Ist Ihre Partei, die ÖVP, nicht auch selber schuld an dem Chaos? Immerhin traten Sie lange für den Transit ein.
Überhaupt nicht. Wir haben in Tirol selbst alle Maßnahmen ergriffen. So finanziert das Land den Bau des Brenner-Basistunnels mit 190 Millionen Euro. Das war ein freiwilliger Beitrag, damit das Projekt vorankommt. Wir haben den ersten Streckenabschnitt bereits erledigt. Jetzt warten wir auf Deutschland, damit wir die zweite Strecke bauen können. Wir haben in Tirol auch ein Lkw-Nachtfahrverbot eingeführt. Wir haben ein Lkw-Wochenendfahrverbot eingeführt. Wir haben ein sektorales Fahrverbot für Lkw eingeführt. Wir haben alle Hausaufgaben erledigt, die wir in Tirol selbst machen können.

Bayern überlegt gerade, das Nachtfahrverbot zu lockern. Was halten Sie von diesen Plänen?
Überhaupt nichts. Dann sehen wir noch mehr Lkw-Verkehr.

In Bayern sorgen sich manche Kritiker, dass Tirol nach Fertigstellung des Brenner Basistunnels plötzlich die Europabrücke für marode erklären und für den LKW-Transit schließen könnte. Was halten Sie von solchen Unterstellungen?
Das sind Unterstellungen. Aber man muss bedenken, dass künftig auch Giga-Liner unterwegs sind. Und das würde eine Gebirgsautobahn wie zum Brenner, die Großteils aus Brücken- und Tunnelbauwerken besteht über die Maße belasten, das hält auch eine  Europabrücke nicht ewig aus. Die Belastung des LKW-Transits für Mensch, Natur und Infrastruktur ist enorm, auch wenn es den Reisenden über die Autobahn nicht auffällt, aber es wir ja bereits ständig saniert, mit noch mehr Verkehr nimmt die Wartung exponentiell zu.  

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