Brexit-Chaos auf der Insel Den Briten droht das „No-Deal-Szenario“

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Kursänderung der Labour-Partei

Doch die Führung der oppositionellen Labour-Partei hat gerade einen neuen Vorschlag veröffentlicht, der die Front der europafreundlichen Brexit-Rebellen in der Labour-Partei und bei den Tories spaltet, indem sie eine weitere unrealistische Variante zur Zollunion in die Diskussion wirft. Deshalb wird die Regierung am Mittwoch wohl die Abstimmung gewinnen und die von den Pro-Europäern und vom Oberhaus propagierte Mitgliedschaft Großbritanniens im Europäischen Wirtschaftsraum ablehnen.

Das Oberhaus, in dem die Regierung keine Mehrheit hat, wünscht sich für das Vereinigte Königreich den sogenannten Norwegen-Status im Europäischen Währungsraum. Der hätte allerdings den Nachteil, dass London die Freizügigkeit akzeptieren und ohne eigenes Stimmrecht die von der EU beschlossenen Regeln akzeptieren müsste. Bis zur Kursänderung der Labour-Partei bestand die begründete Hoffnung, dass, wenn das Gesetz zum EU-Austritt mit 15 Änderungsanträgen aus dem Haus of Lords wieder ins Unterhaus zurückkommt, das Ruder herumgerissen werden könnte.

Doch am Wochenende appellierten überraschend Ex-Innenministerin Amber Rudd, die den Brexit eigentlich vehement ablehnt, und der euroskeptische Tory Iain Duncan-Smith gemeinsam an ihre Parteigenossen, May keinesfalls eine Abstimmungsniederlage beizubringen. Denn das könnte ihre politische Karriere beenden und Labour-Chef Jeremy Corbyn an die Macht bringen. 

Zwischen Soap Opera und Spionagethriller

„Es geht zu wie in einer Reality-Show im Fernsehen“, so der Kommentar des UK-Volkswirts der Berenberg Bank zu den Vorgängen in Großbritannien. Eine Soap Opera, die nun noch zusätzlich Elemente eines Spionagethrillers aufweist: So berichtete die Sunday Times gestern von angeblich engen Kontakten zwischen der Kampagne der Brexit-Befürworter „Leave.EU“ und Russland. Der mit einer Russin verheiratete britische Multimillionär Arron Banks, der im Vorfeld des EU-Referendums im Jahr 2016 die Brexit-Kampagne mit zwölf Millionen Pfund finanzierte, traf sich demnach mehrmals heimlich mit dem russischen Botschafter in London, Alexander Yakowenko, und reiste im Februar 2016 sogar nach Moskau. Arron selbst sprach nur von „zwei feuchtfröhlichen Mittagessen und einer Tasse Tee“ – die Enthüllungen der „Sunday Times“ seien Ausdruck einer „politische Hexenjagd“ kritisierte er. Von der Zeitung veröffentlichte E-Mails zeigen, dass Banks und sein Mitarbeiter Andy Wigmore außerdem mit russischen Kontakten über geschäftliche Interessen sprachen – dem Vernehmen nach ging es dabei um den Kauf von sechs russischen Goldminen in Sibirien.

Damit nicht genug: Zusammen mit dem ehemaligen Chef der EU-feindlichen Ukip-Partei, Nigel Farage, hatte Banks überdies im November 2016 den frisch gewählten US-Präsidenten Donald Trump in New York getroffen und seinen russischen Bekannten anschließend die Telefonnummern des Trump-Teams weitergereicht.

Last but not least sollen Banks und Wigmore auch Kontakt zu Alexander Udod, einem mutmaßlichen russischen Geheimdienstmitarbeiter unterhalten haben, der nach dem Nervengiftanschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Yulia im März in Salisbury aus Großbritannien ausgewiesen worden war.

Zu den brisanten Enthüllungen wird sich Banks bereits am morgigen Dienstag äußern müssen: denn er und Wigmore sind vormittags als Zeugen des Kultur- und Medienausschusses im Unterhaus geladen. Der Ausschuss untersucht derzeit den möglichen Einfluss russischer und anderer Fake News auf die Brexit-Kampagne und das EU-Referendum vor zwei Jahren. Es dürfte spannend werden - James Bond läßt grüßen.

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