
Wer die Zusammenarbeit regelt
Die Europäische Union bestimmt die Höhe von Zöllen auf Einfuhren aus Nicht-EU-Staaten. Nach dem Brexit-Votum wird Großbritannien in den kommenden Jahren zu einem sogenannten Drittstaat werden. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union entscheiden gemeinsam über bi- und multilaterale Handelsabkommen und über handelspolitische Straf- und Schutzmaßnahmen, soweit dies die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) erlauben. Verantwortlich dafür ist die Europäische Kommission, die für Verhandlungen mit Drittstaaten ein Mandat des Europäischen Rates erhält. Mit dem Nachfolger David Camerons wird die Kommission die Neuordnung aushandeln, um die europäische Binnenkonjunktur nicht allzu sehr zu schwächen. Für die zukünftigen Beziehungen der EU mit Großbritannien gibt es einige Vorbilder. Es ist davon auszugehen, dass die Zusammenarbeit sich an einem dieser Modelle orientiert.
Das Modell „Norwegen“
Das skandinavische Land ist durch das sogenannte EWR-Abkommen eng an die EU angebunden. Vorteil für Norwegen ist der freie Zugang zum Binnenmarkt der EU. Um von diesem Privileg profitieren zu können, muss das Land allerdings auch die EU-Regeln zur Bewegungsfreiheit für Arbeitnehmer und Dienstleistungen respektieren. Zudem muss Norwegen derzeit die 15 am wenigsten wohlhabenden Länder der EU mit EWR-Fördergeldern in Höhe von jährlich 388 Millionen Euro unterstützen. Weiterer Minuspunkt des Modells: Trotz des EWR-Abkommens besitzt Norwegen innerhalb der EU in den entscheidenden Organen kein Stimmrecht. Das Land muss also EU-Recht akzeptieren, hat darauf aber kaum Einfluss.





Das Modell „Schweiz“
Die engen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz werden durch ein dichtes Netz von rund 120 Abkommen geregelt. Das Alpenland hat zum Beispiel einen direkten Zugang zu etlichen wichtigen Sektoren des EU-Binnenmarktes. Wie Norwegen muss sich allerdings auch die Schweiz dafür an zahlreiche EU-Regeln halten und auch finanzielle Beiträge leisten. Zum Beispiel zahlt sie für ihre Einbindung in den Europäischen Forschungsraum und für Projekte zur „Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU“. Das Modell „Schweiz“ könnte für Großbritannien interessant sein, vor allem wenn es zusätzlich den Zugang zum Sektor Finanzdienstleistungen ermöglichen würde. In EU-Kreisen gilt es allerdings als äußert unwahrscheinlich, dass die EU noch einmal einem Land ähnliche Beziehungen zugesteht. Denn sie gelten als zu komplex.
Das Modell „Kanada“
Das Freihandelsabkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement), das die EU mit Kanada ausgehandelt hat, ist umfassender als alle vorher geschlossen Verträge dieser Art. Es umfasst allerdings nicht den für Großbritannien so wichtigen Bereich der Dienstleistungen. Laut EU-Kommission entfallen „mehr als 99 %“ der Zölle durch das Abkommen CETA. Es soll Zugangsbeschränkungen bei öffentlichen Aufträgen beseitigen, Investoren verlässliche Bedingungen bieten und nicht zuletzt die illegale Nachahmung von EU-Innovationen erschweren. Insgesamt liegen die deutsch-kanadischen Handelsbeziehungen dennoch unter dem Potenzial beider Volkswirtschaften. Die großen kanadischen Rohstoffvorkommen spielen für die Rohstoff- und Energieversorgung Deutschlands bislang nur eine untergeordnete Rolle, werden für den deutschen Markt aber zunehmend interessanter.
Das „WTO“-Modell
Wenn sich die beiden Parteien auf kein anderes Modell einigen können, würde der Handel künftig nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) ablaufen. Der Zugang Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt wäre so beschränkt wie zum Beispiel der eines Landes wie Neuseeland. Vor allem für die britische Finanzbranche wäre dieses Modell vermutlich katastrophal.