Brexit Dieser „Plan B“ verdient nur die Note mangelhaft

Theresa Mays mangelhafter Plan B für den Brexit Quelle: REUTERS

Theresa Mays mit Spannung erwarteter Alternativ-Plan für das Scheidungsabkommen mit der EU ist eine Enttäuschung auf ganzer Linie. Seine Chancen, vom Parlament akzeptiert zu werden, sind gering. Großbritannien bewegt sich langsam aber unaufhaltsam auf den „No Deal“ zu.

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Eigentlich hatte Premierministerin Theresa May am Mittwoch vergangener Woche versprochen, sie werde sich um einen überparteilichen Konsens für einen Alternativ-Plan ihres EU-Scheidungsabkommens bemühen, das im Unterhaus eine krachende Niederlage erlitten hatte. Doch das Ergebnis ihrer Anstrengungen, das sie am Montag präsentierte, ist bestürzend: Ein vage formulierter Fahrplan, der weitgehend auf ihrem ursprünglichen Entwurf basiert, den das Parlament letzten Dienstag mit 230 Stimmen Mehrheit durchfallen lies.

May erweist sich damit als realitätsfremd. Sie hat keine neuen Ideen. Vor allem aber scheint die Premierministerin erneut nur auf Brexit-Befürworter bei den Tories sowie auf die nordirische Protestantenpartei DUP zu setzen, statt um einen echten, überparteilichen Kompromiss zu kämpfen. Sie gelobt Flexibilität und Kreativität. In Wahrheit aber will sie mit dem Kopf durch die Wand.
Die Uhr tickt, doch die Tory-Politikerin scheint das nicht zu stören.

Statt eine ergebnisoffene Debatte mit allen Parteien zu führen, um das Dilemma ihres gescheiterten Scheidungsabkommens zu lösen, will die Premierministerin wieder einmal neue Zusicherungen von der EU einholen, was die kontroverse Grenzfrage zwischen der Provinz Nordirland und der Republik Irland angeht. Sie nimmt nicht zur Kenntnis, dass weder die EU noch Chefunterhändler Michel Barnier das mühsam ausgehandelte Scheidungsabkommen, inklusive des irischen „Backstop“ wieder aufschnüren wollen. Barnier nannte das Austrittsabkommen erneut die „bestmögliche Abmachung“. Er werde nicht mehr daran rütteln.

Zwar hatte Polen kurzfristig eine zeitliche Begrenzung für den sogenannten Backstop auf fünf Jahre ins Gespräch gebracht. Doch auch Irlands Außenminister Simon Coveney erteilte derartigen Überlegungen prompt eine Absage. Ein Backstop mit temporärer Gültigkeit widerspreche den Intentionen der EU. Schließlich soll er als Sicherheitsnetz dienen, falls es nicht gelingen sollte, ein Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU auszuhandeln, um so eine harte Grenze zu vermeiden.

Was nun? Gerüchte vom Wochenende, die May allerdings am Montag scharf dementierte, sind an Absurdität kaum zu überbieten. Sie zeigen aber, wie aufgeheizt die Stimmung ist.

Angeblich soll die Premierministerin allen Ernstes erwogen haben, das Karfreitagsabkommen, das seit 1998 den Frieden auf der irischen Insel gesicherte hatte, zu reformieren und in bilateralen Gesprächen mit Dublin ein neues Abkommen auszuhandeln. Eine Neufassung des damaligen Friedensvertrags könne garantieren, dass eine harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland vermieden werde, hieß es.

Dabei hatte das Friedensabkommen in den letzten 26 Jahren ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs auf der irischen Insel verhindert: Unter dem Dach der EU ließ sich eine Einheit herstellen, ohne die Zugehörigkeit Nordirlands zum Vereinigten Königreich in Frage zu stellen.

„Unsere Partei droht von Mays Europa-Trauma zerrissen zu werden“

Das Karfreitagsabkommen neu zu verhandeln wäre gefährlich – erst vor wenigen Tagen explodierte im nordirischen Londonderry eine Autobombe – und wahrscheinlich unmöglich: Obwohl die Waffen schweigen, sind die Fronten zwischen Nordirlands Parteien noch immer verhärtet.

Davon abgesehen dürfte sich auch die EU nicht auf bilaterale Abmachungen zwischen Dublin und London verlassen, wenn es um die neue Außengrenze der EU geht. Schließlich hatte May in den letzten Tagen ihre roten Linien noch einmal nachgezogen und bestätigt: mit dem Brexit werde Großbritannien den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen.
Nur aus Parteiraison bleibt sie hart und verhindert damit den einzig möglichen Kompromiss, der das Backstop-Dilemma auflösen könnte. Ein zweites Referendum dürfe es nicht geben, weil dies die soziale Kohäsion Großbritanniens gefährden würde und eine Verschiebung des Brexits sei ebenfalls nicht wünschenswert. Eine Fristverlängerung würde gegen den Geist des Referendums verstoßen und eine zweite Volksabstimmung einen ernsten Präzedenzfall im Hinblick auf die Unabhängigkeitsbestrebungen bestimmter britischer Regionen schaffen, sagte sie unter Anspielung auf das schottische Referendum im Jahr 2014.

Das Votum im Unterhaus über den Plan B am 29. Januar werde nicht entscheidend sein, erklärte May am Montag plötzlich. Stattdessen machte sie viele Versprechen im Hinblick auf die nächste Phase der Verhandlungen mit der EU. In ihr will sie sich dann nicht nur vermehrt mit den Oppositionsparteien, sondern auch mit Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften beraten. Doch diese Versprechen sind wenig verbindlich.

„Unsere Partei droht von ihrem Europa-Trauma zerrissen zu werden“, warnte der Tory-Hinterbänkler Stephen Crabb, der zum gemäßigten Flügel der Tories zählt. Er sei inzwischen deutlich pessimistischer als noch vor einer Woche, was die Möglichkeit betreffe, dass May doch noch ein Abkommen durchs Parlament bekomme.

Der Erz-Brexitier Jacob Rees Mogg, der einen No-Deal-Brexit propagiert, bei dem ab April im Handel mit der EU die Regeln der Welthandelsorganisation WTO gelten würden, sieht sich inzwischen fast am Ziel. Er halte dieses Szenario nun für sehr wahrscheinlich, sagt er dem Sender LBC auf die Frage, wie er die Chancen eines ungeregelten No-Deal-Brexits einschätze.
Allerdings übersieht er dabei, dass eine Mehrheit im Parlament genau das verhindern will. Die einflussreichen Labour-Hinterbänkler Hilary Benn und Yvette Cooper drohen einen Antrag ins Parlament zu bringen, der eine Verlängerung der Ausstiegsfrist nach Artikel 50 vorsieht, falls bis Ende Februar keine konsensfähige Lösung verabschiedet worden sei. Auch der Tory-Hinterbänkler Dominic Grieve will mit einem eigenen Antrag einen No-Deal-Brexit verhindern.
Bis zum offiziellen Brexit-Termin am 29. März bleiben allerdings nur noch 35 Sitzungstage.

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