Brexit May ebnet Parlament Weg für Verschiebung des EU-Ausstiegs

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„Eine kurzfristige Verlängerung bringt überhaupt nichts“

Die Regierungschefin bemüht sich bisher vergeblich um Nachbesserungen an dem mit Brüssel ausgehandelten Austrittsabkommen. Eine erneute Abstimmung über den im Januar vom Parlament mit überwältigender Mehrheit abgelehnten Deal in dieser Woche hatte May daher ausgeschlossen. Das Vereinigte Königreich will die EU in knapp vier Wochen nach gut 45 Jahren Mitgliedschaft verlassen. Bis Ende 2020 soll es eine Übergangsphase geben, in der dort noch EU-Recht gilt. Die Zeit, die notfalls um zwei Jahre verlängert werden kann, gilt aber nur, wenn London vor dem Austritt den Vertrag mit der EU ratifiziert.

Die deutsche Wirtschaft sieht eine Verschiebung des Brexit kritisch. „Eine kurzfristige Verlängerung bringt überhaupt nichts. Die Unsicherheit bleibt bestehen“, sagt Ulrich Ackermann, Außenwirtschaftsleiter des VDMA dem „Handelsblatt“. Die britische Regierung solle besser eine Verschiebung um mehrere Monate, wenn nicht sogar bis 2020 erwägen. „Nur dann können die Unternehmen auf Entwarnung schalten und darauf hoffen, dass sich die politischen Entscheider neu sortieren.“ Ein kurzzeitiges Verlegen ohne eine Lösungsidee helfe nicht weiter, sagt auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zeigte sich skeptisch gegenüber einer möglichen Verschiebung des Brexits: „Priorität muss die Vermeidung größeren wirtschaftlichen Schadens haben. Sollte London eine Verlängerung beantragen, muss es zu einer echten Lösung der Probleme kommen“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Die Gefahr bestehe, dass die britische Politik Zeit kaufe und die Beantwortung der Sachfragen nur verschiebe. „Dann wären unsere Unternehmen auf dem falschen Fuß erwischt. Auch die Gefahr eines harten Brexits bleibt im Raum.“

Bundesjustizministerin Katarina Barley fordert May auf, den Weg für ein neues Brexit-Referendum freizumachen. Sie habe bereits vor zwei Jahren für einen zweiten Volksentscheid plädiert, sagt die Spitzenkandidatin der SPD für die Europa-Wahl der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“. „Beim ersten konnte noch niemand wissen, was ein Brexit genau bedeutet.“ Immer mehr britische Bürger hätten den „Eindruck, dass ihre Regierung den Prozess nicht im Griff hat“. Alternativ zu einem neuen Brexit-Votum könne May auch einen ganz neuen Brexit-Vorschlag auf den Tisch zu legen.

Großbritannien will trotz der eventuellen Verlängerung der EU-Mitgliedschaft nicht an den Europawahlen im Mai teilnehmen. Die Regierung habe stets die Position vertreten, keine Wahl abzuhalten, sagt ein Sprecher Mays in London. Der EU-Urnengang ist vom 23. bis 26. Mai angesetzt und gilt als eine der große juristischen Hürden für einen längeren Verbleib von Großbritannien in der Staatengemeinschaft. Nach derzeitigem Stand soll das Haus auf gut 700 Abgeordnete verkleinert werden, da die Sitze aus Großbritannien wegfallen.

Berichte über die mögliche Verschiebung des Brexits verliehen dem britischen Pfund weiter Auftrieb und ließen den Kurs im Handel mit dem Euro auf den höchsten Stand seit fast zwei Jahren steigen. Am Dienstag kletterte der Kurs im Vormittagshandel bis auf 1,1621 Euro, so hoch wie seit Mai 2017 nicht mehr.

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