Premierminister Theresa May hat es vergangenen Woche erst betont: Sie will, dass ihr Land mit dem Brexit sowohl die Zollunion als auch den Binnenmarkt verlässt. Aus Brüssel kommt heute zu dieser Haltung eine unmissverständliche Antwort. Wenn Großbritannien eine solch klare Trennung sucht, dann wird sich die künftige Beziehung auf ein Freihandelsabkommen beschränken. „Es wird das erste Freihandelsabkommen sein, dass Verbindungen löst, statt sie zu stärken“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk, der am Mittwoch den Entwurf der Leitlinien zu den künftigen Beziehungen zwischen EU und Großbritannien in die 27 EU-Hauptstädte geschickt hat.
Tusk hat verdeutlicht, dass Großbritannien sich nicht nach Gusto Bereiche herauspicken kann, in denen es sich weiter eine enge Anbindung an die EU wünscht. „Ein Pick-und-Mix-Ansatz kommt nicht in Frage“, unterstrich der Pole. Allerdings schlägt die EU den Briten sehr wohl Bereiche vor, in denen die künftige Beziehung eng bleiben soll – aus eigenem Interesse.
So sollen EU und Großbritannien auch künftig Terrorismus und internationale Kriminalität gemeinsam bekämpfen. Konkret sollen Polizei und Justizbehörden auch in Zukunft eng zusammenarbeiten. Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik strebt die EU eine enge Kooperation an.
Tusk kündigte außerdem an, dass Verhandlungen über ein Luftfahrtsabkommen „so bald wie möglich“ beginnen sollen, damit der Flugverkehr nicht vom Brexit beeinträchtigt wird. Außerdem bietet die EU den Briten an, weiter in bestimmten EU-Programmen im Bereich, Forschung, Bildung und Innovation zu bleiben. May hatte schon angekündigt, dass ihr Land gerne im Austauschprogramm Erasmus verbleiben möchte. Informell hatten die Briten auch zu verstehen geben, dass sie auch künftig gerne von Forschungsprogrammen profitieren würden. Allerdings werden sie für die Teilnahme einen noch nicht definierten Betrag in den EU-Haushalt einzahlen müssen.
Auch wenn die Briten die Verbindung zu Europa kappen wollen, so befürchtet die EU, dass Großbritannien ihr als Standort künftig Konkurrenz machen könnte. Sie will verhindern, dass Großbritannien etwa die Steuern deutlich senkt, Umweltregulierung abschwächt und staatliche Beihilfen auszahlt, um Unternehmen anzusiedeln. Die EU fordert Garantien, dass es genau dazu nicht kommt.
In den Leitlinien erklärt Europa den Briten, dass eine Trennung einen Preis haben wird. „Das Verlassen der Zollunion und des Binnenmarkts wird unausweichlich zu Reibungen führen“, heißt es in dem fünfseitigen Papier. „Dies wird negative Folgen für die Wirtschaft haben“. Premier May hatte in ihrer Rede am Freitag von einem „möglichst reibungslosen“ Handel als Ziel gesprochen. Die Variante, die sie nun aus Brüssel angeboten bekommt, erfüllt ihre Vorstellungen nicht. Mit ihrem Angebot erhöhen die Europäer den Druck auf May umzusteuern. Wenn sich die britische Position verändern sollte, so heißt es ausdrücklich in den Leitlinien, dann „ist die Union bereit, ihr Angebot zu überdenken“.
Mit einem Freihandelsabkommen, wie es die EU nun vorschlägt, kämen auf die britische Wirtschaft erhebliche Probleme zu, selbst wenn die Zölle, wie angeboten bei null Prozent liegen würden. Dienstleistungen, die 80 Prozent der britischen Wirtschaftsleistung ausmachen, könnten künftig nicht mehr automatisch in EU-Länder exportiert werden, sondern müssten sich an die Regeln des Exportlandes halten. Studien gehen davon aus, dass die britische Wirtschaftsleistung schrumpfen wird, wenn Dienstleister nur noch als Drittland einen Zugang zur EU bekommen, wie ihn die EU beispielsweise im Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) vereinbart hat. Die OECD beispielsweise prognostizierte ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt von 5,1 Prozent bis zum Jahr 2030 mit einem Freihandelsabkommen im Stil von Ceta.
„Wir wollen Freunde und Partner bleiben“, sagte EU-Ratspräsident Tusk bei der Vorstellung der Leitlinien. Vielleicht sagte er das, weil er glaubt, dass Freunde harte Wahrheiten manchmal vertragen müssen.
Wie sagen die Briten Goodbye?
EU-Mitgliedschaft: Großbritannien tritt im März 2019 aus, ohne mit der Staatengemeinschaft eine Vereinbarung zu treffen. Sofern sich beide Seiten auf eine Übergangsperiode verständigen, gelten die alten EU-Regeln etwas länger.
Binnenmarkt: Weil die Regeln der WTO Anwendung finden, gibt es anschließend im Handel mit dem Kontinent Ein- und Ausfuhrzölle.
Freizügigkeit: EU-Bürger genießen in Großbritannien keine Freizügigkeit mehr und Briten auch nicht mehr in der EU.
EU-Mitgliedschaft: Die Briten treten zwar aus der Staatengemeinschaft aus, werden aber Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (wie Norwegen). Sie zahlen weiter in den EU-Haushalt ein. Denkbar ist auch ein Freihandelsabkommen, wie es die EU und Kanada abgeschlossen haben.
Binnenmarkt: Großbritannien hat weiterhin vollen Zugang zum Wirtschaftsraum, sodass es keine Zölle gibt.
Freizügigkeit: Die Briten akzeptieren die Freizügigkeit von EU-Bürgern, können die Zuwanderung also nicht kontrollieren.