Brexit-Gesetz durchgewunken Das gefügige britische Unterhaus

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Das Parlament stellt einen Blanko-Scheck aus


Labour und die Scottish National Party (SNP) hatten zwar allerlei Anträge für zusätzliche Klauseln eingereicht, doch letztlich fand sich keine Mehrheit dafür – so ging der Entwurf ohne eine einzige Änderung durch. May hatte dem Parlament eigentlich ohnehin kein Votum einräumen wollen und berief sich dabei auf ihr Recht, das Ergebnis der Volksabstimmung vom letzten Sommer, bei dem 52 Prozent ihrer Landleute für den Brexit gestimmt hatten, einfach umsetzen zu können.

Erst eine Entscheidung des Obersten Gerichts, das von der Geschäftsfrau Gina Miller und nicht von einem Politiker angerufen worden war, zwang sie zur Konsultation mit dem Parlament. Das Unterhaus hat allerdings nun im Hinblick auf seine Rolle als Kontrolleur der Regierung versagt und seine Chance verspielt, durch Änderungsanträge Einfluss auf die Austrittsverhandlungen mit der EU zu nehmen.

Die Regierung hatte ein äußerst knapp formuliertes Gesetz vorgelegt, das nur rund hundert Wörter umfasste und ihr mehr oder weniger einen Blanko-Scheck für ihre Verhandlungen mit den übrigen 27 EU-Partnern ausstellt. In einer Grundsatzrede am 17. Januar und später in einem 75-seitigen Weißbuch hat May in groben Zügen signalisiert, wohin sie steuern will und dabei eine Kompromisslosigkeit erkennen lassen, die klar macht, dass Großbritannien einen sogenannten „harten Brexit“ anstrebt, der nicht nur den Abschied aus der EU sondern auch aus dem Europäische Wirtschaftsraum (EWR) beinhalten wird.

Shopping-Boom und Immobilien-Schock
Brexit-Demonstranten in Großbritannien Quelle: REUTERS
Britische Pfundnoten Quelle: dpa
In Großbritannien beliebt: der Brotaufstrich Marmite. Quelle: dpa
Großbritannien-Fan Quelle: AP
Der britische Finanzminister Philip Hammond und die Premierministerin Theresa May Quelle: REUTERS
British-Airways-Maschine Quelle: AP
Touristen in London Quelle: dpa

Im Zentrum steht dabei, dass Großbritannien den europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen und sich gleichzeitig darum bemühen will, ein Freihandelsabkommen mit der EU zu schließen, das den Import und Export mit der Union möglichst zollfrei und ohne andere Handelsbarrieren ermöglichen soll. Priorität hat dabei allerdings, dass die bisher im Rahmen des EU-Binnenmarktes geltende Freizügigkeit aufgehoben wird und es künftig eine strengere Einwanderungskontrolle für EU-Bürger geben soll.

Da die Freizügigkeit zu einer der vier Säulen des europäischen Binnenmarktes gehört, wird es aus Sicht der übrigen EU-Staaten nicht länger möglich sein, dass Großbritannien künftig im Handel künftig ebenso hohe Privilegien genießt wie bisher. Doch May betont, sie strebe weitgehende Freiheit im Handel mit der EU an. Ob ihr das gelingen wird ist sehr zweifelhaft.

Wo die großen Brexit-Baustellen sind

Im Verlauf der Unterhausdebatte zeigte sich auch, wie schnell sich ein Triumph in einen Pyrrhus-Sieg verwandeln kann: Eben noch hatte der Labour-Abgeordnete Keir Starmer sich als Sieger gefühlt – doch dann kam die Enttäuschung. Brexit-Staatssekretär David Jones nämlich stellte klar, dass May das Parlament am Ende der zweijährigen Austrittsverhandlungen zwar über das künftige Abkommen mit der EU abstimmen lassen will, eine Ablehnung aber keine Nachverhandlungen zur Folge hätte. Die Abgeordneten in London werden nur mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen können. Sollten sie das von May ausgehandelte Paket ablehnen, hätte das zur Folge, dass Großbritannien die EU ohne eine Vereinbarung verlässt und damit nur noch die recht ungünstigen Regeln der Welthandelsorganisation WTO gelten. Keine attraktive Alternative also.

Doch wer wird May aufhalten? In Edinburgh stimmte das schottische Regionalparlament zwar gegen das EU-Austrittsgesetz. Doch die Regierung will und kann dieses Votum ignorieren. Zwar zeigen die Umfragen, dass heute mehr Schotten für die Abspaltung vom Vereinigten Königreich stimmen würden als beim Referendum im September 2014. Dennoch würde es nicht für die Unabhängigkeit reichen. Damit aber erweisen sich die Drohungen der schottischen Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon als stumpfes Schwert.

Da Schottland in der EU bleiben möchte, fordert sie Sonderkonditionen und verlangt, dass Großbritannien oder nur Schottland weiter ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt haben sollte. Doch diese Quadratur des Kreises ist unrealistisch.

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