Brexit Wie Briten in Deutschland ihre Lebensplanung wegbricht

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Großbritannien ein wichtiger Markt

Für Unternehmer macht der Brexit den Alltag ebenfalls komplizierter. Das gilt auch für Cartwrights Arbeitgeber InnoGames. Mit 32,4 Millionen Spielern ist Großbritannien nach China, den USA, Japan und Deutschland der fünftgrößte Spielemarkt weltweit. 1,5 Milliarden Pfund werden dort jährlich umgesetzt. Für InnoGames zählt Großbritannien zu den wichtigsten Märkten.

Im Falle eines harten Brexit bestünde die Möglichkeit, dass Großbritannien aus dem SEPA-Raum ausschiede. Dann würde es für InnoGames deutlich schwieriger, in Großbritannien Geschäfte zu machen. „Unsere Zahlungsabwickler planen auch für ein solches Szenario und haben Alternativen parat“, sagt Cartwright. „Darauf müssen wir uns aber verlassen, vollständige Planungssicherheit fehlt.“ 

Großbritannien verfügt zudem über die größte Gamingindustrie Europas mit mehr als 12.000 Mitarbeitern in mehr als 2000 Unternehmen – und ist damit auch ein wichtiger Talentpool insbesondere für EU-Länder.

Künftig dürfte es aber schwerer werden, Talente aus Großbritannien nach Deutschland zu lotsen. Das trifft insbesondere kleinere Spieleentwickler. Größere wie InnoGames haben Kapazitäten, um Visa für ihre Mitarbeiter aus der ganzen Welt zu organisieren und ihnen Sprachkurse anzubieten. Über einen solchen Sprachkurs hat Cartwright das Sprachniveau B2 erreicht, eine wichtige Voraussetzung zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft. „Für britische Gamingfirmen wird es ebenfalls schwieriger, Talente aus dem EU-Ausland auf die Insel zu lotsen. Das wird sich an der Qualität der Produkte bemerkbar machen, die in Großbritannien produziert werden,“ glaubt Cartwright. 

Wie die Konsequenzen aber nun im Detail aussehen werden, darüber lässt sich nur mutmaßen. „Es steht dieser Begriff im Raum: Brexit. Aber was das nun bedeutet, weiß kein Mensch“, sagt Cartwright. Theresa May sagte einmal: „Brexit means Brexit.“

von Yvonne Esterházy

Dass am Ende der langen Brexit-Verhandlungen ein geordneter Austritt Großbritanniens steht, daran glaubt der 32-Jährige nicht: „Das Parlament ist unfähig, einem Deal zuzustimmen. Für diejenigen, die den Brexit fordern, erfüllt der Deal die Erwartungen nicht. Wer für einen Verbleib ist, stimmt ohnehin nicht für einen Deal.“

So hofft Cartwright auf ein zweites Referendum, auch wenn die britische Regierung das bisher kategorisch ausschloss. „Wir Briten sollten darin vor die Wahl gestellt werden: Auf Basis des Deals aus der EU auszuscheiden, ohne Deal aus der EU auszuscheiden oder in der EU zu verbleiben.“

Sollte es dazu kommen, weiß Cartwright bereits, was er tun wird. Er plant ein dreimonatiges Sabbatical einzulegen, das sein Arbeitgeber ihm nach fünf Jahren zugesteht. „Dann will ich nach Großbritannien fahren und dort eine Kampagne gegen diese historische Fehlentscheidung starten“, sagt Cartwright. „Ich habe 2016 für den Verbleib gestimmt, ohne mir der Konsequenzen eines Austritts bewusst zu sein. Jetzt bin ich mehr vertraut damit, was für eine wichtige Rolle die EU für Großbritannien spielt.“ Ihm bleibt zu hoffen, dass das auch für seine britischen Mitbürger gilt.

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