Brexit Wie "Britain First" der Wirtschaft schadet

Seite 2/2

Inhumane Regelungen bei der Einwanderung

Vor diesem Hintergrund erscheinen die harschen Pläne für neue Hürden bei der Zuwanderung aus dem restlichen Europa schon fast obsolet. In dem Papier heißt es etwa, Geringqualifizierte müssten künftig eine Aufenthaltserlaubnis vorweisen, wenn sie nach Großbritannien einwandern möchten. Sie soll für maximal zwei Jahre gültig sein. Arbeitnehmer mit hohen Qualifikationen dürfen den Angaben zufolge bis zu fünf Jahre bleiben, sofern sie eine entsprechende Genehmigung bekommen.

Fünf Fakten zu den Brexit-Verhandlungen
Nach dem Votum einer knappen Mehrheit britischer Wähler für den EU-Austritt am 23. Juni 2016 schickte Premierministerin Theresa May am 29. März offiziell die Scheidungspapiere nach Brüssel Quelle: dpa
Als Emissär der nur noch geduldeten Minderheitsregierung May verhandelt Brexit-Minister David Davis mit dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Quelle: dpa
Die EU hat drei Fragen zu Topthemen erklärt, die bei den Brexit-Verhandlungen bis Herbst weitgehend abgeräumt werden sollen. Quelle: AP
Alle EU-Bürger im Vereinigten Königreich sollen die Chance bekommen, sich um einen „gesicherten Status“ zu bewerben und zu bleiben. Doch der EU geht das nicht weit genug. Quelle: Reuters
EU-Chefunterhändler Michel Barnier: „Es ist unerlässlich, dass das Vereinigte Königreich die Existenz finanzieller Verpflichtungen anerkennt.“ Quelle: REUTERS
Die EU-Seite scheint bei den Brexit-Verhandlungen gefasst auf Stolpersteine und Theaterdonner. Quelle: AP

Doch selbst wer eine Arbeitserlaubnis erhält, darf seinen Ehepartner nur dann mitbringen, wenn sein oder ihr Jahresgehalt mindestens 18.600 britische Pfund (über 20.000 Euro) beträgt. Eine solche Regelung gilt in Großbritannien bereits für Ausländer aus der restlichen Welt. Sie ist inhuman. Sogar Touristen, die angesichts des billigen Pfundkurses derzeit in Massen nach Großbritannien strömen, sollen künftig nur noch mit Reisepass statt mit Personalausweis anreisen dürfen.

Doch wie steht bei all dem die Labour-Partei? Sie hatte kürzlich zwar propagiert, dass Großbritannien auch nach dem offiziellen EU-Ausstritt im April 2019 noch eine längere Weile in der Zollunion und im Binnenmarkt bleibt. Doch auch bei der Arbeiterpartei ist das Thema Immigration, das beim EU-Referendum letzten Sommer eine so große Rolle spielte, sehr umstritten. Zunächst wird Labour diesen Herbst gegen das Große Aufhebungsgesetz (Great Repeal Bill) stimmen, mit dem rund 20.000 EU-Bestimmungen in britisches Recht überführt werden und später in Teilen abgeschafft werden sollen.

Die Opposition sieht die Arbeitnehmerrechte sowie den Verbraucher- und Umweltschutz in Gefahr. Der Grund: Die Regierung würde durch das Gesetz Vollmachten erhalten, ohne Zustimmung des Parlaments einzelne Vorschriften zu ändern. Die große Frage ist nun, ob einige Pro-Europäer aus der Konservativen Partei, die einen „harten“ Brexit verhindern wollen, gemeinsam mit Labour versuchen werden, das Große Aufhebungsgesetz zu kippen oder abzuändern.

Die geschwächte Premierministerin Theresa May, die nur mit Duldung von zehn nordirischen Abgeordneten regieren kann, muss um ihre Mehrheit und ihr Amt bangen. Den ganzen Sommer brodelten die Gerüchte über einen Putsch aus ihrer eigenen Partei. Am nächsten Montag wird über das Aufhebungsgesetz abgestimmt, übersteht May das, hat sie noch eine weitere Galgenfrist. Am 21. September wollte die Regierungschefin kurz vor dem Tory-Parteitag eine Grundsatzrede zum Brexit halten. Deutet dies auf eine neue Kompromissbereitschaft hin, wie sie von der Wirtschaft und von Finanzminister Philip Hammond gefordert wird?

London möchte sofort über die künftigen Beziehungen mit der EU nach dem Brexit verhandeln, vor allem über ein Handelsabkommen, doch die EU pocht weiter auf eine Lösung für die noch offene Endabrechnung. Im Hintergrund läuft der Countdown bis zum endgültigen Ausstieg im April 2019 und schon jetzt leidet die Konjunktur auf der Insel: Mit 0,3 Prozent wuchs die britische Wirtschaft im zweiten Quartal nur halb so stark wie die Euro-Zone. Die Unternehmen investieren nicht und die Dienstleistungsbranche, die 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht verliert an Schwung. Keine gute Zeit also, um die Wirtschaft noch zusätzlich durch harsche Einwanderungsbestimmungen zu knebeln.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%