Nach dem britischen EU-Referendum wird an diesem Freitag klar sein, ob die Briten dafür gestimmt haben, dass ihr Land die Europäische Union verlassen oder in der Gemeinschaft bleiben soll. Die Wahllokale sollten am Donnerstag bis 23.00 Uhr (MESZ) geöffnet sein. Unmittelbar danach sollte die Auszählung der Stimmen in den 382 Wahlbezirken beginnen.
Prognosen und Hochrechnungen sollte es nicht geben. Experten begründen dies mit dem Fehlen entsprechender Vergleichsdaten. Allerdings kündigte das Meinungsforschungsinstitut Yougov eine Nachwahlbefragung an, die um 23.00 Uhr (MESZ) veröffentlicht werden sollte. Sie sollte sich jedoch nur auf eine vergleichsweise kleine Stichprobe stützen - qualitativ also nicht mit einer echten Prognose vergleichbar sein.
Erste Auszählungsergebnisse wurden in den frühen Morgenstunden des Freitags erwartet. Die britische Nachrichtenagentur PA ging davon aus, dass bis 6.00 Uhr (MESZ) ein belastbares Ergebnis vorliegen könnte. Der Sender BBC rechnete damit, dass - je nachdem, wie eng das Rennen tatsächlich sein würde - zwischen 5.00 und 8.00 Uhr (MESZ) Klarheit über den Ausgang des Referendums herrschen könnte.
Die wichtigsten Infos zum Brexit-Referendum
Brexit ist ein Kunstwort aus Britain und Exit (Austritt). Im Juni 2012 schrieb das britische Magazin "Economist" erstmals von der Möglichkeit eines "Brixit". Danach etablierte sich in der Presse die Version "Brexit". Vorbild dieser Wortschöpfung war der Begriff "Grexit", der sich auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise etablierte. Gemeint war damit aber nur das - mögliche - Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone.
Die Abstimmung wurde den Wählern von Premier David Cameron versprochen - seine Tory-Partei war damit in den Wahlkampf zur Unterhauswahl 2015 gezogen. Cameron, der selbst für die EU-Mitgliedschaft eintritt, wollte parteiinternen EU-Skeptikern damit den Wind aus den Segeln nehmen. Schon seit Jahren gab es parteiintern die Forderung nach einer Befragung des Volkes zum Verbleib in der EU. Die Unzufriedenheit mit der Zuwanderungspolitik der europäischen Partner bestärkte viele Briten in ihrer Ablehnung gegenüber der EU. Der Kampagne war ein Machtkampf mit der Europäischen Union voraus gegangen. Bereits 2011 hatte Cameron seine Zustimmung zum EU-Fiskalpakt verweigert und kurz darauf mit einem Veto zur mittelfristigen Finanzplanung der EU gedroht. In harten Verhandlungen rang Cameron den europäischen Partnern Zugeständnisse ab, etwa beim für den Finanzplatz London so wichtigen Thema der Bankenregulierung.
Befürworter eines Brexit wie der ehemalige Bürgermeister Londons, Boris Johnson, argumentieren, dass die EU für Großbritannien als drittgrößter Nettozahler ein Verlustgeschäft sei. Ein weiteres Argument ist die Kontrolle über die Grenzen. Unionsbürger haben das Recht, sich im Königreich niederzulassen. Derzeit leben und arbeiten dort mehr als zwei Millionen Menschen aus anderen EU-Ländern. Sie belasten angeblich die sozialen Sicherungssysteme - Studien widerlegen dies jedoch. Die in den Augen vieler Briten ausufernde Regulierung durch Brüssel sorgt zudem für Unmut. Brexit-Befürworter halten die EU außerdem für nicht ausreichend demokratisch legitimiert und fordern die Rückbesinnung auf nationale Souveränität.
Die Anhänger des EU-Verbleibs warnen in erster Linie vor wirtschaftlichen Konsequenzen. Einem Gutachten des britischen Finanzministeriums zufolge würde der Brexit jeden Haushalt in Großbritannien 4300 Pfund pro Jahr kosten. Der Grund: Das Land müsste neue Freihandelsabkommen abschließen, Investitionen aus Drittstaaten könnten zurückgehen und Banken könnten nach Kontinentaleuropa abwandern. Die Folge wäre eine Rezession.
Die Wahllokale sind am Donnerstag von 07.00 Uhr morgens bis 22.00 Uhr britischer Zeit geöffnet - also von 08.00 bis 23.00 Uhr deutscher Zeit. Nur in Gibraltar schließen die Wahllokale wegen der Zeitverschiebung eine Stunde früher. Danach beginnt die Auszählung. Nach bisherigem Stand wird es nach Schließung der Wahllokale weder Prognosen noch Hochrechnungen geben. Im Laufe der Nacht werden aber die Ergebnisse aus den einzelnen Wahlbezirken nach und nach bekannt werden. Die meisten Resultate dürften zwischen 03.00 und 05.00 Uhr deutscher Zeit vorliegen. Ein Endergebnis wird am Freitag um die Frühstückszeit erwartet - wenn es nicht wegen Pannen zu Verzögerungen kommt.
Im Laufe der Nacht sollten die Ergebnisse aus den einzelnen Wahlbezirken nach und nach bekannt gegeben werden. Sie sollten von der Wahlkommission an ausgewählte Medien - die britischen Sender BBC, Sky News, ITV und die britische Nachrichtenagentur Press Association (PA)- weitergegeben und von diesen veröffentlicht werden. Ein Endergebnis wurde bis zum Freitagvormittag erwartet.
Rund 46,5 Millionen Wähler hatten sich für die Stimmabgabe registriert. Die Frage auf dem Stimmzettel lautete: „Soll das Vereinigte Königreich ein Mitglied der Europäischen Union bleiben oder die Europäische Union verlassen?“ Angekreuzt werden kann eine der beiden folgenden Antworten: „Ein Mitglied der EU bleiben“ oder „Die Europäische Union verlassen“.