Brexit-Showdown in Brüssel Die Schicksalswoche für Großbritannien

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Nebulöse Vorschläge zum irischen Grenzproblem

Größter Knackpunkt ist jedoch die Grenzfrage. Als fast unlösbar gilt das Ziel, dass es zwischen dem EU-Mitglied Irland im Süden und der britischen Region Nordirland nach dem Brexit keine befestigte Grenze geben darf. „Wir sehen derzeit nicht, wie die Absicht der britischen Regierung, den europäischen Binnenmarkt und die Zollunion zu verlassen, mit dem Ziel vereinbar wäre, dort keine harte Grenze zu haben", sagt Hilary Benn, der Vorsitzende des Brexit-Ausschusses im britischen Unterhaus.

London, Dublin und Brüssel wollen eine harte Grenze verhindern, weil die den Frieden und den wirtschaftlichen Wohlstand auf der irischen Insel gefährden würde. Anderseits pochen Experten der britischen Regierung darauf, dass sich nach dem Brexit an der „wirtschaftlichen und politischen Einheit“ des Vereinigten Königreichs nichts ändern dürfe.

Das aber schließt Lösungen aus, bei denen Nordirland zu einer „Sonderzone“ deklariert würde und damit de facto weiter Mitglied der Zollunion oder des Binnenmarktes bliebe. Denn das würde bedeuten, dass die Außengrenze zwischen der EU und dem Drittland Großbritannien in die irische See verlagert würde - unvereinbar mit der Einheit von England, Schottland, Wales und Nordirland. Außerdem ist Mays Minderheitsregierung auf die Unterstützung der nordirischen DUP angewiesen, die droht, die Regierung zu Fall zu bringen, falls es zu Personen- und Warenkontrollen zwischen Nordirland und dem restlichen Großbritannien kommen sollte.

Ein Sonderstatus für Nordirland könnte zudem die Schotten veranlassen, Ähnliches einzufordern. Das Londoner Brexit-Ministerium hatte im Sommer einige nebulöse Vorschläge zum irischen Grenzproblem vorgelegt, die auf den Einsatz technologischer Lösungen basieren - dabei wird offenbar an elektronische Grenz- und Zollkontrollen gedacht. Irlands Premier Leo Varadkar aber ist von deren Wirksamkeit nicht überzeugt. Er verlangt deshalb schriftliche Garantien, dass eine harte Grenze auf jeden Fall ausgeschlossen wird. Und drohte bereits, er werde andernfalls sein Veto gegen den Übergang zur nächsten Brexit-Verhandlungsphase einlegen.

EU-Ratspräsident Tusk erklärte, Dublin habe das letzte Wort: „Wenn das britische Angebot für Irland inakzeptabel ist, dann ist es auch für die EU inakzeptabel“. Am Sonntag signalisierte Irlands Außenminister Coveney dann allerdings Kompromissbereitschaft. Irland wolle die Fortschritte bei den Brexit-Verhandlungen nicht blockieren und verlange auch keine umfassenden Details zur Lösung des Grenzproblems. „Was wir sehen wollen sind Parameter, innerhalb derer wir zuversichtlich sein können, dass in der nächsten Verhandlungsphase eine Antwort gefunden werden kann.“ Eine pragmatische Haltung, die es ermöglichen dürfte, eine gesichtswahrende Formulierung zu finden. Das grundsätzliche Problem aber bleibt.

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