Brexit Die Rechnung für den Ausstieg aus der EU

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Wie auf dem Basar

Umstritten sind auch die ausstehenden Pensionsforderungen. Manche wollen den Briten davon nur vier Prozent aufbürden, weil dies dem Anteil der Briten an den EU-Pensionären entspricht. Europäische Verhandler argumentieren aber, alle pensionierten EU-Beamten hätten auch für Großbritannien gearbeitet. Klingt kleinlich? Von wegen. Da sich die Pensionsverpflichtungen für die kommenden 30 Jahre auf insgesamt 63,8 Milliarden Euro belaufen, ist die Größe des britischen Anteils alles andere als banal.

Der Brexit-Fahrplan

Noch schwieriger wird die Berechnung der britischen Verbindlichkeiten, wenn Kredite und Garantien berücksichtigt werden, die die EU vergeben hat. Sie alle bergen ein Ausfallrisiko, das in jedem Einzelfall berechnet werden müsste. „Aber wie genau lässt sich beziffern, ob die Ukraine ihren Kredit über 1,2 Milliarden nicht zurückzahlt?“, fragt ein EU-Beamter entnervt.

Als wäre das Zahlenwerk noch nicht kompliziert genug, ist bei der Brüsseler Brexit-Rechnung die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg noch gar nicht berücksichtigt, für die Barnier mitverhandelt. Dieser Posten könnte die britischen Gesamtschulden glatt verdoppeln – was bisher von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde. Großbritannien gehört wie Deutschland, Frankreich und Italien zu den größten Anteilseignern und hält 16,1 Prozent der EIB-Anteile. Das Land könnte beim Brexit also 10,2 Milliarden Euro abziehen. EIB-Chef Werner Hoyer hat die Briten aber bereits darauf hingewiesen, dass es nur logisch wäre, die Briten im selben Maße an den Verbindlichkeiten der Bank zu beteiligen. Bei Gesamtschulden von 469 Milliarden Euro ergibt sich daraus ein britischer Anteil von 75,5 Milliarden Euro. Unter dem Strich würde Großbritannien dann also zudem der EIB noch 65,3 Milliarden Euro schulden.

Teure Rechnung: Forderungen der EU an Großbritannien. Für eine detaillierte Ansicht bitte auf die Grafik klicken.

Großbritannien könnte dies abwenden, indem es auch nach dem Brexit Anteilseigner der EIB bliebe. Interesse daran hätte das Land: Die EIB hat in den vergangenen fünf Jahren Kredite von über 30 Milliarden Euro an Projekte in Großbritannien vergeben, zumeist für Infrastrukturprojekte. Doch auch hier gibt es einen Haken: Großbritannien kann nur Anteilseigner bleiben, wenn alle Mitgliedstaaten einer entsprechenden Änderung der Statuten zustimmen.

Bereits jetzt ist deshalb absehbar, dass es in den kommenden zwei Jahren wie auf dem Basar zugehen wird. EU-Parlamentarierin Gräßle ist etwa überzeugt, das britische Einstiegsgebot werde bei null Euro liegen. Doch beide Seiten werden sich irgendwann irgendwie bewegen müssen. Ein hoher Brüsseler Beamter glaubt: „Am Schluss dürften die Politiker die Mitte austaxieren.“

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