
Sparen, sparen, sparen, so lautet die europäische Devise zur Krisenbekämpfung. Was dabei im Mittelpunkt steht, sollte auf der Hand liegen: Die Krise durch Strukturreformen an der Wurzel packen und so Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, um langfristig den Wohlstand in Europa zu wahren und zu mehren. Alles Quatsch, meint Jürgen Roth in seinem neuen Sachbuch "Der stille Putsch". Vielmehr gehe es einem elitären und neoliberalen Kreis aus Wirtschaft und Politik darum, den Wohlfahrtsstaat zu beerdigen. Die Euro-Krise sei bewusst in Kauf genommen worden, um die Rechte der Arbeiter einzudämmen. Die Euro-Krise als konstruierter Plan einer gierigen wirtschaftlichen Elite? Eine gewagte These, an dessen Richtigkeit der Autor aber von Beginn an keinen Zweifel lässt.
Dabei geht Roth geschickt vor, greift Fragen auf, die viele Bürger in Zeiten der Krise beschäftigen. Wohin verschwinden die Milliardenbeträge der EU, wieso wird „der kleine Mann“ noch mit Lohnkürzungen bestraft, während die Reichen immer reicher werden und welche Macht hat eigentlich noch der Nationalstaat? Um die Fragen zu beantworten und seine These zu stützen, holt Roth weit aus, kritisiert die Köpfe der Europapolitik, wie Mario Draghi und José Manuel Barroso und stellt die gesamte Europapolitik an den Pranger. Politiker, Wirtschaftsakteure und Bürger - in "Der stille Putsch" kommt kaum jemand gut weg. Seine Kritik belegt er mit einer Reihe von Fallbeispielen und Fakten, die aber oft nur einen Teil der Sachverhalte darstellen. Was sich nicht als Beleg eignet, wird kurzerhand unter den Tisch gekehrt. So bleibt der Leser oft ein wenig unbefriedigt zurück, da er mit Fallbeispielen abgespeist wird, für die aber die Belege fehlen.
So korrupt ist Europa
Laut einer Befragung der Wirtschaftsberatung Ernst & Young unter Managern liegt Slowenien bei der Korruption im europäischen Vergleich ganz vorne. 96 Prozent der Befragten gaben an, dass Bestechlichkeit in ihrem Land an der Tagesordnung sei. Damit liegt Slowenien auf dem gleichen Niveau von afrikanischen Ländern wie Kenia und Nigeria.
In der Ukraine erklärten 85 Prozent der gefragten Manager und Finanzvorstände Käuflichkeit in der Wirtschaft für üblich.
Im krisengeschüttelten Griechenland, wo Steuerhinterziehung immer noch gängige Praxis ist, neigen die Manager auch zu Bestechlichkeit. 84 Prozent von ihnen antworteten auf die Frage "Sind Bestechung bzw. korrupte Methoden im Geschäftsleben hierzulande weit verbreitet?" mit Ja.
Spanien, immerhin die viertgrößte Volkswirtschaft im Euro-Raum, liegt laut Ernst & Young im Mittelfeld. Immerhin 65 Prozent der befragten Manager hielten Käuflichkeit in ihrem Land nicht für unüblich.
Das zum Teil von der Mafia beherrschte Italien liegt mit 60 Prozent ebenfalls im Mittelfeld.
Die Bundesrepublik liegt bei der Bestechlichkeit mit 30 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt (39 Prozent).
27 Prozent der französischen Manager gaben an, dass Korruption bei ihnen im Land nicht unüblich sei.
Die skandinavischen Länder schnitten im Vergleich besser ab. Finnland und Schweden liegen bei jeweils zwölf Prozent, Norwegen bei 17.
Gewinner der Studie ist die Schweiz. Hier sind die wenigsten Manager für Geld zu kaufen. Nur zehn Prozent erklärten, dass Korruption bei ihnen im Land eine Rolle spiele.
Ein Beispiel: Roth kritisiert die Hilfspakete mit Auflagen für Griechenland als Erpressung durch die Troika, lässt jedoch außen vor, dass Geldgeber eigentlich ein Recht darauf haben, ihr Geld zurückzubekommen. Die Troika fordert Strukturreformen ein, im Dialog mit den demokratisch gewählten Regierungen in den Krisenstaaten, damit Griechenland, Portugal & Co. ihre Schulden irgendwann begleichen können. Roth hingegen bezichtigt die Auflagen als Erpressung und unfaires Diktat „demokratisch nicht legitimierter Institutionen“. Das ist unkonkret und schlichtweg falsch.
Auch im Kleinen denkt Roth oft zu kurz: So kritisiert er auf der einen Seite, dass die billige Löhne, die in den südlichen Krisenstaaten durchgesetzt werden, die noch nicht betroffenen Länder - auch Deutschland - unter Druck setzen. Dabei verkennt er, dass der Konkurrenzdruck weniger von den billigen Löhnen der Südstaaten ausgeht, als vielmehr durch den stetigen Wettbewerb mit Asien, wo billigere und bessere Produkte produziert werden, als beispielsweise in Griechenland oder Spanien.