
Dadurch würden letztlich die Steuerzahler der anderen Länder belastet und zudem die Unabhängigkeit der Notenbank gefährdet, sagte Weidmann in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Zugleich nahm er die Politik in die Pflicht. „In einer Demokratie sollten über eine so umfassende Vergemeinschaftung von Risiken die Parlamente entscheiden und nicht die Zentralbanken“, sagte der Bundesbank-Chef.
Dem „Spiegel“ zufolge gibt es im Bundesfinanzministerium Überlegungen, die Bedingungen für neue Anleihenkäufe der EZB zu lockern. Demnach müssten Krisenländer wie Spanien oder Italien sich nicht mehr einem Sanierungsprogramm unter dem Euro-Rettungsschirm unterwerfen, sondern nur eine Selbstverpflichtung gegenüber der EU-Kommission abgeben. Für die EZB hätte das den Vorteil, dass sie bei Anleihenkäufen nicht von einem vorherigen Votum der Euro-Finanzminister abhängig wäre.
Kein Weg, um Probleme zu lösen
Die Pläne für Anleihenaufkäufe, wie sie EZB-Chef Mario Draghi in Aussicht gestellt hatte, seien „zu nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“, sagte Weidmann. Die grundlegenden Probleme der Schuldenkrise würden auf diese Weise nicht gelöst. Im Gegenteil wecke ein „Geldsegen der Zentralbanken (...) anhaltende Begehrlichkeiten“, warnte Weidmann. „Wir sollten die Gefahr nicht unterschätzen, dass Notenbank-Finanzierung süchtig machen kann wie eine Droge.“
Der Bundesbank-Chef ging damit offen auf Konfrontationskurs zum EZB-Chef Draghi, der Anfang des Monats ein zweites Anleihen-Aufkaufprogramm in Aussicht gestellt hatte, um den Euro zu retten und überschuldeten Ländern zu helfen. Details werden zur nächsten EZB-Ratssitzung am 6. September erwartet, obwohl zu diesem Zeitpunkt wichtige Rahmenbedingungen für die EZB noch unklar sind. Am 12. September entscheidet auch das Bundesverfassungsgericht, ob eine Beteiligung am permanenten Rettungsschirm ESM mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Zahlen und Fakten zur Geldschwemme
...hat die EZB verteilt. Auch 460 deutsche Banken haben zugegriffen. Den meisten fehlte kein Geld, aber es war günstig, und es gab so viel, wie jede wollte. Jetzt legen sie es zu drei Prozent an, überweisen ein Prozent an die EZB und genießen den Gewinn.
...der Gelder, die Kunden eingezahlt haben, investieren Londoner Hedgefonds in Aktien. Im Dezember waren es erst 80 Prozent. Sie können mehr als 100 Prozent einsetzen, weil sie von Banken wieder Kredit bekommen.
...will der Versicherer Allianz neu in Immobilien und Ökoenergie stecken. Bei Versicherern werden Gelder frei, weil Banken eigene Anleihen zurückkaufen. Das freie Geld wandert jetzt in neue Anlageformen.
Weidmann hatte schon zuvor schon keinen Hehl aus seiner Ablehnung früherer Anleihenkäufe durch die EZB im vorigen Jahr gemacht. Dem „Spiegel“ zufolge wird auch über die Ausgestaltung des Programms innerhalb der EZB heftig gestritten. So plädierten einige nordeuropäische Länder dafür, dass die EZB nur eingreife, wenn die Zinsen für Staatsanleihen der betroffenen Staaten „explodierten“. Vor allem die südeuropäischen Länder wie Spanien und Italien drängten die EZB dagegen, ohne jede Beschränkung an den Sekundärmärkten Anleihen aufzukaufen.