
Endlich hatte er wieder einmal etwas zu prahlen. Die Wirtschaft in Großbritannien sei 2014 um 2,6 Prozent gewachsen, stehe damit besser da als die meisten großen Volkswirtschaften und werde 2015 um 2,5 Prozent zulegen, kündigte Schatzkanzler (Finanzminister) George Osborne bei der Vorstellung seines 6. Etatentwurfs im Parlament an. "Großbritannien kann sich der Welt nun wieder hoch erhobenen Hauptes präsentieren und in 15 Jahren haben wir sogar die Chance, Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas abzulösen", freute er sich, "der Optimismus kehrt nach Großbritannien zurück".
Im kommenden Haushaltsjahr werde das Vereinigte Königreich mit 90,2 Milliarden Pfund (knapp 125 Milliarden Euro) gut eine Milliarde Pfund weniger Schulden machen als bisher angenommen. Die Bilanz wird allerdings dadurch getrübt, dass Osborne sein Versprechen, das Haushaltsdefizit bis 2015 abzubauen, nicht gehalten hat.





Mit fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist es zwar deutlich niedriger als bei seinem Amtsantritt vor fünf Jahren, aber alles in allem immer noch recht hoch. Immerhin: Nachdem Großbritannien nach der Finanzkrise länger als andere Nationen brauchte, um die Rezession zu überwinden und dies auch nur mit Hilfe einer extrem lockeren Geldpolitik und dem Anwerfen der Gelddruckmaschine schaffte, geht es jetzt kräftiger aufwärts als im Euroland. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch der für dieses Jahr prognostizierte Rückgang der Arbeitslosenrate auf 5,3 Prozent.
Konservative haben ihr Ziel verfehlt
Entscheidend ist allerdings die Frage, ob Osbornes populistischer Etat-Entwurf jemals umgesetzt wird. Denn am 7. Mai wird im Vereinigten Königreich erstmals seit fünf Jahren wieder gewählt: Tory-Premier David Cameron, der derzeit nur mit Hilfe der Liberaldemokraten regieren kann, tritt gegen Labour-Chef Ed Miliband an und hofft diesmal auf eine absolute Mehrheit. Die Tories setzen dabei vor allem auf ihren Ruf als kompetente Wirtschaftspartei; Labour hofft dagegen, wegen der Verschlechterung des Lebensstandards vieler Engländer diesmal den Sieg davontragen zu können.
Das Thema Immigration, das die UK Independence Party so erfolgreich antreibt, ist für beide Großparteien schwierig: Denn die Konservativen haben ihr Ziel, die Netto-Gesamtzahl der Einwanderer auf 100.000 pro Jahr zu begrenzen, drastisch verfehlt. Labour wiederum war 2004 zu Zeiten der EU-Osterweiterung an der Macht und beschloss damals ebenso wie Irland und Schweden die Freizügigkeit für Bürger aus den neuen EU-Ländern nicht einzuschränken. Deshalb wird Labour heute von vielen die Schuld für den rasanten Anstieg der Ausländer im Lande gegeben. Ein klarer Sieg der Tories würde auf jeden Fall spätestens im Jahr 2017 zu einem Referendum über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens führen.
Großbritannien
2013: 1,4 Prozent
2014: 2,6 Prozent
2013: 2,6 Prozent
2014: 2,3 Prozent
2013: 7,7 Prozent
2014: 7,3 Prozent
IHS Global Insight
Doch so weit ist es noch nicht. Seit Jahren war der Ausgang einer britische Wahl nicht so ungewiss. Die starke Fragmentierung der politischen Landschaft Großbritanniens macht eine Vorhersage des Wahlausganges derzeit unmöglich. Die Meinungsumfragen deuten auf ein Patt, das erneut zu einer Koalition oder gar zu einer Minderheitsregierung führen könnte, bei der kleine Splitterparteien wie die euroskeptische UKIP, die schottische Nationalisten (SNP) oder die nordirischen Democratic Unionists (DUP) zum Zünglein an der Waage werden dürften. Die Liberaldemokraten, die seit Mai 2010 mit den Konservativen in der Regierung sind, müssen damit rechnen, abgestraft zu werden und an Einfluss verlieren.