
Einer der beiden mutmaßlichen Attentäter auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ hat nach US-Medienberichten ein Ausbildungslager der Terrorgruppe Al-Kaida durchlaufen. Said Kouachi - der ältere der beiden verdächtigen Brüder - sei 2011 einige Monate bei einem Al-Kaida-Ableger im Jemen im bewaffneten Kampf ausgebildet worden, berichteten der Fernsehsender CNN und die „New York Times“.
Die französischen Sicherheitsbehörden konzentrierten die Suche nach dem Duo zuletzt auf eine ländliche Gegend etwa 80 Kilometer nordöstlich von Paris. Doch auch fast 48 Stunden nach dem Anschlag mit zwölf Toten blieben die Brüder unauffindbar.
Dass der 34-jährige Said eine Terrorausbildung absolviert habe, sei auch auf den Videos der Attacke zu erkennen, schrieb die „New York Times“ unter Berufung auf einen hochrangigen US-Regierungsvertreter. In der Zeitung und bei CNN hieß es weiter, auch die USA hätten Said und seinen Bruder Chérif (32) im Visier gehabt. Die beiden Franzosen standen demnach auf einer No-Fly-Liste, was ihnen Flüge in die USA verwehrte. US-Geheimdienste versuchten derzeit herauszufinden, ob der Al-Kaida-Ableger im Jemen den Anschlag in Paris befohlen hat. Bisher gebe es aber keine Hinweise darauf.
Die wichtigsten Fakten zu "Charlie Hebdo"
Die französische Satire-Zeitung im Zentrum des Terroranschlags von Paris arbeitet mit Provokationen: „Charlie Hebdo“ macht sich über Päpste und Präsidenten lustig - und auch über den Propheten Mohammed. Die Wochenzeitung, die am Mittwoch einem Angriff mit mindestens zwölf Toten zum Opfer fiel, rief mit Karikaturen des hoch verehrten Propheten in der islamischen Welt immer wieder Empörung hervor.
Im November 2011 waren die Büros der Zeitung Ziel eines Brandbombenangriffs, nachdem sie eine Ausgabe publiziert hatte, in der Mohammed „eingeladen“ wurde, ihr Gastredakteur zu werden. Auf der Titelseite: eine Karikatur des Propheten.
Ein Jahr später veröffentlichte die Zeitung inmitten der Aufregung über einen islamfeindlichen Film weitere Mohammed-Zeichnungen. Die Karikaturen stellten Mohammed nackt und in erniedrigenden oder pornografischen Posen dar. Während die Emotionen hochkochten, nahm die französische Regierung die Redefreiheit in Schutz. Gleichzeitig warf sie „Charlie Hebdo“ vor, Spannungen zu schüren.
Die Zeitung mit niedriger Auflage tendiert politisch betrachtet zum linken Spektrum. Sie ist stolz, mit Karikaturen und parodierenden Berichten Kommentare zum Weltgeschehen abzugeben. „Wir gehen mit den Nachrichten wie Journalisten um“, sagte ein Karikaturist mit Namen Luz 2012 der Nachrichtenagentur AP. „Einige nutzen Kameras, einige nutzen Computer. Für uns ist es ein Papier und Bleistift“, sagte er. „Ein Bleistift ist keine Waffe. Er ist einfach ein Äußerungsmittel“, meinte er.
Chefredakteur Stéphane Charbonnier, der bei dem Anschlag am Mittwoch getötet wurde, hatte die Mohammed-Karikaturen ebenfalls verteidigt. „Mohammed ist mir nicht heilig“, sagte er 2012. „Ich mache Muslimen keine Vorwürfe dafür, dass sie nicht über unsere Zeichnungen lachen. Ich lebe unter französischem Gesetz“, ergänzte er. „Ich lebe nicht unter Koran-Gesetz.“
Eine von Charbonniers letzten Karikaturen, die in der dieswöchigen Ausgabe von „Charlie Hebdo“ veröffentlicht wurde, scheint in Anbetracht der Ereignisse wie eine unheimliche Vorahnung. „Noch immer keine Anschläge in Frankreich“, sagte ein Extremisten-Kämpfer darin. „Warte - wir haben bis Ende Januar, um unsere Neujahrswünsche vorzubringen.“
Bei der Suche nach den Brüdern kam die französische Polizei in der Nacht nicht voran. Einen Einsatz in einem Waldstück brachen die Sicherheitskräfte am späten Donnerstagabend ab. Wie mehrere französische Medien berichteten, blieben einige Polizeieinheiten aber in der Region. Sie kontrollierten weiter Straßen und Häuser. Auch Hubschrauber waren im Einsatz.
Die Regierung hatte landesweit 88.000 Einsatzkräfte mobilisiert, um die mit Kalaschnikow und Panzerfaust bewaffneten Attentäter zu fassen und weitere Terrorakte zu verhindern. Für Freitagmorgen (8.30 Uhr) berief Präsident François Hollande sein Krisenkabinett erneut zu einer Sondersitzung ein.
Offenbar weitere Anschläge geplant
Nach dem Fund von Molotow-Cocktails und einer Islamistenflagge in einem Fluchtauto in Paris gehen die französischen Ermittler davon aus, dass das Duo weitere Anschläge geplant hatte. Die Polizei nahm neun Personen aus dem Umfeld der Terroristen in Gewahrsam, wie Innenminister Bernard Cazeneuve bekanntgab.





Der Chef des britischen Inlandsgeheimdiensts MI5 warnte derweil vor anhaltender Terrorgefahr. Die Ereignisse in Paris seien „eine schreckliche Mahnung“, dass einige Personen „uns Schaden zufügen“ wollen, sagte Andrew Parker in einer seltenen Ansprache am Londoner MI5-Hauptquartier. Insbesondere durch die Entwicklungen in Syrien sei die Bedrohungslage komplexer geworden.
Dazu verwies Parker auf die zunehmende Zahl von Briten, die sich in dem Bürgerkriegsland Extremistengruppen anschlössen. Gut 600 Personen seien bereits ausgereist und stellten im Falle ihrer Rückkehr eine Bedrohung dar. Ein „erheblicher Anteil“ habe sich der Terrormiliz Islamischer Staat angeschlossen, sagte Parker. Die Extremistengruppe bedrohe Großbritannien auf dreierlei Weise: Sie ermordete Briten in Syrien, nutze das Land als Basis, um Rekruten als mögliche Attentäter nach Großbritannien zu schicken und versuche mithilfe von Propaganda Bürger im Vereinigten Königreich zu Attacken zu verleiten.
Am Sonntag wollen sich führende Politiker der EU und USA zu Anti-Terror-Gesprächen in Paris treffen, darunter Bundesinnenminister Thomas de Maizière und US-Justizminister Eric Holder.
Die Brüder sollen den Ermittlungen zufolge am Mittwoch schwarz vermummt die Redaktion mitten in der Hauptstadt gestürmt und mit Maschinenpistolen um sich geschossen haben. Dabei sagten sie angeblich, sie seien von Al-Kaida. Manche Augenzeugen erklärten, die Männer hätten gerufen, sie seien von Al-Kaida im Jemen. „Charlie Hebdo“ war mehrfach wegen Mohammed-Karikaturen angefeindet worden.
Von den Brüdern fehlt jede Spur
Die Polizei soll nach Medienberichten in Nordfrankreich das Fluchtauto der mutmaßlichen Attentäter gefunden haben. Laut „Le Monde“ bestätigte die Polizei dies jedoch nicht. Nach Informationen der Zeitung hatten am Morgen gegen 9.30 Uhr zwei Männer eine Tankstelle bei Villers-Cotterêt überfallen. Es sollen nach Darstellung des Besitzers die Attentäter gewesen sein. Seitdem gebe es aber keinen Hinweis darauf, wo sich die Brüder Kouachi befinden.
In ganz Frankreich gab es am Donnerstag - einem Tag der nationalen Trauer - eine Schweigeminute für die Opfer. Tausende gingen erneut auf die Straßen. Am Abend wurde das Licht am Eiffelturm ausgeschaltet. Der UN-Sicherheitsrat gedachte der Opfer des Anschlags mit einer Schweigeminute.
US-Präsident Barack Obama trug sich in der französischen Botschaft in Washington in ein Kondolenzbuch ein. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel rief einem „Bild“-Bericht zufolge Parteien und Verbände zu einer Großkundgebung in Berlin auf.