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Charlie Hebdo Der Neustart des Satiremagazins

„Charlie Hebdo“ steht vor einem Neuanfang: Sieben Wochen nach dem Terroranschlag auf die Redaktion soll eine neue Ausgabe den Weg zurück in den Alltag markieren. Von Normalität ist noch keine Spur.

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Die Karikaturen für "Charlie Hebdo"
Karikatur von 2006: Ein Rahmen um ein weißes Stück Papier. Überschrift: "Please enjoy this culturally, ethnically, religiously, and politically correct cartoon responsibly. Thank You." Quelle: Twitter
Ein Terrorist schießt auf einen Bleistift, der entzwei bricht. Doch ein Spitzer spitzt den abgebrochenen Stift wieder an. Dieser radiert mit seinem Radiergummi den gezeichneten Terroristen weg. Quelle: Twitter
Ein Flugzeug fliegt auf zwei nebeneinander stehende Bleistifte zu. Das Bild erinnert an die Anschläge auf die Zwillingstürme des World Trade Centers im September 2001. Quelle: Twitter
Ein von hinten gezeichneter Terrorist hat einen Zettel auf dem Rücken, auf den ein Bleistift schreibt: "You lost!" ("Du hast verloren!") Quelle: Twitter
Eine Zeichnung der Zeitschrift Charlie Hebdo. Aus der Titelseite der Zeitung erhebt sich eine Hand mit Feder, die dem Betrachter den Mittelfinginger zu zeigen scheint. Quelle: Twitter
Ein Gewehr und ein Stift nebeneinander. Auf dem Gewehr: "Murderous assault on french satirical newspaper". Auf dem Stift: "Free Expression". Bildunterschrift: "But the Pen Will Endure" Quelle: Twitter
Ein Terrorist mit Krummsäbel hat einer Person (T-Shirt: "Charlie Hebdo") den Kopf abgeschlagen. Aus dem Hals streckt sie dem Terroristen noch die Zunge entgegen. Bildunterschrift: "Onsterfelijk" Quelle: Twitter

Wie geht Satire nach einem Blutbad in der eigenen Redaktion? „Kompromisslos“, kündigt Redaktionsmitglied Patrick Pelloux an. Die Überlebenden von „Charlie Hebdo“ haben eine neue Ausgabe des französischen Satiremagazins fertig. An diesem Mittwoch, sieben Wochen nach dem Terroranschlag auf die Redaktion mit zwölf Toten soll wieder ein reguläres Exemplar erscheinen.

„Charlie beginnt seine Arbeit, gegen die Dummheit, gegen die FN“, sagte der als Luz zeichnende Rénald Luzier der Zeitung „Libération“ mit Blick auf die weiter erstarkende rechtsextreme Front National. Von Luz stammt wieder das Titelbild. Die Botschaft ist auch dort zu finden: „Es geht wieder los“. Die Karikatur zeigt eine Meute von Hunden mit Gesichtern von FN-Chefin Marine Le Pen, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, einem bewaffneten Islamisten oder Papst Franziskus, die allesamt einen kleinen Köter hetzen. Die Mischung aus Struppi und Idefix jagt mit einem „Charlie Hebdo“-Exemplar im Maul davon. „Ich wollte beim Zeichnen zurück zur fröhlichen Kritik von „Charlie Hebdo““, interpretierte Luz seine Karikatur im Sender France Info.

Heft eins nach dem Terror kam einem Ausrufezeichen gleich. Sieben Tage nach dem blutigen Anschlag von zwei Islamisten produzierten die Überlebenden eine Ausgabe, die in jeder Hinsicht Geschichte schreiben sollte. Lange Schlangen an Kiosken, tagelang immer wieder ausverkauft, weltweit nachgefragt: knapp acht Millionen mal wurde das Heft mit der inzwischen berühmten Luz-Karikatur eines um die Opfer weinenden Mohammed mit „Je suis Charlie“-Schild gedruckt.

Danach gab es blutige Proteste in Teilen der islamischen Welt, weil der Prophet angeblich nicht gezeichnet werden darf. Noch immer wird die Redaktion von „Charlie Hebdo“ bedroht, mit dem Anschlag von Kopenhagen wurde die Gefahr erneut augenscheinlich. „Das war wie ein Schlag ins Gesicht“, beschrieb Luz die Wirkung.

Die wichtigsten Fakten zu "Charlie Hebdo"

Die Terroristen von Paris haben das ihnen verhasste Blatt vom finanziellen Sorgenkind zum Krösus werden lassen: Die Solidaritätswelle nach der Anschlagserie mit insgesamt 17 Toten hat „Charlie Hebdo“ über Verkäufe, Abos und Spenden rund 30 Millionen Euro in die Kasse gespült. Die Zahl der Abonnenten stieg auf mehr als 200.000. Zeitweilig konnten Abo-Anfragen nicht mehr bearbeitet werden. Von der früheren Auflage von 60 000 wurden gerade mal rund 30.000 Exemplare verkauft. Das neuen Heft wird zunächst 2,5 Millionen Mal gedruckt.

Mitarbeiter Pelloux twitterte zum Redaktionsschluss der neuen Ausgabe, das Heft sei „in sehr guter Atmosphäre“ entstanden: „Das wird eine exzellente und kompromisslose Nummer.“ Zuvor hatte Pelloux im Sender France 5 trotz aller Trauer den Aufbruch beschrieben: „Das Journal muss wie jedes andere auch weitermachen, weil das Leben weitergeht, die Ereignisse weitergehen.“ Die Redaktion könne sich nicht zum Heulen in die Ecke zurückziehen: „Das ist ein satirisches Journal, das witzig ist, wir müssen lachen über alltägliche Dinge.“

Die Wege um die alte Redaktion gleichen noch immer einem Meer aus Kerzen, Schildern, Blumen. Es gibt viele Stifte, Symbol eines konsequenten und friedlichen Widerstands gegen Mörderbanden. Bis heute kommen Menschen für einen Moment des Gedenkens in die kleine Straße im elften Arrondissement von Paris. Das jüngste Heft wurde wieder in den Räumen der „Libération“ produziert. Eine neue Bleibe gibt es derzeit nicht. Die Redaktion sucht noch ihren Platz für die Zukunft.

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