WirtschaftsWoche Online: Frau Buch, wie gefährlich ist die wieder aufflammende Krise in Griechenland für das europäische Finanzsystem?
Frau Claudia Buch: Die Gefahr direkter Ansteckung ist geringer als vor ein paar Jahren, denn die ausländischen Banken haben ihre Kredite an griechische Schuldner stark reduziert. Auch das Finanzsystem ist jetzt krisenfester – nicht zuletzt dank einer besseren Eigenkapitalausstattung und neuer Institutionen wie dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus. Trotzdem: Ausschließen lassen sich Ansteckungseffekte natürlich nie.
Was meinen Sie damit?
Ansteckungseffekte können auch über sinkendes Vertrauen entstehen. Daher ist es jetzt wichtig, Unsicherheiten zu reduzieren und schnell Klarheit über den weiteren Reformkurs in Griechenland zu erlangen.
Die Bundesbank im Überblick
Die Bundesbank ist Teil des Eurosystems und damit mitverantwortlich für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie ist die Zentralbank und damit die "Bank der Banken" - bei ihr müssen Banken Mindestreserven einzahlen, um ihr Bankgeschäft betreiben zu dürfen.
Im Auftrag der EZB werden auch Überweisungen abgewickelt und Bargeld gedruckt und verteilt.
Ein weiteres wichtiges Gebiet ist die Überwachung von Banken und ihren Geschäften sowie die Beobachtung der Großwetterlage der Konjunktur und Finanzmärkte.
Die Zentrale der Bundesbank ist in Frankfurt. Es gibt außerdem neun Hauptverwaltungen und 41 Filialen, 2011 waren es noch 47 Filialen. Ein weiterer Abbau auf 35 Filialen ist beschlossen – dicht gemacht werden noch Bayreuth, Bremen, Dresden, Gießen, Kiel und Lübeck.
Die Außenstellen sind unter anderem für Bargelddienstleistungen zuständig, entsenden aber auch Prüfer in Banken.
10.825 Mitarbeiter (9543 Vollzeitstellen), davon 5417 Beamte und 5408 Tarifbeschäftigte
Zu den Währungsreserven der Bundesbank zählen auch Goldbestände. Sie belaufen sich auf 3391 Tonnen und werden von der Bundesbank mit einem Wert von 137,5 Milliarden Euro bilanziert.
Das Gold lagert in Frankfurt (1036 Tonnen), New York (1536 Tonnen), London (445 Tonnen) und Paris (374 Tonnen). Die Goldbestände in Paris sollen nach Deutschland geholt werden.
Der Überschuss der Bundesbank steht dem Finanzministerium zu. 2013 hat die Deutsche Bundesbank einen Überschuss von 4,6 Milliarden. Euro erzielt. Gegenüber dem Vorjahresergebnis ist das ein Anstieg um 3,9 Milliarden Euro.
Die Bundesbank ist die bedeutendste Notenbank im Euro-Raum mit einem Anteil am eingezahlten Kapital der EZB in Höhe von etwas mehr als 27 Prozent. Viele Dienstleistungen wie der Aufkauf von Staatsanleihen oder die Lagerung von Bargeld-Notreserven erfolgen im Auftrag der EZB.
Wenn die akute Geldnot in Griechenland eine Gefahr für das Finanzsystem darstellt, wäre dann nicht ein Schuldenschnitt eine gute Idee?
Griechenland hat bereits Umschuldungen und Erleichterungen im Schuldendienst erhalten. Die Probleme des Landes sind in erster Linie struktureller Natur und erfordern ein klares Bekenntnis zu Reformen. Die Debatte über einen Schuldenschnitt sorgt hingegen für zusätzliche Unsicherheit. Daher halte ich sie nicht für hilfreich.
Wird die Europäische Zentralbank (EZB) den griechischen Banken mit Notkrediten zu Hilfe eilen?
Der EZB-Rat hat in seiner letzten Sitzung entschieden, dass Ausnahmen für griechische Staatsanleihen ab dem 11. Februar aufgehoben werden. Damit können diese Anleihen nicht mehr als Sicherheit für reguläre geldpolitische Geschäfte verwendet werden. Griechische Banken behalten aber Zugang zu Notenbankliquidität; ihr geschäftspolitischer Status bleibt unverändert. Sollten den Banken keine ausreichenden regulären Sicherheiten zur Verfügung stehen, kann ein zusätzlicher Liquiditätsbedarf über Notfall-Liquiditätshilfen der griechischen Notenbank gedeckt werden. Hierfür gibt es aber klare Regeln.
Was tut die Bundesbank als Wächterin über die Finanzstabilität in Deutschland gegen diese Krise?
Wir beobachten die Lage im Finanzsektor sehr aufmerksam. Auch durch die Bankenunion und den gemeinsamen Aufsichtsmechanismus können Risiken besser erkannt werden. Sollten Banken in Schieflage geraten, haben wir heute erweiterte Möglichkeiten, sie zu restrukturieren oder, wenn nötig, abzuwickeln.
Der europäische Bankenfriedhof SRM geht aber erst im Januar 2016 in Betrieb. Was passiert, wenn es vorher zu Pleiten und Schieflagen kommt?
Die Idee hinter dem Abwicklungsmechanismus ist, den Privatsektor stärker als bisher an Verlusten im Bankensektor zu beteiligen. In der Vergangenheit sprang häufig der Steuerzahler ein, weil man die Insolvenz einer Bank nicht riskieren wollte oder konnte. Das soll sich künftig ändern. Treten Verluste auf, gilt eine klare Haftungskaskade, bei der zunächst Eigentümer und Gläubiger herangezogen werden. Viele der Regelungen sind jetzt schon in Kraft, der Praxistest steht freilich noch aus. Es wird wichtig sein, den Privatsektor möglichst umfangreich zu beteiligen.
Derweil sorgt die ultralockere Geldpolitik der EZB für stärkeren Risikoappetit bei Banken und Investoren, weil sichere Anlagen kaum noch Gewinn abwerfen.
Die niedrigen Zinsen spiegeln die expansive Geldpolitik, aber auch die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Europa wider. In einem solchen Umfeld entstehen Anreize, die Risiken aus dem Blick zu verlieren. Wenn Verluste auftreten, sollten die Investoren genügend Eigenkapital haben, um diese Verluste aus eigener Kraft tragen zu können.
Führen die umstrittenen Anleihekäufe der EZB zu einer Eskalation riskanten Verhaltens bei Banken und Investoren?
Das Programm startet erst, wir kennen die Wirkungen also noch nicht. Allerdings wissen wir aus der Vergangenheit, dass eine expansive Geldpolitik und Zinsen, die über einen langen Zeitraum hinweg sehr niedrig sind, zu risikoreicheren Anlagen führen können. Und in gewisser Weise soll genau das mit dem Kauf von Staatsanleihen auch erreicht werden: Banken und andere Investoren sollen dazu bewegt werden, in riskantere Anlagen wie Unternehmenskredite, -anleihen oder Aktien zu investieren. So soll die Finanzierung der Realwirtschaft erleichtert werden.
Immobilienpreise im Blick
Vergeben Banken angesichts des auch von der Geldpolitik ausgelösten Immobilienbooms zu viele Baukredite?
Unsere Daten zeigen keinen besonders starken Anstieg bei der Vergabe von Immobilienkrediten. Wir haben kaum Hinweise, dass sich die Standards der Kreditvergabe lockern. Strukturell könnten aber einige Banken in Probleme geraten, wenn es zu einem Rückgang der Immobilienpreise käme. Das haben wir sehr genau im Blick. Aktuell arbeiten wir zudem daran, unsere Datenbasis noch weiter zu verbessern. Das im Aufbau befindliche europäische Kreditregister wird uns künftig helfen, bessere und umfassendere Informationen zu Immobilienkrediten zu erhalten.
Und wie steht es um die Kreditvergabe in Deutschland insgesamt?
Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Unternehmen in ihrer Finanzierung beschränkt sind. Das Kreditvolumen ist – gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung – deutlich größer als etwa in den Siebzigerjahren. Dieser Befund gilt auch für andere europäische Länder. Dies kann so interpretiert werden, dass der Finanzsektor besser entwickelt ist. Eine hohe Verschuldung kann ein Finanzsystem aber auch anfälliger machen für Schocks. Daher sollte es auch unser Ziel sein, noch bestehende Barrieren für die Entwicklung und Integration der europäischen Märkte für Eigenkapital aus dem Weg zu räumen.
Also ist die deutsche Wirtschaft zu hoch verschuldet?
So pauschal kann man das nicht sagen. In der Summe haben die Unternehmen ihre Verschuldungsquote abgebaut und ihre Eigenkapitalbasis gestärkt. Auch die Banken haben Eigenkapital aufgebaut. Allerdings leiden die deutschen Banken unter einer Ertragsschwäche. Wir müssen Sorge tragen, dass sie gegen negative wirtschaftliche Entwicklungen gewappnet sind.
Banken klagen über zu viele und zu strenge Regeln. Schießt der Ansatz, Investmentbanking vom Kreditgeschäft zu trennen, über das Ziel hinaus?
Wichtig ist es, dass Banken zur Absicherung all ihrer Geschäfte ein ausreichendes Eigenkapital vorhalten. Ich glaube nicht, dass sich „gute“ und „schädliche“ Bankgeschäfte nach einer einfachen Regel trennen lassen.
Wegen strengerer Regeln für Banken wandern viele Geldgeschäfte in den nicht überwachten Teil des Finanzmarkts ab.
Diese Gefahr besteht. Deshalb gibt es umfassende Initiativen, um die Ausweichreaktionen besser zu beobachten und zu dokumentieren. Hier geht es vor allem um sogenannte Schattenbanken, also Finanzinstitute, die ähnliche Geschäfte wie Banken durchführen, nicht aber entsprechend reguliert werden. Prinzipiell sollten diese Institute den gleichen Regeln unterworfen sein wie Banken, sofern sie gleiche Geschäfte betreiben.
Sollten Banken und Versicherungen ihre Staatsanleihen zum Risikovermögen rechnen?
In der Bankenregulierung müssen Forderungen an Staaten nicht oder zumindest nicht im gleichen Maße mit Eigenkapital unterlegt werden wie Forderungen an andere Schuldner. Auch Beschränkungen auf Großkredite gelten nicht analog. Diese Privilegierung von Staatsanleihen in der Regulierung sollten wir mittelfristig abschaffen, denn sie führt letztlich zu verzerrten Anlageentscheidungen. Die Krise hat ja gerade gezeigt, wie schwer es sein kann, Risiken von Banken und Staaten zu trennen.
Könnte die viel diskutierte Finanztransaktionsteuer die Märkte sicherer machen?
Die Finanztransaktionsteuer setzt in meinen Augen nicht bei den eigentlichen Ursachen der Krise an. Ziel muss es sein, Anreize richtig zu setzen und die Eigenkapitalbasis zu stärken. Die Finanztransaktionsteuer könnte aber genau das Gegenteil bewirken, da sie auch auf Transaktionen an den Aktienmärkten angewandt würde.