Claudia Buch "Debatte über Schuldenschnitt ist nicht hilfreich"

Seite 2/2

Immobilienpreise im Blick

Vergeben Banken angesichts des auch von der Geldpolitik ausgelösten Immobilienbooms zu viele Baukredite?
Unsere Daten zeigen keinen besonders starken Anstieg bei der Vergabe von Immobilienkrediten. Wir haben kaum Hinweise, dass sich die Standards der Kreditvergabe lockern. Strukturell könnten aber einige Banken in Probleme geraten, wenn es zu einem Rückgang der Immobilienpreise käme. Das haben wir sehr genau im Blick. Aktuell arbeiten wir zudem daran, unsere Datenbasis noch weiter zu verbessern. Das im Aufbau befindliche europäische Kreditregister wird uns künftig helfen, bessere und umfassendere Informationen zu Immobilienkrediten zu erhalten.

Und wie steht es um die Kreditvergabe in Deutschland insgesamt?
Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Unternehmen in ihrer Finanzierung beschränkt sind. Das Kreditvolumen ist – gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung – deutlich größer als etwa in den Siebzigerjahren. Dieser Befund gilt auch für andere europäische Länder. Dies kann so interpretiert werden, dass der Finanzsektor besser entwickelt ist. Eine hohe Verschuldung kann ein Finanzsystem aber auch anfälliger machen für Schocks. Daher sollte es auch unser Ziel sein, noch bestehende Barrieren für die Entwicklung und Integration der europäischen Märkte für Eigenkapital aus dem Weg zu räumen.

Wo die meisten Schuldner wohnen
BremenIn allen 16 Bundesländern ist die Überschuldung hoch, wie der SchuldnerAtlas 2014 offenlegt. Auch in diesem Jahr hat die creditreform die Überschuldung der Verbraucher in Deutschland analysiert. Das Ergebnis ist erschreckend: In 14 Bundesländern haben sich gegenüber dem Vorjahr sogar noch mehr Verbraucher verschuldet. Zusätzlich sind 90.000 Personen betroffen. Auch 2014 bleibt Bremen das Bundesland mit der höchsten Schuldnerquote und damit Negativ-Spitzenreiter im SchuldnerAtlas 2014. Mit einer Schuldnerquote von 13,95 Prozent bildet Bremen somit das Schlusslicht des Rankings. Quelle: dpa
Luxus-Handtaschen auf einer Vitrine im Kaufhaus des Westens Quelle: dpa/dpaweb
Nordrhein-WestfalenDie Überschuldungssituation der Verbraucher in Deutschland hat sich 2014 sogar spürbar verschlechtert. Auf der Königsallee in Düsseldorf herrscht täglich Andrang. Nicht verwunderlich ist daher, dass in Nordrhein-Westfalen ein Plus von 26.000 Überschuldungsfällen zu verzeichnen ist. Von 2004 bis 2014 ist die Schuldnerquote um 0,79 Punkte angestiegen. Insbesondere im Ruhrgebiet befindet sich ein "Hotspot" sozialer Problemlagen und stellt daher das eigentliche "Sorgenkind" der Überschuldungsentwicklung dar. Nordrhein-Westfalen hat eine Schuldnerquote von 11,46 Prozent und macht Platz 13 aus. Schlechter schneidet Sachsen-Anhalt mit 12,57 Prozent ab. Schleswig-Holstein (11,01%) und das Saarland (11,31%) schaffen es auf Platz elf und zwölf. Quelle: dpa
Menschen laufen mit Einkaufstüten eine Straße entlang. Quelle: dpa
HessenIn Frankfurt befindet sich die umsatzstärkste Einkaufsstraße Deutschlands. Doch nicht jeder sollte hier auf großem Fuß leben. Die Landeshauptstadt von Hessen zeigt die extremste Verschlechterung der Schuldnerquote. In Wiesbaden nahm die Überschuldung im Langzeitvergleich um rund 8.000 Überschuldungsfälle zu. 2014 beträgt hier die Quote 16, 27 Prozent. Hessen rangiert mit 9,96 Prozent insgesamt auf Platz fünf des SchuldnerAtlas 2014. Nur ein wenig höher ist die Schuldnerquote in Rheinland-Pfalz (10,00%). Quelle: dpa
Ein Mann hält ein Mahnschreiben in der Hand Quelle: dpa
ThüringenIn diesem Jahr zeigt Thüringen die größten Rückgange der Schuldnerzahlen unter allen fünf ostdeutschen Ländern und rangiert damit auf Platz drei der Bundesländer im SchuldnerAtlas 2014. Die Schuldnerquote beträgt 9,07 Prozent. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Überschuldung in Ballungsräumen höher ist als in ländlichen Regionen. Soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut korrelieren meist stärker, wenn Städte und Großstädte den Menschen häufiger und intensiver Konsumangebote bieten. Quelle: dpa

Also ist die deutsche Wirtschaft zu hoch verschuldet?
So pauschal kann man das nicht sagen. In der Summe haben die Unternehmen ihre Verschuldungsquote abgebaut und ihre Eigenkapitalbasis gestärkt. Auch die Banken haben Eigenkapital aufgebaut. Allerdings leiden die deutschen Banken unter einer Ertragsschwäche. Wir müssen Sorge tragen, dass sie gegen negative wirtschaftliche Entwicklungen gewappnet sind.

Banken klagen über zu viele und zu strenge Regeln. Schießt der Ansatz, Investmentbanking vom Kreditgeschäft zu trennen, über das Ziel hinaus?
Wichtig ist es, dass Banken zur Absicherung all ihrer Geschäfte ein ausreichendes Eigenkapital vorhalten. Ich glaube nicht, dass sich „gute“ und „schädliche“ Bankgeschäfte nach einer einfachen Regel trennen lassen.

Wegen strengerer Regeln für Banken wandern viele Geldgeschäfte in den nicht überwachten Teil des Finanzmarkts ab.
Diese Gefahr besteht. Deshalb gibt es umfassende Initiativen, um die Ausweichreaktionen besser zu beobachten und zu dokumentieren. Hier geht es vor allem um sogenannte Schattenbanken, also Finanzinstitute, die ähnliche Geschäfte wie Banken durchführen, nicht aber entsprechend reguliert werden. Prinzipiell sollten diese Institute den gleichen Regeln unterworfen sein wie Banken, sofern sie gleiche Geschäfte betreiben.

Sollten Banken und Versicherungen ihre Staatsanleihen zum Risikovermögen rechnen?

In der Bankenregulierung müssen Forderungen an Staaten nicht oder zumindest nicht im gleichen Maße mit Eigenkapital unterlegt werden wie Forderungen an andere Schuldner. Auch Beschränkungen auf Großkredite gelten nicht analog. Diese Privilegierung von Staatsanleihen in der Regulierung sollten wir mittelfristig abschaffen, denn sie führt letztlich zu verzerrten Anlageentscheidungen. Die Krise hat ja gerade gezeigt, wie schwer es sein kann, Risiken von Banken und Staaten zu trennen.

Könnte die viel diskutierte Finanztransaktionsteuer die Märkte sicherer machen?
Die Finanztransaktionsteuer setzt in meinen Augen nicht bei den eigentlichen Ursachen der Krise an. Ziel muss es sein, Anreize richtig zu setzen und die Eigenkapitalbasis zu stärken. Die Finanztransaktionsteuer könnte aber genau das Gegenteil bewirken, da sie auch auf Transaktionen an den Aktienmärkten angewandt würde.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%