Coronabonds Es geht nicht um Solidarität, sondern um nationale Interessen

Die Finanzminister der Eurozone wollen eine gemeinsame Antwort auf die Corona-Krise finden. Quelle: dpa

Die Finanzminister der Eurogruppe wollen sich auf ein Maßnahmenpaket einigen, um die Folgen der Coronakrise abzumildern. Bislang ohne Erfolg. Diejenigen, die Gemeinsamkeiten beschwören, agieren aus eigennützigen Motiven.

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Am Dienstag sollte gelingen, was vor zwei Wochen scheiterte: Die Finanzminister der Eurozone wollten eine gemeinsame Antwort auf die Coronakrise finden. Jetzt ist Mittwoch und noch gibt es keine Einigung. Diskutiert werden weiterhin drei Elemente, die das Paket mit einem Volumen von bis zu 540 Milliarden enthalten soll:
- Der Euro-Rettungsschirm ESM soll eine vorsorgliche Kreditlinie zur Verfügung stellen von bis zu 240 Milliarden Euro.
- Die Europäische Investitionsbank EIB wird für Unternehmenskredite bürgen, so dass ein Kreditvolumen von bis zu 200 Milliarden Euro bereit stehen wird.
- Die EU-Kommission wird darüber hinaus bis zu 100 Milliarden Euro an Darlehen vorsehen, damit Mitgliedsstaaten die Kosten der Kurzarbeit abdecken könnten.

Details der Elemente sind durchaus noch umstritten. So wollen die Niederlande, dass Mittel aus dem ESM nur für die Linderung der akuten Krise im Gesundheitssektor eingesetzt werden dürfen, nicht aber um den Abschwung der Wirtschaft abzufedern.

Überschattet wird das virtuelle Treffen der Minister von der anhaltenden Debatte über Coronabonds. Die beiden EU-Kommissare aus Frankreich und Italien, Thierry Breton und Paolo Gentiloni, haben die Debatte mit einem Namensbeitrag angefeuert, der am Montag in zahlreichen europäischen Tageszeitungen erschien. In diesem Beitrag machten sie Druck, schnell „eine vierte Säule europäischer Mittel“ einzufordern, die auf Coronbonds hinausliefen. „Die Zeit wird knapp“, heißt es in dem Beitrag.

Das Vorpreschen der beiden Kommissare ist bemerkenswert, weil sie sich damit gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellen, die keine Anhängerin von Coronabonds ist. Die französisch-italienische Initiative ist aber auch bemerkenswert, weil sie unter der Überschrift „Einigkeit und Solidarität“ nationale Interessen verfolgt.

Schon der Brief der neun Staats- und Regierungschefs, die Ende März Corona-Bonds gefordert haben, war bezeichnend. Sie regieren fast ausnahmslos in Ländern, die hohe Staatsschulden angehäuft haben. Italien wies schon vor der Coronakrise mit rund 130 Prozent Staatsschulden relativ zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Griechenland die zweitgrößte Staatsschuld in der EU auf. Es folgen Portugal, Belgien, Frankreich, Spanien. Slowenien liegt mit seiner Staatsschuld von rund 60 Prozent relativ zum BIP leicht unter dem Durchschnitt der 27 EU-Staaten. Die einzige markante Ausnahme unter den Unterzeichnern ist Luxemburg mit dem sehr niedrigen Schuldenstand von knapp 20 Prozent relativ zum BIP.

Schon jetzt ist abzusehen, dass die Staatsschulden in den EU-Ländern in den kommenden Jahren teilweise stark steigen werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Befürworter von Coronabonds die Gunst der Stunde nutzen, und im eigenen Interesse für eine Vergemeinschaftung der Schulden plädieren.

Eine der treibenden Kräfte hinter den Coronabonds scheint Frankreich zu sein. Finanzminister Bruno Le Maire forderte schon vergangene Woche einen Corona-Fonds, der sich aus den gemeinsamen Anleihen speisen soll. Le Maire nimmt dabei gerne das Wort „Solidarität“ in den Mund. Die Sorge, um die beiden besonders von der Pandemie getroffenen Nachbarn Spanien und Italien, dürfte aber nicht seine Hauptmotivation sein. Frankreichs Banken halten große Bestände an italienischen Anleihen. Schätzungen zufolge sollen sich in den Büchern französischer Banken Anleihen im Wert von 380 Milliarden Euro befinden. Ein starker Werteverfall oder gar ein Haircut auf die italienischen Anleihen wäre nicht im Interesse Frankreichs.

Wenn es darum gehen soll, die Zinsen für Länder der Eurozone in einem erträglichen Maß zu halten, dann sind dafür keine Coronabonds notwendig. Der ESM wurde genau dafür geschaffen. Und die EZB drückt die Zinsen mit ihrem Aufkauf von Staatsanleihen. Der Ökonom Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim wird deutlich: „Bei den Coronabonds geht es nicht wie behauptet um einen Zinsvorteil, sondern um die Vergemeinschaftung der Haftung mit einer Langfristperspektive.“ Er sieht Coronabonds als ersten Schritt in Richtung einer umfassenden Umschichtung der nationalen Staatsschulden. Das erwähnen jene, die das Wort Solidarität betonen, nie.

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