Corona-Krise EZB überrascht mit Bankenrettungspaket

Kann das Rettungsprogramm der EZB gegen die Corona-Krise helfen? Quelle: dpa

Die jüngsten geldpolitischen Beschlüsse der EZB sind im Kern ein Rettungsprogramm für Banken. Ob es gegen die Corona-Krise hilft, ist fraglich.

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In ihrem früheren Leben als Synchronschwimmerin in der französischen Nationalmannschaft musste Christine Lagarde vor allem Eins: Ihre Bewegungen exakt auf die ihrer Partnerinnen abstimmen. Schon kleinste Abweichungen wurden mit Punktabzug bestraft und konnten ihrer Mannschaft den Sieg kosten.

Gemessen daran hat es die Französin in ihrem heutigen Amt als Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) geradezu leicht. In der aktuellen Corona-Krise konnte sie erst einmal abwarten, wie ihre Kollegen in den Zentralbanken in Sydney, Washington und London auf den Absturz von Realwirtschaft und Finanzmärkten reagierten. Nachdem die Währungshüter dort die Leitzinsen kräftig senkten und die Geldschleusen öffneten, war der Erwartungsdruck auf Lagarde hoch.

Umso größer fiel die Enttäuschung aus, als die EZB-Chefin die Leitzinsen nun unverändert ließ. Die Aktienkurse in Europa beschleunigten ihre Talfahrt.

Dabei ist das Paket, das Lagarde vorgelegt hat, bei genauer Betrachtung ganz und gar nicht knausrig. Zwar bleiben der Zins für die regulären Geldleihgeschäfte (Null Prozent) sowie der Zins für Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank (minus 0,5 Prozent) unverändert. Dennoch werden Kredite für Banken und Unternehmen in Zukunft deutlich billiger. Das hat folgende Gründe:

1. Die EZB bietet den Banken zusätzliche langfristige Geldleihgeschäfte in jeder von den Instituten gewünschten Höhe zum Einlagenzins (aktuell minus 0,5 Prozent) an.

2. Die Konditionen des nächsten einjährigen Geldleihgeschäfts, das im Juni startet und gezielt zur Refinanzierung von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen dient, werden verbessert. Auch hier liegt der Zins mit minus 0,25 Prozent im Negativbereich. Halten die Banken ihre Kreditvergabe an Unternehmen auf ihrem bisherigen Niveau, leiht ihnen die EZB das Geld dafür sogar für minus 0,75 Prozent. Zudem senken die Währungshüter die Anforderungen an die Qualität der Sicherheiten, die die Banken für das Leihgeschäft bei der EZB einreichen müssen.

3. Die EZB stockt ihre Anleihekäufe bis Ende dieses Jahres um insgesamt 120 Milliarden Euro auf. Im Mittelpunkt stehen Unternehmensanleihen.

Indem die EZB den Banken langfristig Geld zu Minuszinsen leiht, stärkt sie die Gewinne der Institute. Leiht sich eine Bank beispielsweise Zentralbankgeld in Höhe von einer Million Euro zum Zins von minus 0,5 Prozent bei der EZB, so muss sie dafür später nur 995.000 Euro zurückzahlen. Mit dem Gewinn kann sie ihr Eigenkapital aufstocken. Dadurch ist sie besser für Kreditabschreibungen gerüstet, die anfallen, wenn die von der Corona-Krise getroffenen Unternehmen ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können.

Dagegen fährt die EZB mit den Geldleihgeschäfte Verluste ein. Diese schmälern ihre Gewinnausschüttung und belasten die Steuerzahler. Die mit Minuszinsen bepreisten Geldleihgeschäfte sind daher im Kern ein Banken-Rettungspaket auf Kosten der Steuerzahler.

Damit die Banken tatsächlich mehr Kredite vergeben, will die EZB die Kapitalanforderungen dafür lockern. Zudem forderte Lagarde die Regierungen auf, Unternehmenskredite mit Staatsgarantien abzusichern, um das Ausfallrisiko für die Institute zu senken.

Die zusätzlichen Käufe von Unternehmensanleihen sollen deren Kurse nach oben und die Renditen nach unten drücken, damit die Unternehmen auch am Kapitalmarkt günstiger an Kredite kommen.

Insgesamt fokussiert das von der EZB vorgelegte Paket auf die Rettung von Banken und Unternehmen. So wollen die Währungshüter verhindern, dass das Corona-Virus, das immer mehr Betriebe vor Liquiditätsprobleme stellt, über Kreditausfälle auf die Banken zurückschlägt und eine neue Bankenkrise auslöst.

Ob das Kalkül aufgeht, ist fraglich. Zwar können Überbrückungskredite kurzfristig verhindern, dass Unternehmen auf dem Trockenen sitzen und den Gang zum Insolvenzrichter antreten müssen. Doch erhöhen sie ihren Verschuldungsgrad und beeinträchtigen so ihre langfristige Kreditwürdigkeit.

Mehr Wirkung ist von der Finanzpolitik zu erwarten. Stunden die Finanzminister den Unternehmen Steuern – wie sie es teilweise bereits angekündigt haben – oder, was noch besser wäre, senken sie die Steuern dauerhaft, so stellt dies den Betrieben Liquidität zur Verfügung ohne dass ihre Schuldenlast steigt. Außerdem verbessern niedrigere Steuern das Umfeld, in dem die Unternehmen wieder wachsen und gedeihen können, wenn das Corona-Virus dereinst besiegt ist.

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