Datenschutz EU lässt Amerikaner umdenken

EU-Datenschutzgrundverordnung

Datenschutz = Wachstumsbremse, diese Formel galt lange im Silicon Valley. Für ihre strikten Regulierungen wurden die europäischen Länder belächelt. Nun könnte die „Alte Welt“ ein Vorbild für die USA sein.

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Strenge Datenschutzregeln galten in den USA lange als Innovationskiller. Besonders die Tech-Elite im kalifornischen Silicon Valley pochte darauf, frei agieren zu können, schließlich basiert der Großteil des Erfolgs von Google, Facebook, Amazon und Co. auf dem Geschäft mit Daten. Die Konzerne erwirtschaften gigantische Umsätze und schaffen Arbeitsplätze, dafür halten sich die Politiker weitestgehend raus: So in etwa lautete die Abmachung zwischen dem Valley und Washington. Und kam es doch zu Versuchen, striktere Regeln einzuführen, etwa 2016 von der US-Telekommunikationsaufsicht FCC, wurden diese von Lobbyisten erfolgreich abgeschmettert.

Deutschland und andere europäische Länder wurden von den Tech-Bossen fast schon belächelt. Behindere doch der dortige Datenschutz einen ähnlichen Erfolg. Doch ausgerechnet Europa kann jetzt für ein Umdenken in den USA sorgen.

Grund ist die EU-Datenschutzgrundverordnung, die am 25. Mai in Kraft tritt und einheitlich für einen besseren Schutz sorgen soll - auch und gerade im Zusammenspiel mit den großen US-Konzernen. Denn die DSGVO gilt auch für außereuropäische Unternehmen, die auf dem riesigen europäischen Markt Geschäfte machen. Verstöße werden mit bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes geahndet.

EU-Bürger sollen die Hoheit über ihre Daten zurückbekommen, lautet das Versprechen. „Demokratische Staaten auf der ganzen Welt nehmen die Datenschutz-Grundverordnung jetzt als Inspiration“, jubelte EU-Justizkommissarin Vera Jourova jüngst.

„Glücklicherweise wird das EU-Gesetz auch den Amerikanern auf gewisse Weise helfen“, schreibt der demokratische Politiker und ehemalige FCC-Chef Tom Wheeler in der „New York Times“. In wenigen Wochen würden Facebook, Google und alle anderen Dienste, die private Informationen sammelten, europäischen Verbrauchern jenen Datenschutz zugestehen, den sie Amerikanern verweigerten. „In einer vernetzten Welt, in der der digitale Code geografische oder nationale Grenzen missachtet, wird das sicher positive globale Auswirkungen haben.“

Für die europäischen Bürger sind die neuen Regeln ein Gewinn. Besserer Schutz der Privatsphäre, mehr Kontrolle über die eigenen Daten oder das „Recht auf Vergessenwerden“ - das bedeutet, dass Daten, die für den ursprünglichen Zweck der Speicherung nicht mehr benötigt werden, gelöscht werden müssen. Zudem müssen Nutzer über Datenschutz-Verstöße - etwa durch Datenlecks oder Hackerangriffe - informiert werden.

Kein Wunder, dass Verbraucher- und Datenschützer in den USA hellhörig werden. „Die Neue Welt muss von der Alten Welt lernen“, schreibt Wheeler in der „New York Times“. Und in der Tat. Es bewegt sich etwas auf der anderen Seite des Atlantiks.

87 Millionen Nutzer könnten vom Datenskandal bei Facebook betroffen sein. Das ist kein unglücklicher Zwischenfall. Das ist ein Systemrisiko und eine Kampfansage an den freien Markt der Meinungsbildung.
von Miriam Meckel

Spätestens seit dem Datenskandal um Facebook und Cambridge Analytica, von dem bis zu 87 Millionen Nutzer weltweit betroffen waren, setzt auch in den USA langsam ein Umdenken ein. Erste Forderungen nach strengeren Regeln und einem besseren Datenschutz werden laut. Apple-Chef Tim Cook distanzierte sich deutlich von Facebook und erklärte: „Privatsphäre ist ein Menschenrecht.“

Das soziale Netzwerk reagierte derweil mit einer Datenschutz-Offensive auf den Skandal. Diese war aber längst nicht so spontan, wie es schien. Viele der Änderungen lagen quasi in der Schublade, da sich Facebook seit Monaten auf die DSGVO vorbereitete.

Zuletzt präsentierte sich Konzernchef Mark Zuckerberg gar als eine Art Botschafter der EU-Verordnung. Bei fast jeder Gelegenheit kündigt er an, die Regeln weltweit anwenden zu wollen - wenn auch die entsprechenden festgeschriebenen Rechte nur Einwohnern der EU vorbehalten bleiben sollen. Allzu missionarisch sollte aber auch dieser Ansatz nicht gewertet werden: Ist es doch auch für die Unternehmen deutlich einfacher, global einheitliche Regeln umzusetzen.

Auch bei Google, wo im ersten Quartal des Jahres wieder kräftige Gewinne erwirtschaftet wurden, gibt man sich gelassen. Man bereite sich bereits seit 18 Monaten auf das neue Gesetz vor, sagte Google-Chef Sundar Pichai in einer Schalte mit Analysten.

So entspannt klangen die Tech-Bosse nicht immer. Während der jahrelangen Gesetzgebungsphase hatten Lobbyisten eifrig versucht, das Regelwerk aufzuweichen. Denn man ist sich des Ausmaßes bewusst. So hieß es beim TV-Sender CNN kürzlich: „Ein globales Tech-Erdbeben ist im Anmarsch, und das Epizentrum liegt Tausende Meilen vom Silicon Valley entfernt.“

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