Seit Jahren kämpfen die Europäische Zentralbank (EZB) und die Staatengemeinschaft mit immer mehr Hilfskrediten gegen die Krise in Südeuropa. Doch wirkliche Erfolge wollen sich nicht zeigen. Die Länder des Südens kommen nicht vom Fleck. Selbst Frankreich, dessen Banken und Wirtschaft eng mit den Krisenländern verflochten sind, bleibt im Krisenmodus. Seine Industrieproduktion verharrt seit 2013 auf einem Stand rund 15 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Italien, Spanien und Griechenland liegen sogar um ein Viertel darunter.
Der Grund für diese Katastrophe ist einfach auszumachen. Er liegt darin, dass die Zeit, die die EZB den südeuropäischen Ländern für Reformen gab, Zeit zum Nichtstun war. Je mehr öffentliche Hilfen die mediterranen Krisenländer erhielten, desto leichter gelang es ihnen, schmerzliche Reformen zu vermeiden, die über relative Lohn- und Preissenkungen, wenn nicht gar eine offene Deflation, eine langfristige Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit ermöglicht hätten. Die Drogensüchtigen kamen von der Droge des billigen Kredits nicht los, weil ihnen erlaubt wurde, gegen die Schmerzen neue Drogen einzunehmen. So kann der Entzug nicht funktionieren.
Das sagen Ökonomen zur EZB-Entscheidung
"Die Beschleunigung der Anleihekäufe unter dem 'Quantitative Easing' erhöht die Dosis des Gifts. Die Notenbanken werden zu den größten Gläubigern ihrer Staaten, das ankaufbare Material wird immer knapper. Die Maßnahmen sind Ausdruck einer verzweifelten Suche der EZB nach immer mehr Stimulanz für die Märkte. Dabei sind diese gar nicht mehr nötig. Besser wäre gewesen, erst die Wirkung der ohnehin schon expansiven Schritte vom Dezember abzuwarten."
"Die EZB-Entscheidung stellt die Banken auch in Zukunft vor massive Probleme und ist ein Risiko für die Finanzmarktstabilität in Europa. Gerade die kleinen und mittelgroßen Banken sowie Sparkassen, die von Fristentransformationen leben, werden durch die Entscheidung benachteiligt. Sie werden in Zukunft Probleme haben, profitabel zu arbeiten. Zudem ist nicht klar, ob die Strategie der EZB aufgeht. Die Banken könnten gezwungen sein, die Zinsen zu erhöhen, um profitabel zu arbeiten. Dies würde der Strategie der EZB widersprechen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Maßnahmen der EZB mittelfristig zu nachhaltigem Wachstum führen."
"Die Kritik an der Linie der Notenbank sollte nicht überzogen werden. Denn solange für deutsche Finanzanlagen eine Sicherheitsprämie gezahlt wird, ist das extrem niedrige Zinsniveau hierzulande eben auch und vor allem ein Ergebnis der hohen Unsicherheit über die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa."
"Das ist eine gute Nachricht für die Börsianer und für die Schuldenländer im Süden. Für die deutsche Bevölkerung ist das katastrophal. Die Sparer werden enteignet. Das ist eine gigantische Umverteilung von Norden nach Süden. Politisch birgt das einen großen Sprengsatz, wenn man das mit der Flüchtlingskrise zusammentut. Das ist brandgefährlich.
Im Ergebnis wird das nichts bringen. Man lullt die Schuldenstaaten ein. Sie machen keine Reformen, die Produktivität steigt nicht. Nord und Süd driften so noch weiter auseinander. Die deutschen Exporteure können vielleicht kurzfristig ein bisschen profitieren, weil der Euro weiter geschwächt wird. Auf der anderen Seite ist es aber schlecht für die Importeure."
"Die EZB hat die von ihr selbst geschürten Erwartungen noch übertroffen und den geldpolitischen Expansionsgrad mit zahlreichen Instrumenten weiter ausgeweitet. Allerdings ist dies nicht positiv zu beurteilen. Sobald die Kapitalmärkte etwas mehr Volatilität zeigen, 'verspricht' Mario Draghi, dass er 'etwas tun werde'. Die EZB 'tut' tatsächlich sehr viel. Aber es ist nicht Aufgabe der EZB, für dauerhaft steigende Kurse zu sorgen. Auch bewegt sich die EZB mittlerweile außerhalb ihres Mandats. Die Grenzen zur direkten Staatsfinanzierung werden fließend. Die Entscheidung von heute war ein weiterer Schritt in die falsche Richtung."
"Die EZB hat mit der Verkündung ihrer Maßnahmen massiv überrascht und im Prinzip alles auf den Markt geworfen, was sie kann. Dabei geht sie technische und politische Risiken ein. Mit diesen Maßnahmen nimmt die EZB in Kauf, Marktblasen zu erzeugen, wenn die Liquidität in der blutleeren konjunkturellen Entwicklung nicht in die Realwirtschaft findet."
"Die heute vom EZB-Rat beschlossenen Maßnahmen zur Ausweitung der Liquidität werden nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Noch mehr billiges Geld und noch niedrigere Zinsen führen nicht zu mehr Investitionen. Im Gegenteil: Die bizarre Welt der negativen Zinsen verunsichert Unternehmen und Verbraucher, belastet die Altersvorsorge und erhöht die Anreize zur Verschuldung, sowohl der Unternehmen und Privathaushalte, als auch der Staaten. Ohnehin malt die EZB mit ihrer Konjunktureinschätzung unnötig schwarz."
"Die EZB sendet mit ihrer Entscheidung ein starkes Signal, dass sie alle ihre Instrumente entschieden nutzen wird, um ihrem Mandat der Preisstabilität wieder gerecht zu werden. Die weitere Expansion der Geldpolitik ist massiv und überraschend. Das anhaltende Risiko der Deflation und die sich abschwächende europäische Wirtschaft lassen der EZB keine andere Wahl, als ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Es sollte nicht vergessen werden - bei allen Sorgen in Deutschland über die Nebenwirkungen der expansiven Geldpolitik -, dass es Aufgabe der EZB ist, Geldpolitik für die Eurozone und nicht nur für Deutschland zu machen. Die Entscheidung der EZB bedeutet eine noch längere Phase der Nullzinspolitik in Europa."
"Die EZB hat sich noch tiefer in die Sackgasse manövriert. Mit größter Sorge sieht die Versicherungswirtschaft, dass die Notenbank ihre schon extrem expansive Geldpolitik noch weiter signifikant gelockert hat. Denn immer mehr Anzeichen deuten darauf hin, dass diese monetären Anreize ihr Ziel nicht erreichen. Besonders deutlich wurde das seit Jahresbeginn auf den Aktienmärkten oder beim Euro-Wechselkurs, wo Verluste beziehungsweise eine Aufwertung im krassen Gegensatz zur Haltung der Geldpolitik standen.
Schlimmer noch: Mittlerweile ist sogar zu befürchten, dass diese unorthodoxe Geldpolitik das Gegenteil von dem bewirkt, was eigentlich beabsichtigt ist - nämlich mehr Wachstum und eine höhere Inflation. Die Notenbank läuft daher zunehmend Gefahr, von den Risiken und Nebenwirkungen ihres Tuns eingeholt zu werden."
"Doktor Draghi hat die Dosis deutlich erhöht. Wie von uns befürchtet, hat er die Geldpolitik der EZB leider deutlicher gelockert als die meisten erwartet hatten. Diese Geldpolitik wird kaum in der Realwirtschaft ankommen. Denn die Nebenwirkungen sind massiv. Das Produktivitätswachstum lässt nach, weil auch unrentable Investitionen wegen der niedrigen Zinsen attraktiv erscheinen. Es steigt das Risiko, dass es in Deutschland am Immobilienmarkt zu Überhitzungen kommt. Außerdem wird der Anreiz für Euro-Länder gesenkt, notwendige Reformen durchzusetzen. Alles in allem verschlechtert diese lockere Geldpolitik langfristig die Rahmenbedingungen für die Unternehmen, so dass sie sich heute schon zurückhalten. Die Medizin wird nicht wirken, auch wenn man die Dosis erhöht."
"Die EZB hat heute abermals ein umfangreiches Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht und setzt ihren immer expansiveren Kurs fort. So wurden die Zinssätze zurückgenommen und die QE-Maßnahmen ausgeweitet. Wir gehen davon aus, dass eine Abkehr von diesem Pfad - zumindest bis auf weiteres - nicht in Sicht ist."
"Es handelt sich um eine weitere massive geldpolitische Lockerung. Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit QE (geldpolitische Lockerung) halte ich es für unwahrscheinlich, dass die Ausweitung der Anleihekäufe die Inflation nachhaltig erhöhen wird. Der Markt für Unternehmensanleihen ist in Europa zu klein, als dass sich aus deren Einbeziehung ein großer Effekt ergeben dürfte. Gleichzeitig setzt die weitere Senkung der Einlagenzinsen die Erträge der Banken noch stärker unter Druck.
Ich halte Instrumente wie die langfristigen Kreditlinien (TLTROs), die direkt an der Kreditvergabe ansetzen, für sinnvoller als den weiteren Ankauf von Anleihen. Allerdings hängt auch hier die Wirksamkeit davon ab, ob es überhaupt eine Kreditnachfrage gibt, die zu befriedigen ist."
"Die EZB beschleunigt ihre geldpolitische Irrfahrt. Die heutige Zinsentscheidung der EZB verstärkt den Abwärtsstrudel für die Sparer. Langfristige Altersvorsorgekonzepte werden ebenso entwertet, wie zinsabhängige Institute in risikoreichere Geschäfte gedrängt werden. Es ist absolut unnötig, die deutsche Kreditwirtschaft zu einer umfangreicheren Kreditvergabe zu nötigen."
"Mit ihren heute verkündeten Maßnahmen ist die EZB ihrem monetären Kurs extrem treu geblieben. Allerdings zeugt das große Bündel an Maßnahmen von einer enormen Nervosität seitens der obersten Währungshüter. Denn auch sie müssen sich eingestehen, dass ihre Geldpolitik bislang die Wirkung verfehlt hat. Die Bilanz ist ernüchternd: So ist es der EZB nicht einmal gelungen, die am leichtesten von ihr zu beeinflussenden Indikatoren in die gewünschte Richtung zu drehen."
"Es ist vollkommen unnötig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn heute noch weiter aufgedreht hat. Die Notenbank überzeichnet die Deflationsrisiken. Der Geldmarkt im Euro-Raum ist durch die EZB-Politik faktisch stillgelegt. Wirtschaftsreformen sowie die Sanierung von Bankbilanzen werden verschleppt. Doch auf all diesen Feldern hat die EZB heute noch einmal eine Schippe draufgelegt."
Die heutige Entscheidung der europäischen Zentralbank, den Leitzins auf Null Prozent zu senken, hat gravierende Folgen für sämtliche Formen der kapitalgedeckten Vorsorge. Nach Ansicht des Bund der Versicherten e. V. (BdV) steht die private Versicherungswirtschaft vor einem Wendepunkt. Alle Formen der privaten Vorsorge basieren darauf, dass an den Kapitalmärkten Zinsen erwirtschaftet werden können. „Sowohl die private Krankenversicherung als auch die private Altersvorsorge haben bei dauerhaftem Null-Zins keine Zukunft“, erklärt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV.
Diese Erkenntnis ist bei der EZB leider noch nicht gereift. Wie sonst ist es zu erklären, dass sie nach dem Zusammenbruch der privaten Finanzierung immer mehr Finanzmittel aus der Druckerpresse bereitstellt? Jetzt will die Notenbank nicht nur ihr Vermögenskaufprogramm QE ausweiten, den Strafzins für Einlagen der Banken bei den Notenbanken von 0,3 Prozent auf 0,4 Prozent erhöhen und den Hauptrefinanzierungssatz für unbegrenzte Neukredite auf null senken.
Was viel dramatischer ist: Sie hat vier neue langfristige Kredittranchen mit frisch gedrucktem Geld, sogenannte TLTROs, angekündigt, die sie Banken, wenn sie diese weiterreichen, selbst mit bis zu 0,4 Prozent verzinsen wird. Nicht der Schuldner zahlt also Zinsen an den Gläubiger. Sondern der Gläubiger zahlt Zinsen an den Schuldner. Verkehrte Welt!
Semantische Anmutung von Geldpolitik
Wäre der Gläubiger nicht der Steuerzahler, der Anspruch auf die EZB-Gewinnausschüttungen hat, könnte man das lockerer sehen. So aber fragt man sich: Was berechtigt die EZB, Zinssubventionen zu zahlen und die Zinsen so weit zu drücken, dass Sparern die Erträge wegbrechen, Unternehmen unter der Last wachsender Pensionsrückstellungen ächzen und Stiftungen ihr Geschäft aufgeben müssen, weil sie nur die Zinsen, nicht aber das Kapital für den Stiftungszweck verwenden dürfen?
Vermutlich wird die EZB nun wieder ihre Neusprech-Abteilung aktivieren, um schöne Vokabeln zu erfinden, die eine semantische Anmutung von Geldpolitik vermitteln. Sie kann auch darauf setzen, dass der Europäische Gerichtshof weiter die Augen vor der Wirklichkeit verschließt. Dennoch gehen die jüngsten Maßnahmen weit über die Grenze des Vernünftigen hinaus. Es handelt sich um den dreisten Versuch jener Mitglieder des EZB-Rats, die netto im Ausland verschuldete Länder vertreten, diesen Staaten durch sinkende oder gar negative Zinsen einen Teil der Schuldenlast zu nehmen.
Das trifft vor allem Deutschland, denn wir haben dank riesiger Exportüberschüsse das zweitgrößte Nettoauslandsvermögen aller Länder der Erde aufgebaut. 2015, also vor den neuerlichen Zinssenkungen, haben die niedrigen Zinsen im Vergleich zu 2007 Deutschland in seiner Gesamtheit – staatliche und private Instanzen zusammengenommen – etwa 89 Milliarden Euro gekostet. In der Summe der Jahre seit 2008 dürfte Deutschland als Ganzes 327 Milliarden Euro verloren haben.
Die EZB vorm Bundesverfassungsgericht
Im Kern geht es um das historische Versprechen von EZB-Präsident Draghi aus dem Sommer 2012. Als die Eurozone vor der Zerreißprobe stand, erklärte der Italiener: „Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten.“ Wenig später beschloss die Notenbank, unter bestimmten Bedingungen notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen. Dieses Kaufprogramm mit dem Namen „Outright Monetary Transactions“ (OMT) beschäftigt die Juristen bis heute.
Nein. Kritiker werfen der Notenbank dennoch vor, sie habe mit dem OMT-Beschluss ihre Kompetenzen überschritten. Über Anleihenkäufe finanziere die EZB letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. Das mache die Notenbank abhängig von den jeweiligen Staaten und gefährde ihre Unabhängigkeit. Zudem lähme es die Reformbereitschaft, wenn sich Regierungen darauf verließen, dass es notfalls die EZB richten werde.
Das höchste deutsche Gericht kam Anfang 2014 zu dem Schluss, die EZB habe mit dem OMT-Beschluss ihre Kompetenzen überschritten. Laut EU-Vertrag dürfe sie keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben. Zudem verstoße der OMT-Beschluss gegen das Verbot der Mitfinanzierung von Staatshaushalten. Zur Klärung von EU-Recht gab Karlsruhe das Thema aber an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Der EuGH entschied: Grundsätzlich darf die EZB zur Euro-Rettung Staatsanleihen kaufen. Das OMT-Programm aus dem Sommer 2012 sei rechtmäßig: „Das Programm überschreitet nicht die währungspolitischen Befugnisse der EZB und verstößt nicht gegen das Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedstaaten.“ Die Schritte der Notenbank müssten jedoch verhältnismäßig und gut begründet sein und dürften keine wirtschaftspolitische Maßnahme sein. Insgesamt wurde der Gerichtshof seinem Ruf gerecht, eher großzügig zu sein, wenn es um Kompetenzen von EU-Institutionen geht. Bisher hatten die Luxemburger Richter keine Einwände gegen Rettungsbemühungen in der Euro-Schuldenkrise.
Nein, denn der EuGH entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Auf Basis des EuGH-Urteils haben die deutschen Richter nun zu bewerten, ob die Anleihenkäufe verfassungsgemäß sind. 2014 hatten sie mitgeteilt, ob der OMT-Beschluss der EZB mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sei, könne letztlich erst geklärt werden, wenn der EuGH die vorgelegten Fragen beantwortet habe. Ein Urteil wird frühestens in einigen Monaten erwartet.
Volkswirte fordern, das Bundesverfassungsgericht solle sein Urteil zumindest dazu nutzen, deutsche Vorbehalte festzuschreiben. „Wir sind dafür, dass das Bundesverfassungsgericht ein Signal nach Luxemburg und Frankfurt sendet, dass man nicht einfach machen kann, was man will“, betont der Wirtschaftsweise Lars Feld. Durch eine Begründung, die von der Pro-EZB-Entscheidung des EuGH abweicht, könnte sich Deutschlands höchstes Gericht auf nationaler Ebene die Kontrolle über künftige EZB-Maßnahmen zur Euro-Rettung vorbehalten. Beobachter halten eine solche Kompromiss-Linie für durchaus wahrscheinlich. Dass Karlsruhe das EuGH-Urteil komplett verwirft, wird nicht erwartet.
Direkt nichts. Denn es geht nicht um die Anleihenkäufe, die seit dem 9. März 2015 laufen („Quantitative Lockerung“ oder englisch „Quantitative Easing/QE“). Doch weil auch gegen dieses aktuelle Programm bereits eine Verfassungsbeschwerde vorliegt, wird die Karlsruher Entscheidung mit Spannung erwartet. Beim QE-Programm investiert die EZB monatlich 60 Milliarden Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere - und das bis mindestens März 2017. Wichtiger Unterschied zum OMT-Programm: Das Geld fließt nicht nur in Papiere von Krisenstaaten, sondern in Anleihen aus dem gesamten Euroraum. Das frische Zentralbankgeld soll über Geschäftsbanken als Kredit bei Unternehmen und Verbrauchern ankommen. Das könnte Investitionen und Konsum anschieben und soll so auch die Inflation anheizen.
Umgekehrt haben die sechs Krisenländer der Euro-Zone (Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Irland, Zypern), die Ende 2014 netto im Ausland für 2,06 Billionen Euro verschuldet waren, bis Ende 2014 wegen der sinkenden Zinsen einen Gewinn von 316 Milliarden Euro erzielt.
Der Gesamtgewinn aus Zinssenkungen bis Ende 2015 dürfte nach einer ersten groben Schätzung gut 400 Milliarden Euro betragen. Bedenkt man, dass die Zinsen ohne den Schutz der EZB nicht gefallen, sondern gestiegen wären, dürfte es sich bei diesen Zahlen um die Untergrenze der durch die EZB verursachten Umverteilungseffekte zwischen den Volkswirtschaften handeln.
Es gibt also Grund genug, den von der EZB beabsichtigten Marsch ins negative Zinsterritorium unerhört zu finden. Irgendwann kommt der Punkt, an dem auch glühenden Europäern der Geduldsfaden reißt.