Eine solche Argumentation verkennt, dass die genannten Entwicklungen nicht Ergebnis von asymmetrischen Konjunkturschocks waren, wie sie Mundell fürchtete. Vielmehr steht hinter den Divergenzen im Euro-Raum ein gemeinsamer Treiber, nämlich die Zinsen. Es ist kein Zufall, dass sich mit Spanien, Griechenland und Irland heute genau jene Länder in der Krise befinden, in denen im Zuge des Maastricht-Prozesses und der gemeinsamen Geldpolitik der EZB die Realzinsen drastisch gesunken sind – von rund zehn Prozent 1995 auf praktisch null im Jahr 2005. Die dramatische Zinsreduktion löste einen Kreditboom aus, in Spanien und Irland getrieben durch den Immobiliensektor, in Griechenland durch den Staat.
Seit die zinsinduzierte Blase in Südeuropa und Irland 2008 geplatzt ist, hat sich das Konjunkturbild umgekehrt. Aber es reflektiert immer noch die Folgen des misslungenen Einstiegs in die Währungsunion. In der Diktion Mundells könnte man sagen: Die Gründung der EWU und die damit verbundene Zinskonvergenz war ihr eigener „asymmetrischer Schock“.
Was folgt daraus für die Zukunft des Euro? Sieht man vom Schock der Zinskonvergenz ab, der hinter uns liegt und dessen Folgen mit den Jahren an Bedeutung verlieren werden, so spricht viel dafür, dass die EWU-Länder grundsätzlich gleichartigen und symmetrisch wirkenden konjunkturellen Störungen ausgesetzt sind, zumal die einheitliche Geldpolitik und die Integration der Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkte die Herausbildung eines gemeinsamen zyklischen Musters tendenziell begünstigen. Insofern spricht langfristig wenig gegen die Einheitswährung.
Bis sich dieses gemeinsame Muster herausgebildet hat, müssen allerdings zwei Herausforderungen gemeistert werden. Zum einen gilt es, die Konjunktur in den Krisenländern zu stabilisieren. Soll die EZB nicht kompromittiert werden, bedarf es dafür eines befristeten und konditionierten fiskalischen Transfermechanismus wie dem vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen Schuldenabbaufonds. Zum anderen ist mit makroprudenziellen Mitteln dafür Sorge zu tragen, dass die lange Niedrigzinsphase, mit der die Krise im Euro-Raum verbunden ist, nicht zu einer neuen zinsinduzierten Blase führt – diesmal in Deutschland.