Die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) beginnt ihre Arbeit mit einem Fall aus Deutschland. „Am 1. Juni haben wir den ersten Fall registriert, der aus Deutschland kam“, sagte die Europäische Generalstaatsanwältin Laura Kövesi im Gespräch mit der WirtschaftsWoche und weiteren europäischen Medien. Der zweite Fall kam aus Italien. „Kein Land ist sauber“, sagte die Rumänin und unterstrich, dass sie Fälle aus allen 22 EU-Mitgliedsstaaten erwarte, die sich der EPPO angeschlossen haben. Einzelheiten zum deutschen Fall gab sie nicht bekannt.
Kövesis Behörde ist ausschließlich für Fälle zuständig, die EU-Gelder betreffen. Wenn Mittel aus dem EU-Haushalt in dunklen Kanälen landeten, wurde dies bisher nicht systematisch strafrechtlich verfolgt. Nationale Behörden haben die Fälle nicht mit Nachdruck vorangetrieben, weil es sich nicht um eigne Mittel handelte. Bei Betrug in mehreren Mitgliedsstaaten gleichzeitig, haperte es oft an der Zusammenarbeit zwischen der Justiz.„Wir werden unseren Fokus auf grenzüberschreitende Kriminalität legen“, sagt Kövesi.
Sie beklagt, dass ihrer Behörde Mitarbeiter fehlten. „Wir brauchen hier in Luxemburg mindestens 50 Mitarbeiter auf zentralem Niveau, um sie als Finanzermittler einzusetzen.“ Die EU-Kommission habe das Budget für 2021 erhöht, so dass sieben Millionen mehr aus dem EU-Haushalt flössen als ursprünglich geplant. Das Budget für 2021 betrage 44,9 Millionen Euro. Es fehle aber die Erlaubnis, mehr Mitarbeiter einzustellen. Kövesi will ein Teil der zusätzlichen Mittel an die EU-Kommission zurückgeben, wenn sie damit keine Mitarbeiter rekrutieren könne. „Soll ich damit Blumen für unser Gebäude kaufen?“, fragt Kövesi und verneint die Frage. „Wenn wir keine Erlaubnis bekommen, zusätzliches Personal einzustellen, dann sollten wir das Geld auch nicht anders einsetzen.“ Dass die EU-Kommission der Behörde nicht mehr Personal zugestehen will, führt Kövesi auf mangelndes Verständnis für die Arbeit der Ermittler zurück: „Nicht jeder Beamte weiß, wie Ermittler arbeiten und was eine Staatsanwaltschaft benötigt.“
Kövesi, die über elf Jahre an der Spitze der rumänischen Korruptionsbekämpfungsbehörde stand, erwartet vor allem Fälle aus dem Bereich Finanzkriminalität, etwa Mehrwertsteuerbetrug durch Karussellkonstruktionen, Korruption, Geldwäsche und organisierter Kriminalität.
Sie rechne damit, dass ihre Behörde, „bald glaubwürdige Ergebnisse“ vorlegen werde. Bis zu ersten Verurteilungen vor nationalen Gerichten wird jedoch noch Zeit vergehen. „Selbst wenn es noch in diesem Jahr zu Anklagen kommt, wird es ein, zwei Jahre bis zu Urteilen dauern.“
Aus ihrer langjährigen Erfahrung weiß Kövesi, wie wichtig politischer Wille ist, wenn es darum geht, Finanzkriminalität zu bekämpfen. Dabei gehe es auch nicht zuletzt darum, dass die Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene ausreichend Mittel zur Verfügung stellten: „Wenn die Kriminellen einen Mercedes haben, und man ihnen auf einem Fahrrad folgen muss, dann haben sie einen Vorteil.“
Die Europäische Staatsanwaltschaft besteht aus 15 Kammern, mit jeweils drei Staatsanwälten. Kövesi wird zusammen mit Kollegen aus Tschechien und Lettland die Untersuchungen in Deutschland überwachen.
Fünf Länder, Irland, Dänemark, Schweden Polen, Ungarn, nehmen bisher nicht an EPPO teil. Kövesi hofft, dass sich diese Länder entscheiden werden, doch noch teilzunehmen: „Die Tür steht ihnen offen, ich hoffe, dass sie doch noch teilnehmen.“
Mehr zum Thema: In Brüssel wird erbittert über ein Überbleibsel aus der Zeit des Dieselgate-Skandals gestritten – mittendrin: Deutschland. Dabei ist ein Enddatum für Autos mit Verbrennungsmotor absehbar.