




Als eigentlich alles gesagt, alle Positionen ausgetauscht, die Kameras abgestellt und die Signale gesendet waren, da beugte sich Yanis Varoufakis zur Verabschiedung auf dem Flur des Bundesfinanzministeriums noch einmal hinab zu Wolfgang Schäuble. Es sah aus, als redeten hier nicht zwei Amtskollegen miteinander, sondern als hole sich hier der beflissene, großgewachsene Enkel einen Rat von seinem weisen Großvater.
Von einem „guten Zeichen“ wisperten Mitglieder aus dem griechischen Regierungstross, weil das Treffen zwischen Schäuble und Varoufakis deutlich länger als die eingeplante Stunde gedauert hatte. Gut hundert Minuten sprachen sie miteinander, bis sie vor die Presse traten. Reden als vertrauensbildende Maßnahme. Mit diesem Signal musste und wollte die griechische Delegation schon zufrieden sein.
Schäuble lobte freundlich die „beachtlichen Fortschritte“ in Griechenland, für die man „den Respekt nie versagen“ dürfte. Er betonte die langjährige Freundschaft beider Länder. „Griechenland“, so Schäuble, „gehört zum Euro.“ Aber Schäuble versuchte gar nicht erst, Einigkeit über die Frage zu heucheln, wie mit der Schuldenmalaise umzugehen sei. Es gab keine: „We agree to disagree.“
Unverhohlene Skepsis bei Wolfgang Schäuble
Es ginge der Bundesregierung wahrlich nicht darum, ein „deutsches Europa“ zu schaffen, sondern darum, den Kontinent als Ganzes fit zu machen für den Wettbewerb im globalen Maßstab. Dafür, mahnte Schäuble, müsse man sich auch „unangenehmen Wahrheiten“ stellen. Seine Skepsis über einige der Maßnahmen, die die Regierung von Premier Alexis Tsipras versprochen habe, könne er nicht verhehlen. Schäuble klang hier auf offener Bühne nicht wie ein Großvater, sondern wie ein strenger Nachhilfelehrer. Und Varoufakis sah danach nicht so aus, als habe er die Botschaft nicht verstanden.
Was die Substanz des Treffens angeht, bleibt in der Tat nur ein Schluss: Eine Lösung für das griechische Staatsschuldenproblem gibt es weiterhin nicht, es existiert noch nicht einmal ein klarer Weg, den alle Beteiligten, in Griechenland wie in der EU, zu gehen bereit sind.
Das „Agree to disagree“ wollte Varoufakis trotzdem nicht wiederholen. Man sei sich vielmehr einig, künftig auf Augenhöhe über eine Lösung zu verhandeln. Und der neue Finanzminister, kahler Kopf und offenes, aus der Hose hängendes Hemd, variierte in Berlin sehr bestimmt die Botschaft, mit der er seit Tagen durch Europa tourt: Wir brauchen Zeit, um ein Reformpaket zu schnüren. Zeit, die wir bislang nicht haben. Und die ihr uns geben müsst.
Das Reformprogramm der bisherigen Troika will die griechische Regierung nicht fortsetzen
Alle Vorschläge allerdings, die Varoufakis bislang für eine Brückenfinanzierung gemacht hat, die bis in den Frühsommer tragen soll, stoßen auf Widerstände – und das nicht nur in Deutschland, sondern auch bei der EZB und den anderen EU-Partnern. Varoufakis versprach, dass die nun gewählte Regierung im Gegenzug bei Reformen ernst machen wolle. Dafür aber forderte er eine respektvolle Behandlung seines Landes: die zarte „Blüte der Demokratie“ dürfe nicht mit dem „Vorschlaghammer zertrümmert“ werden.
Das Reformprogramm der bisherigen Troika, so viel ist, klar, will die griechische Regierung nicht fortsetzen, neu programmieren ist das Mindeste. Die Wortwahl des neuen Finanzministers hierzu war bezeichnend: man befinde sich formal in einem Programm. Faktisch – das war die Botschaft – müsse alles neu auf den Tisch.
Wolfgang Schäuble, neben Jean-Claude Juncker der erfahrenste aktive Europapolitiker, verzog bei diesen Worten keine Miene.