Deutsche in Großbritannien "Für mich ist England jetzt angeschlagen"

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„Das globale Denken kann man in Ingolstadt eben nicht kaufen“

„London ist bisher für mich, meine Frau und meine Kinder unser zu Hause“, sagt König, aber den „gesicherten Status“ wird er für sich nicht beantragen. Sollte er ihm automatisch zugeteilt werden – was aber nach heutigem Stand der Dinge nicht der Fall sein wird, denn das britische Innenministerium pocht darauf, dass alle EU-Ausländer den Nachweis erbringen müssen, dass sie sich schon mindestens fünf Jahre in Großbritannien aufgehalten haben – dann würde er ihn zwar akzeptieren. Aber einen Antrag stellen? Kommt nicht in Frage. 

„Wenn der Brexit kommt, gehe ich“, denn er ist fest entschlossen, Großbritannien dann den Rücken zu kehren. Sein ganzes Arbeitsleben hat der hochgewachsene Norddeutsche von London aus die Welt im Blick gehabt. „Aber jetzt kenne ich eine ganze Reihe von Freunden und Bekannten, die hier die Zelte abgebrochen haben“.  Einerseits hat das emotionale Gründe: „Europa ist meine Heimat“, betont er.

Daneben aber zählen für ihn, der 1987 als junger Kreativer ins Vereinigte Königreich kam, wo er zunächst zwei Jahre lang für die Werbeagentur Saatchi & Saatchi und später zwölf Jahre lang als Juniorteilhaber und Mitglied der Geschäftsführung für Wolff-Olins tätig war, auch geschäftliche Faktoren. Im Jahr 2003 machte er sich selbständig und gründete die Markenberatung „Closer London“.

Seither beruht sein Geschäftsmodell vor allem darauf, dass er international aufgestellten deutschen Kunden – etwa der Lufthansa oder Boehringer Ingelheim – Londoner Kreativität und globalen Esprit bietet, wenn es um deren Markenvision und –Identität geht. Eine kosmopolitische Metropole wie die britische Hauptstadt, wo man sich mittags mit Geschäftspartnern aus der ganzen Welt zum Lunch verabreden und eine große Themenvielfalt diskutieren kann, bietet ihm einzigartige Anregungen.

„Das globale Denken kann man in Ingolstadt eben nicht kaufen“, erläutert König. Gleichzeitig will er als Berater seinen Kunden aber auch eine große Nähe zu Europa vermitteln und hat seine Firma, die für Großkunden in Deutschland und internationale Kunden in London arbeitet, daher gleich in der Woche nach dem Brexit-Votum in „Closer Europe“ umbenannt.

Von der Pfundabwertung hat er übrigens, anders wie viele andere Unternehmen nicht profitiert, stattdessen ist sein Eigenheim im Wert gefallen. Und König fürchtet sogar, dass seinem Geschäft nach dem Austritt aus der EU Nachteile entstehen könnten, weil er dann vielleicht nicht mehr vom Mehrwertsteuerausschluss profitieren wird. Denn der habe ihm seit 2003 in den Beziehungen mit seinen deutschen Kunden Vorteile verschafft.

Was Minister Davis dieser Tage in Brüssel aushandelt ist für den hochgewachsenen Norddeutschen nicht relevant. Aber irgendwie hofft er noch auf ein Wunder. Darauf, dass doch noch ein Weg gefunden wird, um den Brexit zu verhindern oder zumindest auf eine Lösung, die für Unternehmer wie ihn einen Ausweg bieten könnte. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, macht er sich Mut.

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