Deutsches Militärbudget Die Ampel muss Merkels Versäumnisse jetzt beseitigen

Die Bundeswehr ist in desolatem Zustand – von der Unterhose bis zum Panzer. Quelle: Imago

Der Krieg kommt zurück nach Europa, und die Bundeswehr ist nicht bereit. Die Ampel muss jetzt schleunigst die Fehler von 16 Jahren Merkel-Trägheit beseitigen und die NATO stärken. Ein Kommentar.

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In Litauen mangelt es Soldatinnen und Soldaten an Socken und Unterwäsche, beim Kommando Cyber- und Informationsraum sind fast 2000 Stellen von IT-Feldwebeln vakant, der 1972 eingeführte Transporthubschrauber CH-53 ist kaum noch einsatzfähig – das meint Heeresinspekteur Alfons Mais, wenn er schreibt: Die Bundeswehr „steht mehr oder weniger blank da“. Dass er sich ausgerechnet an dem Tag auf dem Netzwerk LinkedIn so „angefressen“ äußert, an dem Russland einen Krieg in der Ukraine beginnt, zeigt wie groß der Frust ist. Nach 16 Jahren Merkel-Regierung ist die Bundeswehr in einem desolaten Zustand – von der Unterhose bis zum U-Boot.

Wie paradox, dass nun ausgerechnet eine Regierung aus SPD, Grünen und Liberalen erkennen muss: Bei der Bundeswehr-Frage geht es um mehr als nur eine unbeliebte Aufrüstungsdebatte. Es geht um Bündnisverantwortung – und reale gemeinsame Verteidigungsfähigkeit. Zwar betont Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Beistand zu NATO-Partnern gerade wie ein Mantra – doch Artikel fünf, der Bündnisfall, kann nur dann wirken, wenn dahinter glaubhafte Zusicherungen stehen. Neudeutsch: Credible Commitments.

Genau diese „Commitments“ leistet Deutschland bisher nicht. Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts waren einmal als Zielwert für Verteidigung ausgerufen. Doch in Deutschland sind es gerade einmal 1,49 Prozent. Damit landet die Bundesrepublik auf den hinteren Plätzen der 28 NATO-Partner, die es im übrigen auch kaum besser machen. Gerade einmal sieben Bündnispartner erreichten 2019 das Zwei-Prozent-Ziel. Nun wurde diese Zahl in der Vergangenheit immer wieder als zu dogmatisch diskutiert, Fakt ist aber: Die Abhängigkeit von den USA ist riesig, wenn es um europäische Sicherheitsinteressen geht.

So bitter die Witze seit Jahren über die Ausstattung der Bundeswehr sind, so sehr offenbart Putins Krieg in der Ukraine den Handlungsdruck. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärt, dass Deutschland seine militärischen Verpflichtungen in der NATO erfüllen werde – sie erklärt aber auch, dass sie einen größeren Wehretat brauche.

Sollten die Verteidigungsausgaben bisher laut mittelfristiger Finanzplanung sogar noch sinken auf 1,27 Prozent, kündigte Olaf Scholz am Sonntag bei seiner Regierungserklärung auf der Sondersitzung des Bundestages ein Investitionsoffensive bei den Verteidigungsausgaben an. Allein die Bundeswehr soll auf ein Sondervermögen von 1000 Milliarden Euro zugreifen können, zudem werden das Engagement in der Nato verstärkt. Zuvor hatte Finanzminister und Reserveoffizier Christian Lindner (FDP) bereits eine „Zäsur“ angekündigt. „Sinkende Verteidigungsausgaben passen nicht mehr in die Zeit“, sagte er am Donnerstagabend in der ARD-Talksendung „Maischberger“. Er wollte darüber nun mit dem Bundestag sprechen – wobei ihm schon vor dem Krieg klar gewesen sei, dass die Mittel für die Bundeswehr verstärkt werden müssten.

Das sind die größten Militärmächte der Welt
Platz 8: Großbritannien„Rule Britannia, Britannia rule the waves“. Diese Zeiten sind vorbei. Die einst weltgrößte Seemacht kommt in der Kategorie Marine mit ihren 75 Schiffen nur auf Platz 37. Immerhin beim Budget erreicht das Vereinigte Königreich mit 68 Milliarden US-Dollar Platz 4. Insgesamt reicht es aber nur für Platz acht. Daran ändert auch ein aktueller Besuch von Premier Boris Johnson bei der Royal Air Force nichts. Alle Daten des Rankings entstammen dem Global Firepower Index. Quelle: dpa
Platz 7: FrankreichZuletzt kündigte Frankreich den militärischen Rückzug aus Mali an. Beim Verteidigungsbudget reicht es mit knapp 41 Milliarden US-Dollar nur noch für Platz 11. Dennoch ist das Land mit Platz 7 insgesamt militärisch immer noch eine Grande Nation. Das liegt unter anderem an einer guten Ausstattung mit Flugzeugen. Quelle: dpa
Platz 6: SüdkoreaSüdkorea steht im ständigen Konflikt mit der kommunistischen Diktatur im Norden der koreanischen Halbinsel. Viel entgegenzusetzen hat Diktator Kim Jong-un seinen südlichen Nachbarn jedoch nicht. Während Nordkorea im Global Firepower Index auf Platz 30 landet, kommt Südkorea auf Platz 6. Quelle: AP
Platz 5: JapanJapan landet auf dem fünften Platz des "Global Firepower Index". Dafür sorgt vor allem die gute Hafeninfrastruktur und die Schiffsflotte. Auch das Verteidigungsbudget fällt mit knapp 47 Milliarden US-Dollar recht hoch aus. Quelle: dpa
Platz 4: Indien22,7 Millionen Inder erreichen jährlich das militärfähige Alter – so viel wie in keinem Land der Erde. Somit ist es für Indien kein Problem, die mit 1,45 Millionen Mann zweitgrößte Armee der Welt aufzustellen. Die indischen Militärausgaben betrugen 2021 rund 49,6 Milliarden US-Dollar, womit es in der Kategorie Verteidigungsbudget für Platz 6 reicht. Insgesamt kommt Indiens Militärstärke auf Platz 4. Quelle: dpa/dpaweb
Platz 3: ChinaDie bevölkerungsreiche Weltmacht China stellt mit 2 Millionen Soldaten die größte Armee der Welt. Für Nachschub ist gesorgt. 2021 erreichten gut 19,5 Millionen Chinesen das militärfähige Alter, was weltweit die zweitmeisten sind. Außerdem besitzt China mit 35.000 gepanzerten Fahrzeugen die zweitmeisten der Welt und verfügt mit 777 Schiffen über die größte Seemacht der Welt. Das lassen sich die Chinesen einiges kosten: Mehr als 250 Milliarden US-Dollar flossen zuletzt in die chinesische Armee – nur die USA gaben mehr aus. Insgesamt weist China somit die drittgrößte Militärstärke auf. Quelle: dpa/dpaweb
Platz 2: RusslandSpätestens mit dem Einmarsch in die Ukraine ist die Schlagkraft der russischen Armee in den Fokus gerückt. Russland besitz mit 12.240 Maschinen die größte Panzerflotte, mit mehr als 4000 Flugzeugen die zweitgrößte Luftwaffe und mit 605 Schiffen die zweitgrößte Marine der Welt. Aktuell sind in der russischen Armee 850.000 Menschen im Einsatz, womit die Russen das fünftgrößte aktive Personal besitzen. All das ließ sich Putin vergangenes Jahr mit 154 Milliarden US-Dollar kosten. Das ist das weltweit drittgrößte Verteidigungsbudget. Quelle: REUTERS

Es ist die richtige Debatte. Die Ampel muss die Merkel-Versäumnisse so schnell es geht beseitigen – bei der Energieunabhängigkeit wie bei der Verteidigungsfähigkeit. Wünschenswert wäre es, wenn auch die anderen Bündnispartner mitziehen würden. Helfen könnte dabei womöglich, wenn aus der losen Zwei-Prozent-Vorgabe eine feste Bündnisbedingung würde.

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