Drittes Hilfspaket für Griechenland Die 86-Milliarden-Euro-Wette

Morgen soll der Bundestag das dritte Hilfspaket für Griechenland durchwinken. Um wie viel Geld geht es? Was macht der IWF? Und wie steht es um einen Schuldenschnitt? Sechs Fragen, sechs Antworten.

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Bis zu 86 Milliarden Euro wollen die europäischen Partner Griechenland in den nächsten drei Jahren zur Verfügung stellen. Quelle: dpa

144 Seiten in weniger als 48 Stunden. Am Montagnachmittag haben die Bundestagsabgeordneten den Antrag des Bundesfinanzministers für das dritte Griechenland-Hilfspaket erhalten. Am Mittwochmorgen sollen sie ab 9 Uhr darüber abstimmen. Alle Unterlagen liegen in englischer und deutscher Sprache vor. Einige Parlamentarier hatte sich beschwert, sie könnten über derart komplexe Themen nicht abstimmen, wenn die Unterlagen ausschließlich in englischer Sprache übermittelt würden.

 

Worüber stimmen die Abgeordneten ab?

Zum dritten Mal seit 2010 müssen die Abgeordneten des Deutschen Bundestags ein Hilfspaket für Griechenland absegnen. Das Programm ist auf drei Jahre angelegt (von August 2015 bis August 2018) und umfasst ein Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, der Finanzbedarf Griechenlands ist mittlerweile gar auf 92 Milliarden Euro gestiegen. Die ersten 26 Milliarden Euro des Hilfspakets werden sofort freigegeben. Weitere Tranchen sollen wie bei den ersten beiden Programmen erst überwiesen werden, wenn Griechenland vereinbarte Auflagen umgesetzt hat. Der Bundestag wird also in den kommenden drei Jahren noch häufiger zum Thema Griechenland zusammenkommen.

Insgesamt sind 54,1 Milliarden vorgesehen, damit Griechenland Schulden begleichen kann, sieben Milliarden  für Zahlungsrückstände, 7,6 Milliarden zum Aufbau von Reserven und bis zu 25 Milliarden für die Rekapitalisierung von Banken. Die Laufzeit für die einzelnen Tranchen kann bis zu 32,5 Jahre betragen.

 

Ist die Zustimmung des Bundestages sicher?

Ja, der Bundestag wird wohl mit großer Mehrheit für das dritte Hilfspaket stimmen. Immerhin gehören 504 der 631 Abgeordneten der Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD an. Trotzdem wird es für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) innenpolitisch zunehmend ungemütlicher. Bei der letzten Griechenlandabstimmung hatten ihr 60 von 311 Unionsabgeordneten die Gefolgschaft verweigert. Nachdem Unionsfraktionschef Volker Kauder den Abweichlern via Zeitungsinterview gedroht hatte, wird in Berlin mit noch mehr Nein-Sagern gerechnet.

 

Wie viel Geld muss Deutschland bereitstellen?

 Der Steuerzahler wird nicht direkt belastet. Die neuen Hilfsgelder stellt der Euro-Rettungsschirm ESM bereit, der vor drei Jahren von den Ländern der Eurozone gegründet wurde. Theoretisch kann der ESM über 700 Milliarden Euro verleihen. Deutschland hat knapp 22 Milliarden Euro in den Fonds eingezahlt und haftet bei Ausfall für knapp 170 Milliarden Euro.

 Der deutsche Finanzierungsanteil am ESM beträgt damit rund 27 Prozent. Sollten die Griechen das Hilfspaket nicht zurückzahlen können, müsste Deutschland also über ein Viertel der 86 Milliarden Euro übernehmen, was etwa 23 Milliarden Euro entspräche.

Der Schuldenschnitt kommt durch die Hintertür

 

Was muss Griechenland im Gegenzug für die Finanzhilfen leisten?

 Athen soll vor allem seinen Haushalt konsolidieren. In einem sogenannten „Risikoszenario“ geht die Europäische Kommission davon aus, dass der Schuldenstand in diesem Jahr von 199 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt auf 207 Prozent im kommenden Jahr steigen wird. Für 2020 geht Brüssel von 186 Prozent aus, 2022 von 174 Prozent. In einem optimistischeren Szenario könnte Griechenland in sieben Jahren bei 160 Prozent liegen.

 In diesem Jahr wollen die Geldgeber einen Haushaltssaldo ohne Zinsaufwendungen von minus 0,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts akzeptieren. 2016 soll ein Plus von 0,5 Prozent erreicht werden, 2017 dann 1,75 Prozent und 2018 schließlich ein Überschuss von 3,5 Prozent. Ob das gelingt, will die Bundeskanzlerin nicht beschwören. „Von Sicherheit kann man nicht reden. Es gibt eine gewisse Hoffnung“, hatte Merkel am Sonntag im ZDF-Sommerinterview gesagt.

 

Welche Rolle spielt des Internationalen Währungsfonds?

 Der IWF beteiligt sich zum jetzigen Stand nicht am neuen Hilfspaket für Griechenland, obwohl Merkel das ihren Unionsabgeordneten stets versprochen hatte. Die Washingtoner Institution war zwar neben EU, EZB und Rettungsschirm ESM an den Verhandlungen beteiligt. Zudem hat Griechenland zwischenzeitlich seine offenen Raten beim IWF beglichen, sodass dieser wieder Geld an Athen verliehen dürfte.

 Allerdings bezweifelt Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde, ob Griechenland die vereinbarten Strukturreformen wirklich umsetzt. Zudem glaubt Lagarde, dass Griechenland nur gerettet werden kann, wenn es einen Schuldenschnitt gibt. „Ich bin weiterhin der festen Überzeugung, dass die Verschuldung Griechenlands untragbar geworden ist und dass Griechenland seine Schuldentragfähigkeit nicht allein durch eigene Maßnahmen wiederherstellen kann“, sagte Lagarde Ende letzter Woche. Die europäischen Partner müssten erhebliche Schuldenerleichterungen gewähren, die weit über das bisher in Betracht gezogene Maß hinausgehen. Im Oktober will der IWF entscheiden, ob er womöglich doch noch einsteigt. In den jetzigen Kalkulationen zum 86-Milliarden-Hilfspaket spielt der Währungsfonds keine Rolle.

 

Gibt es einen Schuldenschnitt für Griechenland?

 Angela Merkel lehnt einen „klassischen Schuldenschnitt“ für Griechenland ab. Ein solcher „haircut“ würde bedeuten, dass sich die Gläubiger auf einer Schuldenkonferenz darauf verständigen, auf wie viel Geld sie jeweils verzichten. Genau das gab es vor drei Jahren für die privaten Gläubiger, die auf Druck der Staats- und Regierungschef über 100 Milliarden Euro abschreiben mussten. Im Fall der öffentlichen Schulden müssten die Steuerzahler für die Verluste aufkommen.

 Tatsächlich erscheint ein solches Vorgehen derzeit unwahrscheinlich. Aber: Nach jetziger Planung bekommt Griechenland knapp 40 Jahre Zeit, um seine Schulden zurückzubezahlen. Aktuell muss das Land gerade Mal zwei Prozent seiner Wirtschaftskraft für Zinsen aufbringen. Merkel und Co. mögen es nicht so nennen. De facto gewähren sie Griechenland mit dieser zeitlichen Streckung einen Schuldenschnitt, den die europäischen Verträge eigentlich ausschließen.

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