Durchbruch in Belgien Wie es mit Ceta jetzt weitergeht

Nach tagelangem Ringen haben die Belgier eine Einigung zum umstrittenen Freihandelsabkommen erzielt. Was die belgische Übereinkunft für Ceta bedeutet – die sieben wichtigsten Antworten.

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Die Flaggen Kanadas (l) und der Europäischen Union Quelle: dpa

Wie geht es nun weiter?

In Belgien müssen regionale Parlamente der erzielten Vereinbarung noch zustimmen. Dies soll bis Freitag Mitternacht passieren. Auch die anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten werden sich die belgischen Forderungen genau ansehen. Erst wenn diese Vorarbeiten erfolgreich abgeschlossen sind, will EU-Ratspräsident Donald Tusk den kanadischen Premier Justin Trudeau kontaktieren, um einen neuen Termin für die Unterzeichnung von Ceta zu vereinbaren. EU-Handelskommissar Cecilia Malmström hat bereits ihre Hoffnung geäußert, dass Ceta nun rasch unterschrieben werden könne. Dann würde Ceta in Teilen vorläufig in Kraft treten. Dies bedeutet, dass 98 Prozent der Zölle fallen werden.

Welche Auswirkungen hat die Verzögerung der Unterschrift?

Auch wenn die EU und Kanada den abgesagten Gipfel nun offenbar schon bald nachholen können, war das politische Gezerre um Ceta eine internationale Blamage für die EU. Europa steht in der Welt als wenig handlungsfähig da – und hat vor allem den Verhandlungspartner Kanada brüskiert.

Was bedeutet der Streit um Ceta für die europäische Handelspolitik?

In Brüssel werden Stimmen laut, dass sich das Chaos um Ceta nicht wiederholen dürfe. Die EU wird über ihre Handelspolitik nachdenken müssen. Eine erste wichtige Handlungsanleitung wird dazu der Europäische Gerichtshof Anfang 2017 liefern. Er wird klären, ob das Freihandelsabkommen mit Singapur alleinig in die Kompetenz der EU fällt oder in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Die Entscheidung ist wichtig, denn wenn Freihandelsabkommen in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten fällt, müssen nationale Parlamente zustimmen.

Die Freihandelsabkommen

Die EU-Kommission sieht Ceta als ein Abkommen an, dass in ihre Kompetenz fällt. Auf Druck der Mitgliedsstaaten hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jedoch entschieden, Ceta als “gemischt” zu behandeln und somit die Zustimmung der nationalen Parlamente einzuholen. Junckers Kritiker werfen ihm vor, dass ein Veto eines Parlaments absehbar war.

Die Folgen für die TTIP-Verhandlungen

Wie könnte eine Reform der europäischen Handelspolitik aussehen?

Erste Überlegungen gehen in die Richtung, bei Freihandelsabkommen genau zu trennen, welche Teile in wessen Kompetenz fallen. Der Teil, der in nationale Kompetenz fiele, etwa Verkehr, bedürfte dann die Zustimmung der nationalen Parlamente. Die politische Debatte darüber hat aber noch nicht begonnen – und sie verspricht äußerst schwierig zu werden. Denn auf der einen Seite stehen diejenigen, die eine stärkere Einbindung der nationalen Parlamente fordern, weil sie glauben, dass Bürger sich dadurch mitgenommen fühlen. Andere argumentieren, dass die EU immer schwerfälliger wird, je mehr Mitspracherechte sie vergibt. Diese Gruppe weist den Vorwurf zurück, die EU sei undemokratisch. Wenn über ein Freihandelsabkommen nur auf EU-Ebene abgestimmt wird, dann entscheiden demokratisch gewählte EU-Abgeordnete im Europäischen Parlament und demokratisch gewählte Regierungen im Rat der EU.

Fragen und Antworten zur Ceta-Ablehnung durch die Wallonie

Warum durfte die Wallonie über Ceta abstimmen, nicht aber deutsche Bundesländer?

Dies geht auf eine belgische Besonderheit zurück. Bereits 1994 hat eine Verfassungsänderung in Belgien die Kompetenz für Außenhandelsverträge an die Regionen gegeben. Auslöser war der Drang des nördlichen Landesteils Flandern nach mehr Selbstbestimmung. Erst zwei Jahrzehnte später wird nun offensichtlich, welchen politischen Sprengstoff die Kompetenzverlagerung barg.

Wer ist der Gewinner der vergangenen Tage?

Paul Magnette, der Ministerpräsident der belgischen Region Wallonie, hat für seinen Kurs Zuspruch aus der ganzen Welt bekommen und ist zur Leitfigur für Globalisierungsgegner geworden. Innenpolitisch hat sich sein Veto bezahlt: 70 Prozent der französischsprachigen Belgier unterstützen seine Linie.

Was bedeuten die Ereignisse der vergangenen Tage für die Verhandlungen der EU über das transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP)?

Der große Widerhall, den der wallonische Ministerpräsident Magnette in Europa fand, zeigt, dass in der Bevölkerung Skepsis gegenüber Freihandelsabkommen neuer Art herrscht. In diesen Abkommen geht es nicht nur darum, Zölle zu senken, sondern Regulierung anzugleichen. Nicht-Regierungsorganisationen warnen, dass TTIP den Verbraucherschutz senken werde. Diesen Vorwurf werden die TTIP-Unterhändler mehr als zuvor entkräften müssen, wenn TTIP von den Bürgern akzeptiert werden soll. Der Streit um Ceta zeigt auch, dass in Europa kein gesellschaftlicher Konsens mehr herrscht, dass Freihandel per se erstrebenswert ist.

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