




„Mit dem Rücken zur Wand“, „Einsamer Mann“ oder „Das schreckliche Jahr“: Zum ersten Jahrestag der Machtübernahme zeichneten französische Medien in den vergangenen Tagen ein desaströses Bild von der bisherigen Amtszeit von Staatschef François Hollande. Bei einer fast dreistündigen Pressekonferenz im prunkvollen Festsaal des Élyséepalastes warb der 58-Jährige am Donnerstag erneut um Zeit und Vertrauen. Wesentliche Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze seien umgesetzt, eine von der Opposition geforderte Regierungsumbildung sei nicht an der Tagesordnung.
Das Netzwerk des François Hollande
Gehört ebenfalls zu denen, auf die Hollande sich verlässt. Heißer Anwärter auf den Posten des Justizministers.
Beliebter Globalisierungsgegner mit Vorliebe für griffige Polemiken. Wäre fast über seine deutschlandfeindlichen Äußerungen gestolpert.
Ruhig, professionell und seit 15 Jahren ein Vertrauter des Kandidaten. Der Deutschland-Kenner hat beste Chancen, nach der Wahl Premierminister zu werden.
War Premier unter Francois Mitterrand und ist ein alter Gegner Hollandes. Spekuliert trotzdem auf das Außenministerium.
Kommunikationschef von Hollandes Kampagne. Extrem ehrgeizig, aber nicht immer mit dem richtigen Fingerspitzengefühl gesegnet.
Expertin für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Könnte Arbeitsministerin werden.
Die Parteivorsitzende war eine scharfe Kritikerin Hollandes. Doch nach der Wahl würde sie gerne Premierministerin werden .
Der Autor von Hollandes Wahlprogramm ist einer seiner ältesten Freunde. Er war bereits Finanzminister - und könnte es wieder werden.
War früher Europaminister - und würde es gerne wieder. Oder noch mehr.
Die sozialistische Kandidatin von 2007 hat sich 2006 von Hollande getrennt. Ihre politische Feindschaft haben die beiden inzwischen begraben.
Auch er zählt zu den engsten Getreuen. Der Bretone ist als Europa- oder Landwirtschaftsminister im Gespräch.
Die Lebensgefährtin Hollandes war Journalistin - bis sie begonnen hat, im Wahlkampf auch öffentlich als Frau an seiner Seite in Erscheinung zu treten.
Hollande-Sprecherin, Expertin für innere Sicherheit und frühere Vertraute von Ségolène Royal. Abgeordnete der Nationalversammlung.
Axa-Chef, Hollande-Freund. Hat mit ihm zusammen die Eliteschule ENA absolviert.
Leitet den Energie-Multi GDF Suez. Wichtiger Gesprächspartner von Hollande.
Der Sozialist leitet die Finanzaufsicht AMF. Eng mit Hollande befreundet und wichtiger Ratgeber für Fragen der Finanzmärkte.
Partner von Rothschild & Cie. Hat an Hollandes Wirtschaftsprogramm mitgewirkt und könnte eventuell mit in die Leitung des Präsidialamtes berufen werden.
Europa-Vizechef der Bank Lazard. Aktionär von Le Monde und Anhänger von Hollande.
Den Franzosen fällt es allerdings von Tag zu Tag schwerer, den Durchhalteparolen ihres als Hoffnungsträger gestarteten Präsidenten Glauben zu schenken. Ende April musste die Regierung einen traurigen Rekord bei den Arbeitslosenzahlen melden, an diesem Mittwoch bestätigte die Statistikbehörde Insee die seit Wochen geäußerten Befürchtungen, dass Frankreich erneut in eine Rezession gerutscht ist. Meinungsforschungsinstituten zufolge hatte in den vergangenen Jahrzehnten kein französischer Präsident so schlechte Umfragewerte wie Hollande - und dies bereits vor den jüngsten düsteren Wirtschaftsdaten. Sein Job sei es nicht, beliebt zu sein, sondern die richtigen Entscheidungen zu treffen, kommentierte der Sozialist am Donnerstag auf eine Journalistenfrage zum Thema. Er wolle am Ende seiner Amtszeit und anhand seiner Entscheidungen für Frankreich beurteilt werden.
Die für die kommenden Monate angekündigte Rentenreform dürfte allerdings kaum für Freudentaumel bei den Wählern sorgen. Da die Lebenserwartung steige, werde man auch ein bisschen länger arbeiten müssen, kündigte Hollande an - ohne Details zu nennen. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er noch das von seinem konservativen Vorgänger Nicolas Sarkozy heraufgesetzte Renteneintrittsalter für besonders früh ins Berufsleben gestartete Franzosen wieder auf 60 Jahre abgesenkt. Dies war eines seiner großen Wahlversprechen gewesen.
Fakten zu François Hollande
Studierte Recht, Wirtschaft und Politik an Pariser Eliteuniversitäten.
Holte sich Wahlkampftipps von Beratern des US-Präsidenten Barack Obama.
Will im Amt sich und seinen Ministern das Gehalt um ein Drittel kürzen.
Plant einen Wachstumspakt zur Ergänzung des EU-Fiskalpakts.
Will Jahreseinkommen über eine Million Euro mit 75 Prozent besteuern.
Merklich bemüht zeigte sich Hollande um die deutsch-französischen Beziehungen. In einem Interview des „Wall Street Journal“ hatte er noch vor wenigen Tagen die Egoismus-Kritik von Parteifreunden an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestützt. Die Kanzlerin habe Wahlen vor sich und könne deswegen nicht den Eindruck erwecken, sie kümmere sich mehr um die Sorgen Europas als um die der Deutschen. In einem Entwurf für ein Strategiepapier hatten führende Sozialisten zum Kampf gegen „die egoistische Unnachgiebigkeit von Bundeskanzlerin Merkel“ aufgerufen.
Am Donnerstag nahm Hollande die deutsche Regierungschefin nun in Schutz und zeigte sich zuversichtlich, dass es trotz der bevorstehenden Wahlen in Deutschland Kompromisse in der EU-Politik geben werden. Zu dem Urnengang an sich wollte sich Hollande, einstmals Chef der SPD-Schwesterpartei Parti Socialiste (PS), nicht näher äußern. „Ich werde keine Prognosen abgeben. Ich respektiere die deutsche Wähler“, sagte der französische Präsident.
Kurz zuvor war Merkel bei einem Auftritt auf Hollande zugegangen: „Das deutsch-französische Verhältnis steht auf einem sehr starken Fundament“. Sie habe trotz Differenzen in der Sache ein gutes Verhältnis zu Hollande, sagte die Kanzlerin beim Europaforum des Westdeutschen Rundfunks (WDR).