Eileen Keller "Le Pen hat sich weit aus dem Fenster gelehnt"

Die letzten Tage vor der Wahl in Frankreich werden von neuen islamistischen Verdachtsfällen überschattet. Frankreich-Expertin Eileen Keller erklärt, wie sich das auf die Wahl auswirken kann.

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Eileen Keller Quelle: Presse

WirtschaftsWoche Online: Bekommen die Rechtpopulisten durch die Polizeiattacke so kurz vor der Wahl einen Aufschwung?
Eileen Keller: Die Wahl stand natürlich ohnehin schon unter besonderen Vorzeichen, vor allem seit den Festnahmen in Marseille, wo eine „gewalttätige Aktion“ wohl unmittelbar gedroht hat. Aber trotz der allgegenwärtigen Gefahr ist es doch anzuerkennen, wie wenig radikal die Franzosen bislang reagiert haben und wie sehr sie sich für eine offene Gesellschaft einsetzen. Wie sich der Anschlag auf den Champs-Elysées am Donnerstagabend an den Wahlurnen auswirkt, bleibt abzuwarten. Aber es wird ein heikles Unterfangen, aus diesem Anschlag vielleicht noch politisches Kapital zu schlagen.

Zur Person

Wie kann das gelingen?
Alle Kandidaten müssen jetzt zeigen, dass die Sicherheit der Nation im Vordergrund steht und keine Partikularinteressen. Le Pen hat sich noch Donnerstagabend sehr weit aus dem Fenster gelehnt, und kritisiert, dass bislang zu wenig in der Terrorismusbekämpfung getan wurde. In der Situation kann das heikel sein, aber vielleicht auch zusätzliche Wähler mobilisieren. Ebenso wie die Chefin des Front National hat Francois Fillon sich schon im Wahlkampf beim Thema Sicherheitspolitik klar positioniert – und wie Macron und Le Pen eine Aufstockung der Anzahl der Polizisten gefordert. Aber ob alle diese Forderungen mit dem Rechtsstaat vereinbar sind, bleibt ohnehin noch abzuwarten.

Werden am Sonntag jetzt mehr oder weniger Menschen an die Wahlurnen gehen?

Wenn es gelingt, zu zeigen, dass die Wahl ein zentrales Element einer freiheitlichen Demokratie ist, dann könnten sogar politikverdrossene Menschen zur Wahl gehen. Es wäre wichtig, dass die Kandidaten ein Signal senden, dass die Wahl wichtig ist, um ein Zeichen gegen die islamistische Gefahr zu setzen. Sie müssen deutlich machen, dass es nicht nur eine innenpolitische Entscheidung für einen Kandidaten und seine Mannschaft ist, sondern für die Werte der französischen Republik.

Ein erstes Zeichen haben die Kandidaten bereits gesetzt, indem zumindest Fillon, Macron und Le Pen ihre Wahlkampfauftritte abgesagt haben.
Genau. Jede Reise, jeder Besuch ist schließlich ein Mehraufwand für die Polizei, die gerade an anderer Stelle gebraucht werden und ein mögliches Ziel für Terroristen.

Gehört die Angst vor dem Terror bei den Franzosen längst zum Alltag?
Mit jedem Anschlag wird die angespannte Situation natürlich wieder deutlicher ins Bewusstsein gerufen. Auch im Alltag ist das Bewusstsein für eine Gefahr da: In den Schulen finden Übungen statt, wie man sich im Falle eines Anschlags verhält, an den Eingängen der Schulen gibt es Kontrollen.



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