




Was für ein Durchmarsch: Noch vor drei Jahren war Emmanuel Macron außerhalb der Pariser Polit-Blase völlig unbekannt; nun wird er der jüngste Präsident der französischen Geschichte. Mit 39 Jahren Chef im Élyséepalast. Manche nennen ihn den „französischen Obama“ - wie der frühere US-Präsident mit seinem Wahlkampfslogan „Yes, we can“ steht Macron für eine Politik der Zuversicht. „Wir werden Frankreich seinen Optimismus zurückgeben“, rief er seinen Anhängern zu. Positive Töne für ein verunsichertes Land.
Macron verspricht eine Erneuerung der verkrusteten französischen Politik. Auf den alten Fluren der Macht kennt er sich aber bestens aus. Der im nordfranzösischen Amiens aufgewachsene Jesuitenschüler besuchte die Kaderschmiede der Republik: die Elitehochschule ENA, Türöffner für eine aussichtsreiche Verwaltungskarriere. Später wechselte er auf einen gut bezahlten Job als Investmentbanker bei Rothschild.
2012 wurde er Berater des sozialistischen Präsidenten François Hollande, zwei Jahre später Wirtschaftsminister. Schnell avancierte der smarte und charismatische Macron zum neuen Star der Regierung.
Was Macrons Sieg für Europa bedeuten könnte
Wichtig ist der Erfolg Macrons vor allem deswegen, weil sonst Marine Le Pen Staatschefin geworden wäre. Die Rechtspopulistin hatte im Wahlkampf für eine Abkehr Frankreichs von der Europäischen Union und vom Euro geworben. Ein EU-Austritt Frankreichs würde das komplette europäische Einigungsprojekt infrage stellen - vor allem vor dem Hintergrund des bevorstehenden Brexits.
Frankreich ist nach Deutschland das bevölkerungsreichste EU-Land. Zudem wird es nach dem Brexit das einzige EU-Land mit Atomwaffen und ständigem Sitz im UN-Sicherheitsrat sein. Auch die Wirtschaftleistung ist enorm.
Macron will sich für tiefgreifende Reformen der Union einsetzen. Die Eurozone mit 19 Ländern soll einen eigenen Haushalt, ein Parlament und einen Finanzminister bekommen. Zudem spricht er sich für europäische Mindeststandards in Bereichen wie Gesundheitsvorsorge und Arbeitslosenversicherung aus.
Macron sagt: „Ich bin ein Pro-Europäer.“ Er verteidige die europäische Idee und die europäische Politik, weil er glaube, „dass sie sehr wichtig für die französische Bevölkerung und für unser Land in Zeiten der Globalisierung sind.“
Auf absehbare Zeit gering. Vieles, was Macron fordert, wird in der EU schon seit langem diskutiert. Mangels Einigkeit gab es allerdings kaum Fortschritte. In Brüssel wird darauf gehofft, dass sich das nach dem für 2019 vorgesehenen EU-Austritt Großbritanniens ändern könnte. Macron warnt davor, sich zuviel Zeit zu lassen. Wenn in der EU alles beim Alten bleibe, drohe der „Frexit“ (Austritt Frankreichs) oder ein weiteres Erstarken der Front National.
„Ich bin überzeugt, das Emmanuel Macron ein guter Partner für Deutschland sein wird.“ Mit diesen Worten hatte Frankreichs scheidender Präsident François Hollande in der vergangenen Woche auf den möglichen Wahlsieg seines früheren Wirtschaftsministers geblickt. Das dürfte jedoch nicht heißen, dass Macron immer ein leichter Partner sein wird.
Das ist schwer zu sagen. Macron selbst sagt, er sei „weder rechts noch links.“ Im Wahlkampf bekam der frühere Sozialist deswegen sowohl von Unionspolitikern als auch von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen Unterstützung. Kanzlerin Merkel sagte jüngst mit Blick auf einen möglichen Wahlsieg Macrons: „Sein Erfolg wäre ein positives Signal für die politische Mitte, die wir ja auch hier in Deutschland stark halten wollen.“ Nachdem Merkel ihn im März im Kanzleramt empfangen hatte, sprach Macron von „großer Übereinstimmung“.
Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz stellte schon einmal selbstbewusst fest: Macron als Präsident in Frankreich und „ich als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland“ würden die Reform der EU in Angriff nehmen. Für Schulz etwas misslich ist nur, dass er sich in der ersten Wahlrunde für Benoît Hamon von den französischen Sozialisten stark gemacht hatte. Der Kandidat der SPD-Schwesterpartei PS war dort mit einem deutlich linkeren Programm angetreten als Macron und klar gescheitert.
Abgesehen von der Reform der Euro-Zone vor allem in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Macron ist - wie US-Präsident Donald Trump - ein scharfer Kritiker des deutschen Exportüberschusses. Neulich sagte er: Deutschland müsse zu der Einsicht kommen, „dass seine wirtschaftliche Stärke in der jetzigen Ausprägung nicht tragbar ist“. Deutschland profitiere vom Ungleichgewicht in der Eurozone und erziele sehr hohe Handelsüberschüsse. „Hier muss ein Ausgleich geschaffen werden.“
Der deutsche Exportüberschuss könnte zum Beispiel abgebaut werden, indem die Bundesregierung die Überschüsse im Bundeshaushalt nutzt, um mehr zu investieren, etwa in den Straßenbau. Zudem fordern manche Ökonomen, dass die Löhne in Deutschland stärker steigen müssten, um die Binnennachfrage zu stärken. Die Kaufkraft ließe sich auch über Steuersenkungen erhöhen.
Die Liebesgeschichte mit seiner Frau Brigitte (64) begeisterte die Medien - das Paar mit mehr als zwei Jahrzehnten Altersunterschied lernte sich in einer Theatergruppe an Macrons Schule kennen. Er war Schüler, sie Lehrerin. Ein Fernsehsender grub ein Video von der damaligen Aufführung aus, in der Macron eine Vogelscheuche spielte. „Unsere Geschichte hat uns einen hartnäckigen Willen eingehämmert, nichts dem Konformismus zu überlassen“, sagt Macron.
Macron fiel immer wieder mit Kritik am zögerlichen Reformkurs der Regierung auf. Seine liberalen Positionen verärgerten dabei viele Linke - die deshalb nun auch allenfalls mit geballter Faust in der Tasche für ihn stimmten. Im vergangenen Sommer brach Macron mit Hollande und trat zurück. Ein Schritt ins Unbekannte - erst wenige Monate zuvor hatte er seine Bewegung „En Marche!“ gegründet, mit den Initialen seines Namens.
Wirtschaftspolitische Pläne von Emmanuel Macron
Die Unternehmenssteuer soll von derzeit 33 auf 25 Prozent gesenkt werden. Die Steuergutschrift für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (CICE) soll umgewandelt werden in eine dauerhafte Entlastung für Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen.
An der 35-Stunden-Woche soll festgehalten werden. Allerdings könnte sie flexibler geregelt werden, indem Betriebe über die tatsächliche Arbeitszeit mit ihren Beschäftigten verhandeln.
Sie sollen von bestimmten Sozialabgaben befreit werden. Dadurch könnten Niedriglohnempfänger einen zusätzlichen Monatslohn pro Jahr in ihren Taschen haben.
Binnen fünf Jahren sollen 50 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern investiert werden. 15 Milliarden Euro davon sollen in bessere Aus- und Weiterbildung gesteckt werden, um die Einstellungschancen von Jobsuchenden zu verbessern. Ebenfalls 15 Milliarden Euro sind geplant, um erneuerbare Energien zu fördern. Weitere Milliarden sind für die Landwirtschaft, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, für Infrastruktur und Gesundheitswesen geplant.
60 Milliarden Euro an Einsparungen sind bei den Staatsausgaben vorgesehen, die in Frankreich traditionell hoch sind. Zehn Milliarden Euro soll der erwartete Rückgang der Arbeitslosenquote von derzeit etwa zehn auf sieben Prozent bringen, indem die Ausgaben für Arbeitslosengeld sinken. Durch eine verbesserte Effizienz soll das Gesundheitswesen zehn Milliarden einsparen, weitere 25 Milliarden Euro die Modernisierung des Staatsapparates.
In Gegenden mit niedrigem Einkommen soll die Schülerzahl auf zwölf pro Klasse begrenzt werden. Lehrer sollen als Anreiz für eine Arbeit in solchen Regionen einen Bonus von 3000 Euro pro Jahr bekommen. Mobiltelefone in Schulen sollen für Kinder bis 15 Jahren verboten werden. Alle 18-Jährigen sollen einen Kulturpass im Wert von 500 Euro erhalten, den sie beispielsweise für Kino-, Theater- und Konzertbesuche ausgeben können.
Doch Macron profitierte von Hollandes Unbeliebtheit, vom Streit der Linken, von der Job-Affäre des konservativen Kandidaten François Fillon. Und war plötzlich Favorit. Mit seiner Kandidatur jenseits der klassischen Parteien hat er die politische Landschaft in Frankreich umgepflügt.
Nun muss er sein Versprechen, Frankreich mit einem pro-europäischen, liberalen Kurs „weder rechts noch links“ aus der Krise zu führen, auch einlösen. Dazu braucht er eine Mehrheit im Parlament, das es erst noch zu wählen gilt. Und er darf nicht vergessen, dass er einen großen Teil der Franzosen auf seinem Weg erst noch mitnehmen muss - denn sein Wahlergebnis war für viele vor allem ein Votum nicht für sein Programm, sondern gegen Le Pen.