Der italienische Präsident Sergio Mattarella hat am Freitag die erste populistische Regierung Westeuropas vereidigt. Der designierte Ministerpräsident Giuseppe Conte und sein Kabinett aus Vertretern der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega legten drei Monate nach der Wahl am Nachmittag den Amtseid ab. Conte, ein 53-jähriger Jura-Professor, muss nun die Unterstützung des Parlaments gewinnen. Dort haben die populistische 5 Sterne und die fremdenfeindliche Lega eine breite Mehrheit der Mandate. Die Vertrauensabstimmung in beiden Kammern des Parlamentes ist für kommende Woche vorgesehen. Europa und auch Deutschland stehen vor einer Belastungsprobe. Denn beide Parteien hatten zuletzt verstärkt Stimmung gegen Brüssel und Berlin gemacht.
Die Anleger am deutschen Aktienmarkt haben die Ernennung der neuen italienischen Regierung am Freitag erleichtert aufgenommen. Die nun in Kraft gesetzten US-Strafzölle auf europäische Stahl- und Aluminiumimporte, die über entsprechende Vergeltungsmaßnahmen zu einem Handelskrieg führen könnten, ließen die Kurse ebenso kalt wie ein abermals starker amerikanischer Arbeitsmarktbericht.
Zwar kommt in Italien mit einer Koalition aus der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtspopulistischen Lega erstmals eine europakritische Regierung an die Macht. Mit Neuwahlen wäre jedoch vermutlich eine Verschärfung antieuropäischer Positionen einher gegangen, schrieb Analyst Giovanni Montalti von der Schweizer Bank UBS. Dieses Szenario sei nun vermieden worden. Zudem habe sich Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella mit seinem Vorgehen bei der Besetzung wichtiger Kabinettsposten als „Anker Italiens in Europa“ erwiesen.
Davon profitierten vor allem Finanzwerte. Im Dax belegten die zuletzt gebeutelten Aktien der Commerzbank und der Deutschen Bank mit Kursgewinnen von 4,83 beziehungsweise 2,76 Prozent die vorderen Plätze. Auch die Versicherertitel Munich Re und Allianz zählten zu den Tagesfavoriten der Anleger.
Die Deutsche Bank trotzte damit einer ganzen Reihe neuer Negativ-Schlagzeilen. Offenbar seien nach dem gestrigen Kursrutsch in Richtung des Rekordtiefs aus dem Jahr 2016 alle denkbaren negativen Nachrichten im Kurs eingepreist, und „Schnäppchenjäger unter den Investoren sehen jetzt eher wieder die Chancen“, erklärte Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank die deutliche Erholung.
Lega-Chef Matteo Salvini wird Innenminister. Der Vorsitzende der 5 Sterne, Luigi Di Maio, führt künftig ein eigens geschaffenes Ministerium, das die Ressorts Arbeit und Industrie zusammenführt. Das Amt des Wirtschafts- und Finanzministers übernimmt der parteiunabhängige Giovanni Tria. Der Euro-Kritiker Paolo Savona, der von den Koalitionsparteien ursprünglich für dieses Ressort vorgesehen war, aber am Veto Mattarellas scheiterte, übernimmt das Ministerium für Europäische Angelegenheiten. Als Außenminister wurde Enzo Moavero Milanesi vereidigt, der unter anderem der Regierung des Sozialdemokraten Enrico Letta angehört hatte.
Auf die neue Regierung kommen schon im Juni zwei wichtige Termine zu: Bis zum G7-Gipfel am 8. und 9. Juni in Kanada sind nur noch wenige Tage Zeit. Ende des Monats geht es beim EU-Gipfel in Brüssel um die Flüchtlingskrise und Reformen in der Eurozone - beides Themen, die für Italien enorm wichtig sind.
Das Kabinett ist eine Mischung aus Parteipolitikern und Technokraten. Es stellt einerseits den italienischen Wähler zufrieden, kann aber andererseits auch beruhigende Signale an die europäischen Partner senden. Lega-Chef Matteo Salvini zieht ins Innenministerium, Sterne-Chef Luigi Di Maio wird Arbeitsminister. Beide werden Stellvertreter des Ministerpräsidenten. Mit Enzo Moavero Milanesi wird ein Pro-Europäer Außenminister. Wirtschaftsprofessor Giovanni Tria zieht ins Finanzministerium. Von den 18 Ministerposten gehen nur fünf an Frauen.
Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega hatten sich am Donnerstag in einem zweiten Anlauf auf die erste Koalition dieser Art in der Geschichte des Landes geeinigt. Die Finanzmärkte reagierten nach den Turbulenzen der vergangenen Tage erleichtert darauf, dass eine Neuwahl nun vorerst abgewendet ist.