EU-Außenpolitik „Scholcron“, übernehmen Sie!

Das Duo Angela Merkel und Macron wurde gerne Mercron genannt. Es wird höchste Zeit für Scholcron. Quelle: Imago

Europa spielt in der Ukrainekrise nur eine Nebenrolle. Das muss sich ändern. Olaf Scholz und Emmanuel Macron haben auch das Zeug dazu – wenn sie sich zusammentun. Ein Kommentar.

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Die Amerikaner kommen vom Mars, die Europäer von der Venus. In den vergangenen Tagen und Wochen musste ich wieder häufig an den berühmten Satz des US-Politologen Robert Kagan denken. Es stimmt einfach: Die EU ist machtpolitisch unmusikalisch, geostrategisch leider untalentiert, der berühmte ökonomische Riese (noch) und politisch-militärische Zwerg (wie lange noch?).

Die ganze EU? Nicht ganz. Es gibt schließlich Emmanuel Macron und Frankreich. Man erinnere sich zum Beispiel nur an die ganze diplomatische Klaviatur, die der Präsident im Elysée bediente, als ein U-Boot-Deal mit Australien platzte. Da wurde nicht subtil geklimpert, da wurde auch schon mal erbost gehämmert, wenn es geboten war.

Nun ist Lautstärke ganz sicher nicht zwangsläufig das beste Instrument der internationalen Politik. Womit wir aber beim eigentlichen Punkt angekommen wären: Ohne die deutsch-französische Achse kommt Europa selten voran, weder innen- noch außenpolitisch. Und selten wäre ihr kraftvoller Einsatz so dringend nötig wie jetzt. Denn eine Krise wie derzeit der russisch-ukrainische Konflikt samt seiner weltpolitischen Weitungen und Spannungen hat es seit Jahren nicht gegeben.

Das Duo Angela Merkel und Macron wurde (nach einigen Anlaufschwierigkeiten) gerne Mercron genannt. Es wird höchste Zeit für Scholcron, für außen- und sicherheitspolitische Führung aus Paris und aus Berlin. Aus einem Guss, damit über Europas Sicherheit nicht zuallererst in Genf entschieden und geredet wird, zwischen Amerikanern und Russen.

Die Gelegenheit wäre günstig: Frankreich hat die EU-Präsidentschaft inne – und Macron denkt nicht nur in geopolitischen Kategorien, er will im Frühjahr auch wiedergewählt werden. Außenpolitische Erfolge würden da ganz sicher nicht schaden. Deutschland wiederum führt in diesem Jahr die G7. Olaf Scholz mag neu im Kanzleramt sein, aber auf der Weltbühne bereits ein alter Bekannter. Und er hat die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde im Rücken.

Wann, wenn nicht jetzt, müsste Europa diese Doppelrolle nutzen – gemeinsam mit einer EU-Kommissionspräsidentin, die Deutsche ist und von dem Franzosen ausgesucht wurde? Eine Verbindung von Pariser Drang und deutscher Wirtschaftsmacht, von Selbstbewusstsein und Beharrlichkeit, von Esprit hier und verlässlichem Makler dort: Es wäre die Gelegenheit. Und bitter nötig. Scholcron, übernehmen Sie!

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