Gegen die Vorbehalte Deutschlands hat sich die Mehrheit der EU-Staaten für strengere Regeln bei Abgastests und Typgenehmigungen von Autos ausgesprochen. Die Länder einigten sich am Montag mit qualifizierter Mehrheit darauf, dass die EU-Kommission mehr Aufsichtsrechte erhalten soll und bei Manipulationen von Abgastests Strafen verhängen kann. Die Position muss noch mit dem EU-Parlament abgestimmt werden, bevor die neuen Regeln Gesetz werden können.
Der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig forderte in Brüssel eine Reihe von Änderungen, darunter die Einrichtung einer Clearingstelle für Streitfälle zwischen Mitgliedsländern sowie eine genauere Definition einer illegalen Abschalteinrichtung. "Die Bundesregierung rät eindringlich zu einer weiteren Präzisierung des Vorschlages, um das Verfahren der Typgenehmigung und der Marktüberwachung künftig klar, präzise und anwendbar zu gestalten", sagte Machnig im EU-Rat. Sollte dies in der Vertretung der Mitgliedsländer nicht berücksichtigt werden, so hoffe die Bundesregierung auf die weiteren Verhandlungen mit dem EU-Parlament.
Am Ende sperrte sich Deutschland aber nicht mehr offen gegen den Kompromissvorschlag der maltesischen EU-Ratspräsidentschaft - und enthielt sich bei der Abstimmung. In der Bundesregierung hatte es über das Thema EU-Abgastests Streit zwischen dem SPD-geführten Umweltministerium und dem Verkehrsressort unter CSU-Minister Alexander Dobrindt gegeben.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Die EU führt ab Ende 2017 neue Tests ein, die den Verbrauch und Schadstoffausstoß im Alltagsbetrieb wiedergeben sollen. Um die Kontrollmechanismen dafür drehen sich die aktuellen Diskussionen. Hintergrund der Pläne sind der Skandal um Abgasmanipulationen bei Volkswagen sowie der Schutz der Bürger und der Umwelt vor Gefahren durch den Schadstoffausstoß. Nach geltendem EU-Recht müssen nationale Behörden prüfen, ob ein Fahrzeugtyp die EU-Normen erfüllt, bevor die Autos in den Ländern verkauft werden dürfen. Verstößt ein Hersteller gegen rechtliche Verpflichtungen, müssen die nationalen Behörden aktiv werden - etwa durch angeordnete Rückrufe oder Sanktionen.
Die EU-Kommission soll nun mehr Befugnisse erhalten, diese Maßnahmen zu überwachen und durchzusetzen. Malta hatte Anfang Mai als EU-Ratspräsidentschaft einen Kompromiss vorgelegt, wonach die Brüsseler Behörde bei Manipulationen von Abgastests unter anderem Strafen von bis zu 30.000 Euro pro Pkw für die Hersteller erheben kann. Auch andere Mitgliedsländer sollen die Entscheidungen von Zulassungsbehörden wie dem deutschen Kraftfahrtbundesamt künftig prüfen können. Die EU-Kommission hat bereits Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, Großbritannien und fünf andere Staaten eingeleitet, weil die dortigen Stellen nicht energisch genug gegen Verstöße bei Abgastests vorgegangen sein sollen. Gegen Italien wurde Mitte Mai ebenfalls ein Verfahren wegen möglicher Manipulationen bei Fiat-Chrysler gestartet.