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EU-Gipfel Cameron empört über EU-Nachzahlung

Der Wohlstand der Briten ist stärker gewachsen als bisher kalkuliert. Für Großbritanniens Premierminister David Cameron ist das ein Dilemma, denn Brüssel fordert deswegen eine milliardenschwere EU-Nachzahlung.

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Großbritanniens Premierminister David Cameron Quelle: AP

Die britische Wirtschaft wächst deutlich heftiger als die meisten anderen großen Industrieländer. Deswegen fordert die EU 2,1 Milliarden Euro von Großbritannien. Und Deutschland und Frankreich bekommen sogar Geld zurück. Das sei in den Augen britischer Abgeordneter ungerecht. "Empörend", findet Großbritanniens Premierminister David Cameron. Er sieht nicht ein, diese Summe an die EU zu zahlen, die am 1. Dezember 2014 fällig sein wird. Vor Journalisten tat er an diesem Freitag seinen Unmut kund. Rigoros lehnt der britische Premier die EU-Nachzahlung binnen fünf Wochen ab. Damit teilt Cameron die Meinung der britischen Öffentlichkeit. Viele Briten fühlen sich dafür bestraft, dass ihre Wirtschaft brummt. Absolut ungerechtfertigt sei die Forderung, so Cameron lautstark. Ein gekonnter Schachzug, um sich als Verteidiger seines Landes hervorzutun? EU-Kritikern wird die Wut Camerons gegen Brüssel möglicherweise zu Aufschwung verhelfen. Absicht?

Doch so ganz stimmt das nicht, zahlt das Vereinigte Königreich doch ohnehin viel weniger als andere Mitglieder. Und außerdem ist der Wohlstand der Briten in den vergangenen zwei Jahrzehnten stärker gewachsen als bisher.

Großbritanniens Bruttoinlandsprodukt stieg von Juli bis September um 0,7 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistikamt am Freitag mitteilte. Im Frühjahr hatte es jedoch noch ein Plus von 0,9 Prozent gegeben. Die Wirtschaft verlor etwas von ihrem hohen Tempo, da sich das Wachstum im wichtigen Dienstleistungssektor abkühlte. Zudem stieg die Industrieproduktion so gering wie seit Anfang 2013 nicht mehr. Finanzminister George Osborne warnte bereits: "Das Vereinigte Königreich ist nicht immun gegen die Schwäche des Euro-Raums und gegen die instabile Lage an den globalen Märkten." Deshalb stehe der Wirtschaft ein "kritischer Moment" bevor.
Großbritannien veröffentlicht traditionell als erstes großes Industrieland die Daten zum Bruttoinlandsprodukt und hat gleich kräftig vorgelegt. Denn die meisten Konkurrenten können von den Wachstumszahlen auf der Insel nur träumen. Im Gesamtjahr 2014 traut der Internationale Währungsfonds (IWF) den Briten ein Plus von 3,2 Prozent zu. Zum Vergleich: Dem IWF zufolge zieht die US-Konjunktur um 2,2 Prozent an, Deutschland um 1,4 Prozent und die Euro-Zone nur um 0,8 Prozent.
Grund für die gute Situation ist unter anderem die Politik des billigen Geldes der Bank of England. Die Notenbanker um BoE-Chef Mark Carney haben allerdings eine Zinswende für Anfang 2015 signalisiert. Die Märkte rechnen mit einer Erhöhung im Februar oder März. Sollte es wie zuletzt gemischte Konjunkturdaten geben und keine schnellere Erholung im Euro-Raum, könnten die Zinsen auch später steigen, sagte Rob Carnell von der Großbank ING.


Schatzkanzler Osborne ist zuletzt von seinem strikten Sparkurs abgewichen und hat damit die Wirtschaft angeschoben. In der Folge häufte die Regierung jedoch ein höheres Defizit an. Das Verhältnis neuer Schulden zur Wirtschaftskraft dürfte nach Einschätzung der EU-Kommission 2014 bei rund fünf Prozent liegen. Euro-Länder hingegen dürfen höchstens ein Defizit von drei Prozent aufweisen.
Den Haushalt belasten dürfte auch eine von der EU geforderte Nachzahlung von 2,1 Milliarden Euro zugunsten des Brüsseler Etats. Dagegen wehrte sich allerdings Premierminister David Cameron auf dem EU-Gipfel. Die ungewöhnlich hohen Korrekturen ergeben sich aus den Anpassungen der EU-Daten zu den nationalen Steuereinnahmen und den daraus resultierenden Beiträgen für das EU-Budget seit 1995. NordLB-Analyst Norman Rudschuck sprach von einer "Strafzahlung für zu rosiges Wachstum im Vergleich zu Deutschland und Frankreich".

EZB-Präsident Mario Draghi hat die Staats- und Regierungschefs der Eurozone zu gemeinsamen Anstrengungen aufgefordert, um ein erneutes Abgleiten in die Rezession zu vermeiden. Die Maßnahmen sollten Strukturreformen, Investitionen, Haushaltsdisziplin sowie die Ankurbelung der Nachfrage kombinieren, sagte Draghi in seiner Rede auf dem Eurozonen-Gipfel am Freitag nach Angaben eines EZB-Sprechers. Die Haushaltsregeln sollten dabei beachtet werden, um das Vertrauen in die Eurozone aufrechtzuerhalten. Länder mit finanziellem Spielraum sollten aber über Maßnahmen nachdenken, die die Binnennachfrage ankurbeln könnten, um so das Wachstum in Schwung zu bringen. Der EZB-Chef unterstrich den Angaben zufolge, dass die Notenbank für weitere unkonventionelle Maßnahmen bereitstehe. Draghi habe die Staats- und Regierungschefs aufgefordert, beim EU-Gipfel Ende Dezember einen Fahrplan zur Umsetzung von Reformen vorzulegen. Über das Thema Deflation habe Draghi nicht gesprochen.

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