EU Italien-Haushalt „noch nie dagewesener“ Verstoß gegen Regeln

Italiens Premierminister Giuseppe Conte hat am Donnerstag seinen Haushaltsentwurf verteidigt. Weil er für 2019 eine höhere Neuverschuldung vorsieht, wird er in der EU kritisiert. Quelle: dpa

Italiens Regierung plant für 2019 eine höhere Neuverschuldung, als sie die Vorgängerregierung in Aussicht gestellt hatte. Dagegen wehrt sich nun die Europäische Kommission.

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Die EU-Kommission sieht in dem Haushaltsentwurf der italienische Regierung schwere Verstöße gegen die Regeln in der Euro-Zone. Die Pläne zur Neuverschuldung seien eine „noch nie dagewesene“ Abweichung von den Kriterien des Stabilitätspaktes, heißt es in einem Brief von EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, der an Rom ging. Die populistische Regierung aus europakritischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega will die Neuverschuldung weiter ausbauen, obwohl das Land so hoch verschuldet ist wie kaum ein anderes auf der Welt. Die EU-Kommission räumte Italien nun eine Frist bis Montag ein, um auf die Bedenken zu antworten. Moscovici erklärte, der Brief sei nur der Beginn eines möglicherweise längeren Prozesses. Eine Entscheidung zum italienischen Haushalt müssten die EU-Staats- und Regierungschefs treffen.

Mehrere EU-Regierungen und EZB-Präsident Mario Draghi äußerten sich beim EU-Gipfel kritisch. „Jede Überschuldung halte ich für gefährlich“, sagte etwa Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Bei den Gipfelberatungen über die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion stand Italiens Etat offiziell nicht auf der Agenda, dennoch war er Thema der Beratungen in Brüssel. Denn zur Finanzierung kostspieliger sozialpolitischer Wahlversprechen plant die Regierung aus rechter Lega und Fünf-Sterne-Bewegung 2019 eine deutlich höhere Neuverschuldung als von der Vorgängerregierung in Aussicht gestellt. Das Haushaltsdefizit in dem hoch verschuldeten Land soll 2,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen - dreimal so viel wie ursprünglich vorgesehen.

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte verteidigte am Rande des EU-Gipfels den „schönen“ Etatentwurf für das Jahr 2019 und dementierte zugleich Spannungen in der Koalition in Rom. „Ich weiß, dass dies nicht der Haushalt ist, den die Kommission erwartet hat“, räumte er ein. „Ich erwarte eine kritische Betrachtung. Wir werden das diskutieren und wir werden auf Bemerkungen entgegnen.“ Conte betonte, die Koalition in Rom sei sich in der Etat-Frage einig: „Es gibt keine Spaltung“.

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von Silke Wettach

Die Neuverschuldung von 2,4 Prozent liegt zwar unter der EU-Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Doch auf Kritik stößt die ohnehin hohe Staatsverschuldung des Landes. Die Ausgaben würden nach dem Haushaltsentwurf wie das strukturelle Defizit steigen, zudem sei Italien nach Griechenland das am höchsten verschuldete Euro-Land, schrieb Moscovici: Der Schuldenberg entspricht rund 130 Prozent des BIP, während die EU-Verträge eine Obergrenze von 60 Prozent vorsehen. „Diese drei Faktoren scheinen auf eine besonders schwere Nichteinhaltung der Haushaltsregeln hinzudeuten, die im Stabilitätspakt festgelegt sind“, heißt es in dem Brief.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, Brüssel sei in der Vergangenheit beschuldigt worden, zu nachgiebig gegenüber Haushaltsentwürfen aus Italien gewesen zu sein. Die Kommission habe tatsächlich in der Auslegung des Stabilitätspaktes „alle Möglichkeiten der Flexibilität“ gezeigt. „Aber Italien ist das einzige Land, dass alle Möglichkeiten der Flexibilität ausgeschöpft hat“, warnte er zugleich. Italiens Regierung hat nun Zeit bis zum 22. Oktober, um auf die Bedenken zu antworten. Ändert die Regierung in Rom ihren Ansatz nicht, könnte die Kommission den Entwurf am 29. Oktober zurückweisen, was für weitere Unruhe an den Finanzmärkten sorgen könnte. Es wäre das erste Mal, dass die Kommission diesen Weg geht, seitdem sie diese Befugnisse 2013 erhalten hat.

Eurogruppen-Chef Mario Centeno geht davon aus, dass die Währungsunion die Krise meistern wird. „In den vergangenen zehn Jahren hat der Euro eine große Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen gezeigt“, sagte der Vorsitzende der Finanzminister der Euro-Länder. Auch die Etatpläne Italiens seien zu bewältigen.

Conte hatte sich in Brüssel unter anderem mit Kanzlerin Angela Merkel getroffen, um für das Vorgehen seiner Regierung zu werben. Merkel lobte zwar etwa die geplanten Verwaltungsreformen in Italien, wollte sich aber zum Etat-Streit nicht äußern. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte twitterte dagegen, er habe Conte bei einem Treffen seine Kritik mitgeteilt.

Derweil hat Italiens Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini einem Zeitungsbericht zufolge Spekulationen über eine Regierungskrise im Streit über Steuernachlässe zurückgewiesen. Es gebe „absolut“ keine derartige Krise, zitierte die Zeitung „Il Messaggero“ am Freitag den Chef der rechten Lega. Am Donnerstag hatte sein Amtskollege Luigi Di Maio von der populistischen 5-Sterne-Bewegung gesagt, die Regierung müsse einen Streit mit der Lega über eine Steueramnestie klären, die in dem mit der EU umstrittenen Haushaltsentwurf für 2019 vorgesehen ist.

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