EU-Gipfel Scholz verteidigt Position im Verbrenner-Streit – Unterstützung für Kiew

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich auf ein Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 geeinigt. Quelle: dpa

Eigentlich sollte das Verbrenner-Aus ab 2035 in der EU längst beschlossen sein. Doch die Bundesregierung stellte im letzten Moment Nachforderungen. Beim EU-Gipfel in Brüssel muss Kanzler Scholz sich rechtfertigen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Blockade der Bundesregierung im Streit über Autos mit Verbrennungsmotor gegen Kritik europäischer Partner verteidigt. „Es gibt eine klare Verständigung in Europa“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag bei einem EU-Gipfel in Brüssel. Dazu gehöre, dass die EU-Kommission einen Vorschlag mache, wie auch nach 2035 ausschließlich mit klimaneutralen E-Fuels betriebene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen werden können. „Das ist schon Konsens.“

Wer anderen Regierungschefs zuhörte, merkte jedoch schnell: Das deutsche Vorgehen sorgt bei einigen Partnern mindestens für Irritation, eher für Verärgerung. Denn zuletzt hatte vor allem die FDP dafür gesorgt, dass ein wichtiges Klimaschutzgesetz in der EU nicht verabschiedet werden konnte, wonach ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen in der EU zugelassen werden dürfen.

Am deutlichsten wurde der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins. Er sprach mit Blick auf das deutsche Vorgehen von einem „sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft“. Es sei verwunderlich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide, nachdem eine Vereinbarung bereits getroffen worden sei. Karins warnte: „Die gesamte Architektur der Entscheidungsfindung würde auseinanderfallen, wenn wir das alle tun würden.“ Hinter vorgehaltener Hand äußern sich Diplomaten in Brüssel deutlicher. Sie werfen Deutschland etwa einen Vertrauensbruch vor.

Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel reagierte am Donnerstag nur noch genervt auf die Debatte. Natürlich könne man beim Gipfel über alles reden. Aber eigentlich stehe das Thema nicht auf der Tagesordnung. „Es ist ja kein Wunschkonzert, wenn wir nach Brüssel kommen.“ Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs solle nicht für alles zuständig sein, sondern Impulse geben. Für alles andere, so Bettel, gebe es Ministerräte. Und die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, kritisierte die Bundesregierung mit dem Verweis, dass man keine Abmachung rückgängig machen könne.

Was war passiert, dass Kanzler Scholz sich vor der versammelten europäischen Öffentlichkeit eine Standpauke wie die von Karins anhören musste? Noch dazu bei einem EU-Gipfel, bei dem es eigentlich um die weitere Unterstützung für die Ukraine, den Austausch mit UN-Generalsekretär António Guterres und Europas Wirtschaft ging?

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Es geht um die Zukunft des Autos, wie wir es seit Jahrzehnten kennen – mit einem Verbrennungsmotor, der Diesel oder Benzin tankt und CO2 ausstößt. Eigentlich hatten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments schon im Herbst auf ein weitgehendes Verbrenner-Aus ab 2035 geeinigt. Deutschland handelte jedoch einen Zusatz in das Abkommen, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen soll, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließlich mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden. Damit sind sogenannten E-Fuels gemeint, also künstliche Kraftstoffe, die mit Ökostrom erzeugt werden und klimaneutral sind.

In der EU-Kommission las man den entsprechenden Absatz stets so, dass davon Sonderfahrzeuge wie Kranken- oder Feuerwehrwagen betroffen sein sollen. Nach Berliner Lesart soll die E-Fuel-Ausnahme dagegen für alle Fahrzeuge gelten.

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Vor allem die FDP will, dass auch nach 2035 noch Verbrenner zugelassen werden dürfen, die ausschließlich E-Fuels tanken. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zog deshalb Anfang März kurz vor der geplanten endgültigen Abstimmung die deutsche Zustimmung zurück und fordert seitdem immer wieder, eine „rechtssichere Vereinbarung mit der EU-Kommission“ für eine „technologieoffene“ Lösung. Genau darüber verhandeln Wissings Fachleute derzeit mit der EU-Kommission – auch parallel zum Gipfel.

Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg

Beim eigentlichen Thema des Gipfels zeigt sich volle Rückendeckung für Kiew: Die Europäische Union will die Ukraine dauerhaft unterstützen und mehr Druck auf Russland aufbauen. Dies vereinbarten Bundeskanzler Olaf Scholz und die übrigen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel. Die Slowakei übergab Kiew die ersten vier von 13 zugesagten MiG-29-Kampfjets. Russland kündigte seinerseits den Bau von 1500 Panzern in diesem Jahr an. Zugleich richtete Ex-Präsident Dmitri Medwedew neue Drohungen gegen Deutschland.

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Sollte der internationale Haftbefehl gegen Staatschef Wladimir Putin in der Bundesrepublik vollstreckt werden, wäre dies wie eine „Kriegserklärung“, sagte Medwedew in einem Interview. Russland würde in dem Fall Raketen auf den Bundestag und das Kanzleramt abfeuern, drohte er. Doch schränkte Medwedew ein, die Festnahme Putins sei „eine Situation, die nie eintreten wird“. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock stellte sich hinter den Haftbefehl, den der Internationale Strafgerichtshof vergangene Woche erlassen hatte. „Niemand steht über der Charta der Vereinten Nationen, niemand steht über dem humanitären Völkerrecht, niemand kann Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ungesühnt begehen“, sagte die Grünen-Politikerin in Mazedonien.

Ukraine spricht von russischer Schwäche bei Bachmut

Putin hatte im Februar 2022 eine Invasion des Nachbarlands gestartet, die inzwischen wahrscheinlich Zehntausende Menschen das Leben gekostet hat. Immer wieder gibt es russische Luftangriffe in der gesamten Ukraine. Erst am Mittwoch waren dabei nach Angaben aus Kiew mindestens 14 Menschen getötet und 24 verletzt worden. Am Boden wird vor allem im Osten und Süden des Landes gekämpft.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besuchte diese Woche zunächst seine Truppen in den östlichen Gebieten Donezk und Charkiw und reiste dann ins südukrainische Gebiet Cherson. Am Mittwochabend sagte er: „Es ist schmerzhaft, die Städte im Donbass zu sehen, über die Russland schreckliches Leid und Ruinen gebracht hat.“ Doch trotz der schweren Zerstörungen und des Leids gebe es in diesen Gebieten Hoffnung. „Man kann sie spüren“, sagte Selenskyj. „Wir werden alles tun, damit die blauen und gelben Farben ihre Befreiungsbewegung fortsetzen und das normale Leben in unser ganzes Land zurückkehren kann, von Donezk bis zur Grenze.“

Das ukrainische Militär verbreitete die Ansicht, die russischen Einheiten bei der umkämpften Stadt Bachmut im Donezker Gebiet seien bald am Ende ihrer Kräfte. Der Befehlshaber der ukrainischen Landstreitkräfte, Olexander Syrsykj, kündigte eine baldige Gegenoffensive an. „Wir werden recht bald diese Gelegenheit nutzen, wie wir es seinerzeit bei Kiew, Charkiw, Balaklija und Kupjansk gemacht haben“, sagte er im Nachrichtenkanal Telegram.

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