EU-Gipfel Tusk sieht wieder bessere Stimmung

Vor dem EU-Gipfel ist die Stimmung wieder besser. Die Turbulenzen um Donald Trump und den Brexit lassen die EU-27 wieder näher aneinander rücken. Doch gerade diese Themen könnten für Kontroversen sorgen.

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EU-Ratspräsident Donald Tusk. Quelle: AP

Zum ersten Mal seit Jahren lädt EU-Ratspräsident Donald Tusk in dieser Woche zu einem Gipfeltreffen in Brüssel, ohne dass die Fliehkräfte allzu heftig zerren. "Die jüngsten Entwicklungen auf dem Kontinent scheinen darauf hinzudeuten, dass wir allmählich die Kurve kriegen", erklärt Tusk im Einladungsschreiben an die 28 Staats- und Regierungschefs. In vielen Ländern würden jene Parteien verlieren, die ihre Stärke aus der Stimmung gegen die EU gezogen hätten. "Wir beobachten die Rückkehr der EU als Lösung, nicht als Problem." Und EU-Kommission wie Bundesregierung stimmten am Mittwoch ein.

Die EU sieht sich vor allem durch die Politik von US-Präsident Donald Trump, die politischen Turbulenzen in Großbritannien im Zuge des Brexits und dem Ausbleiben neue Krisen im Aufwind. Die Zustimmungswerte der Bürger in den EU-Ländern steigen wieder. Dennoch kann es auf dem Gipfel am Donnerstagabend in Brüssel zum Krach zwischen den EU-27 kommen, was ausgerechnet durch die britische Entscheidung zum Austritt bedingt ist. Denn nachdem die Premierministerin Theresa May beim Abendessen ihren Standpunkt zum Brexit dargelegt hat und danach den Saal verlassen muss, beraten die anderen über den Umzug von zwei EU-Agenturen aus London.

Die meisten Staaten wollen die Bankenaufsicht EBA und die Medizinagentur EMA gerne für sich gewinnen. Auch Deutschland hat den Hut für die Standorte Bonn (EMA) und Frankfurt (EBA) in den Ring geworfen. In Brüssel und Berlin hieß es aber zuletzt, dass auf dem EU-Gipfel nur über das Auswahlverfahren abgestimmt werden soll. Über die Standorte wird demnach bis zum nächsten Spitzentreffen im Oktober entschieden. Davon abgesehen gebe es keine Ambitionen, am Donnerstag alle Themen zu lösen, die sich durch den Brexit ergäben, sagt ein hochrangiger EU-Vertreter.

Der Fokus soll deshalb auf anderen Themen liegen. So wollen die Staats- und Regierungschefs die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich anschieben. Konkrete Beschlüsse über Umfang und Mittel soll es aber auch hier nicht geben. "Am Donnerstag werden die Chefs den Rubikon überschreiten, aber sie werden anhalten und Rom noch nicht erreichen", sagt der EU-Vertreter in Anspielung auf ein Sprichwort aus der Zeit der Römischen Bürgerkriege.

Kommt das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten?

Tusk wirbt dafür, dass möglichst jedes Land für die Zusammenarbeit gewonnen werden sollte. "Diese Kooperation kann das beste Beispiel dafür sein, dass wir nicht 'verschiedene' Geschwindigkeiten fördern, sondern eine Methode entwerfen wollen, die der gesamten EU die Chance auf die 'richtige' Geschwindigkeit erlauben sollte." Der Pole spielte damit auf die unter anderem von Deutschland geführte Debatte an, dass Mitgliedsländer bei der Integration schneller vorangehen könnten als andere. Vor allem in Osteuropa wird dieser Ansatz skeptisch gesehen. Klare Unterstützung kommt aber etwa aus dem Norden: "Das sicherheitspolitische Umfeld hat sich sehr verändert", sagte der finnische Ministerpräsident Juri Sipilä am Mittwoch in Berlin. Also müsse man mehr gemeinsam tun, gerade bei der Sicherheit.

Einigkeit will die EU vor allem beim Thema Klimaschutz demonstrieren und laut EU-Vertretern eine klare Absage an den von Trump geäußerten Wunsch nach einer Neuverhandlung des Abkommens von Paris formulieren. Hier soll es auch eine Unterstützung der EU-Partner für den G20-Gipfel unter deutscher Regie geben.

Auch die protektionistischen Töne des US-Präsidenten dürften die Beratungen zum Thema Handel beeinflussen, die für Freitag geplant sind. Bei den Verhandlungen zwischen EU und Japan über ein Handelsabkommen hofft die Bundesregierung auf Fortschritte nun schon bis Juli. Die Staatengemeinschaft probt zudem den Spagat zwischen der Förderung des Freihandels und den Schutz vor als unfair empfundenen Praktiken von Ländern wie China.

Auch um rechtspopulistischen Strömungen keinen Auftrieb zu geben, sucht die EU zudem weiter nach Wegen, wie sie mit Migrationsbewegungen aus Libyen über das Mittelmeer umgeht. Tusk mahnt eine bessere Ausstattung der libyschen Küstenwache an. Innerhalb der EU ist aber weiter keine Lösung in der Frage der Verteilung von Flüchtlingen absehbar. Kürzlich eröffnete die EU-Kommission deshalb Verfahren gegen Ungarn, Polen und Tschechien, was zumindest die Bundesregierung lobte. Allerdings gibt es an einem anderen Punkt keine Fortschritte - nämlich beim Versuch, sich auf ein gemeinsames Asylsystem zu einigen.

Kanzlerin Angela Merkel wird auf dem EU-Gipfel außerdem erstmals mit Frankreichs neuem Präsidenten Emmanuel Macron über die Entwicklungen in der Ostukraine und die Umsetzung der Friedensvereinbarungen von Minsk berichten. Angesichts einer ausbleibenden Verbesserung der Lage erwarten EU-Vertreter, dass sich die Staats- und Regierungschefs dem Vorschlag der beiden anschließen, die eigentlich Ende Juli auslaufenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate zu verlängern. Auch hier wird ein Zeichen der Geschlossenheit der EU erwartet.

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