
Die „Meister der Kompromisse“ machen ihrem Namen offenbar alle Ehre. Überraschend schnell nach der Parlamentswahl haben der Sieger, der rechtsliberale Ministerpräsident Mark Rutte, und sein sozialdemokratischer Gegenspieler Diederik Samsom am Montag Koalitionsgespräche aufgenommen – und sich auf eine rasche Entscheidung geeinigt. Angesichts der europäischen Krise brauchen wir schnell eine Regierung“, bekräftigte Rutte in Den Haag. Schon im Oktober soll die Regierungsmannschaft stehen.
„Ich hoffe, dass die Vernunft regiert“, sagte Axel Gerberding Geschäftsführer der Deutsch-Niederländischen Handelskammer in Den Haag vor den Parlamentswahlen im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. "Die Niederländer sind pragmatisch und Meister der Kompromisse“. Er hoffe, dass eine wirtschaftsfreundliche und pro-europäische Regierung an die Macht komme, so Gerberding Anfang September. Heute spricht vieles dafür, dass es so kommt.
Wissenswertes über die Niederlande
Flächenmäßig sind die Niederlande nur das 131. größte Land der Welt. Aber: Statistisch gesehen sind die Niederländer das Volk mit den körperlich größten Menschen weltweit. Im Durchschnitt sind die Männer 1,83 Meter groß, die Frauen 1,72 Meter.
Kaum ein anderes Land ist so dicht besiedelt wie die Niederlande. Mehr als 16,5 Millionen Menschen leben hier auf einer Fläche, die kaum größer ist als Baden-Württemberg. Auf einen Quadratkilometer Landfläche kommen so fast 400 Niederländer.
Maschinen und Transportmittel, chemische Produkte und lebende Tiere.
Mit mehr als 378 Milliarden Dollar Umsatz ist das Mineralöl- und Gasunternehmen Royal Dutch Shell das größte niederländische Unternehmen und gleichzeitig das zweitgrößte weltweit. Auch die ING Group stammt aus den Niederlanden und positioniert sich an 17. Stelle der größten Firmen der Welt. Auch Philips und Unilever stammen aus unserem Nachbarland.
Wer von den Niederlanden spricht, sagt oft Holland. Dabei ist Holland eigentlich nur eine Region innerhalb der Niederlande, genauer gesagt zwei Provinzen: Nord- und Südholland. Sich selbst ruft der Oranje-Fan allerdings auch Holländer. Der Schlachtruf der niederländischen Fußballfans ist „Hup, Holland, Hup“, was soviel heißt wie „Auf geht’s, Holland“.
Der Landesname im Plural hat einen historischen Hintergrund. Im Mittelalter war das Land Teil des Herrschaftsgebiets des Hauses Burgund, dass sich in viele kleinere Ländereien aufspaltete, darunter auch die oberen und die niederen Lande. Als das Burgundische Erbe schließlich an die Habsburger fiel, ging das Oberland an Frankreich verloren (die heutigen Regionen Bourgogne und Franche Comté), während die „Niederlande“ das heutige Staatsgebiet markieren.
„Es gibt eine breite Basis für eine Koalition“, sagte Samsom in Den Haag. Auch am Haushaltsplan für 2013 – jener Zankapfel, an dem die letzte Rutte-Regierung gescheitert ist – soll festgehalten werden. Und dass, obwohl die Sozialdemokraten noch im April gegen die Kürzungspläne der Regierung Sturm liefen. Es ist nicht der beste Weg, um mit der Krise umzugehen. Wir sind gegen den Plan“, sagte Parteichef Diederik Samsom damals. Seine „Partei der Arbeit“, die ehemals größte Oppositionspartei, folgte ihm und stimmte gegen das Sparpaket. Doch nun sind die Sozialdemokraten offenbar zum Kompromiss bereit.
Einem fröhlichen „prinsjesdag“ steht damit nichts im Wege. Traditionell wird in den Niederlanden immer am 3. Dienstag im September, dem sogenannten Tag der kleinen Prinzen, das parlamentarische Jahr eröffnet. Königin Beatrix fährt in ihrer goldenen Kutsche beim Parlament in Den Haag vor und verliest im Rittersaal die Thronrede. Der Finanzminister legt dem Parlament den Haushaltsplan vor. Dieser hat es in sich.

Geplant sind einschneidende Reformen wie die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre und Sparmaßnahmen von rund 20 Milliarden Euro. Das Spar- und Reformpaket ist notwendig, um das Haushaltsdefizit unter die drei Prozent des Haushaltsdefizits zu senken, die im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgegeben sind.
Keine Frage: Die Niederländer machen mit der Haushalts-Konsolidierung ernst. Vor wenigen Wochen war das noch undenkbar. In den Umfragen lagen lange Zeit die euro-kritischen Sozialisten vorne. Sollten sich nun aber die Rechtsliberalen und Sozialdemokraten auf eine Koalition einigen, dürfte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch stärker auf den alten Verbündeten bauen können. „Nach diesen Wahlen wird der niederländische Premier in Europa etwas deutscher“, prophezeit „De Volkskrant“. (mit Material von dpa)