EU-Haushalt Europa steht Zoff ums Budget bevor

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger versucht, die europäischen Finanzen neu zu ordnen. Erneut gibt es einen Plan für eigene EU-Steuern. Aus den Mitgliedsstaaten ist zäher Widerstand absehbar.

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EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Quelle: dpa

Über wenige Dinge wird in der EU so erbittert gestritten wie ums Geld. „So können wir nicht mehr weiter machen“, sagte der frühere österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel entnervt nach Gipfel-Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen. Das liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück, doch das Verfahren, nachdem die EU ihre Einnahmen und Ausgaben festlegt, ist seither kaum angetastet worden. Das soll sich nun ändern. Als EU-Kommissar für Haushalt will Günther Oettinger (CDU) den EU-Haushalt reformieren. In diesem Jahr soll eine Evaluierung der laufenden Finanzperiode erfolgen, im Brüsseler Jargon Mid-Term-Review genannt. Im kommenden Jahr sollen dann die Grundzüge für die EU-Finanzen ab dem Jahr 2020 stehen.

Das Konfliktpotenzial ist enorm. Das machen schon die Vorschläge für neue Einnahmequellen deutlich, die eine Expertengruppe um den früheren italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti voraussichtlich am kommenden Dienstag vorlegen wird - und die dem Handelsblatt bereits vorliegen. Die Gruppe hat alternative Finanzierungsmodelle für die EU untersucht, die bisher ein Großteil ihrer Einnahmen aus Überweisungen der Mitgliedsstaaten erhält gestaffelt nach der Wirtschaftskraft der Länder.

Das Europäische Parlament dringt schon seit Jahren darauf, dass die EU sich aus eigenen Einnahmen finanzieren soll. Monti und seine Expertenkollegen haben untersucht, welche Art von Steuern potenziell in Frage kommen - stoßen dabei aber schnell auf Hindernisse. So ist die Mineralölsteuer in den EU-Staaten relativ harmonisiert. Wenn EU-Mitgliedsstaaten künftig einen Teil davon automatisch nach Brüssel abführen müssten, so ist Monti zu folge mit großem politischen Widerstand zu rechnen. Eine Stromsteuer wird in dem Bericht ebenfalls als theoretisch machbar bezeichnet. Weil Bürger dann aber konkret sehen würden, wie viel sie Europa kostet, würde es sich um keine populäre Maßnahme handeln.

Die größten Netto-Zahler der EU
Touristen in Helsinki Quelle: dapd
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Das Colosseum Quelle: REUTERS

Andere Optionen, die ebenfalls untersucht werden, erscheinen wenig realistisch. So ist bei der Finanztransaktionssteuer nicht klar, ob es sie jemals geben wird. Maximal zehn Mitgliedsstaaten sind bisher daran interessiert. Auch die Körperschaftssteuer eignet sich nicht wirklich als neue Einnahmequelle für die EU. Die EU-Kommission hat immerhin Pläne für eine gemeinsame Bemessungsgrundlage in der EU vorgelegt. Aber noch ist es nicht so weit und nur Konzerne mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro werden betroffen sein. Das Steueraufkommen dürfte zu gering sein, um die EU finanzieren zu können.

Noch bevor Monti seinen Bericht offiziell vorgestellt hat, kommt aus Berlin dazu schon Ablehnung. "Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem", sagt Finanzstaatssekretär Jens Spahn und gibt damit wieder, was in den meisten EU-Hauptstädten gedacht wird. Eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten lehnt eine eigene Einnahmequelle für die EU vehement ab. Sicher ist jedoch, dass bei den Verhandlungen über die Finanzen nach 2020 darüber gesprochen werden muss. Oettinger hofft, dass die Mitgliedsstaaten nicht alle Vorschläge ablehnen werden.

"Europäischer Mehrwert"

Eines ist nicht von der Hand zu weisen: Auf die EU kommen immer mehr neue Aufgaben zu. So haben die EU-Staats- und Regierungschefs einen gemeinsamen Grenzschutz beschlossen, mehr Engagement gegen Jugendarbeitslosigkeit und eine stärkere Bekämpfung der Migrationsursachen in den Herkunftsländern. All das kostet Geld. Die Europa-Abgeordneten gehen schon so weit, die bisherigen Obergrenzen im aktuellen Finanzrahmen ersatzlos streichen zu wollen. Die Mitgliedsstaaten werden dies auf keinen Fall mitmachen.

Der bevorstehende Brexit wird den Handlungsdruck verschärfen. Die Briten sind bisher nach Deutschland und Frankreich der drittgrößte Nettozahler, der EU-Haushalt wird nach einem Austritt automatisch schrumpfen. So wächst der Druck, auch die Ausgabenseite stark zu untersuchen. Dann wird eine Debatte beginnen, ob Europa sich Agrarsubventionen noch leisten kann oder ob die nicht möglicherweise auf die nationale Ebene verlagert werden. In der Vergangenheit hat Frankreich diese Debatte blockiert. Doch Frankreich ist in den vergangenen Jahren zum Nettozahler in der Agrarpolitik geworden und hat nunmehr ein Interesse an einem Abbau der europäischen Agrarsubventionen.

Von den Nettozahlern kommt der Wunsch, Brüssel solle nur Projekte mit einem „europäischen Mehrwert“ finanzieren. Doch worin genau der Mehrwert besteht, ist umstritten, der Begriff ist nicht genau definiert. Die Nettozahler verstehen darunter Projekte, die Wachstum und Beschäftigung stärken. Nettoempfänger, die bisher von großzügiger Strukturförderung profitiert haben, sehen den Mehrwert in Subventionen, die die Unterschiede im Lebensstandard nivellieren sollen.

Alle Reformen müssen von den EU-Mitgliedsstaaten einstimmig beschlossen werden - was ahnen lässt, wie schwierig die Verhandlungen werden. Der erbitterte Streit um die Milliarden für Brüssel verstellt den Blick für einen wichtigen Aspekt: Verglichen mit nationalen Haushalten ist das EU-Budget ohnehin klein. Deutschland hat die Mitgliedschaft in der EU 2015 pro Kopf gerade einmal 176 Euro gekostet.

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