




Im Budget der Europäischen Union (EU) fehlen schon zu Jahresbeginn 11,2 Milliarden Euro. Für diesen Betrag legte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel einen Nachtragshaushalt vor. Mit dem Extra-Geld sollten Verpflichtungen der EU aus dem vergangenen und dem laufenden Jahr beglichen werden, unter anderem die der sogenannten Kohäsionsfonds für arme Regionen in der Union. Für die Unterstützung der am wenigsten entwickelten Regionen im EU-Raum sollen neun Milliarden Euro fließen. Mit weiteren 2,2 Milliarden Euro sollen diverse Haushaltslöcher gestopft werden.
Wofür die EU Geld ausgeben will
Mit 490 Milliarden Euro ist die Förderung des nachhaltigen Wachstums der größte Posten in den Budgetvorschlägen der EU-Kommission für die Jahre 2014 bis 2020. Im Vergleich zur aktuellen Haushaltsperiode entspricht das einem Zuwachs von zwölf Prozent.
383 Milliarden Euro sollen für die "gemeinsame Agrarpolitik" locker gemacht werden, was eine Kürzung von sieben Prozent gegenüber der aktuellen Haushaltsperiode entspricht. Insbesondere eine produktivere und umweltschonendere Flächennutzung soll gefördert werden.
70 Milliarden Euro gehen an die Außenpolitik, 25 Prozent mehr als aktuell.
13 Prozent mehr Geld soll der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden, insgesamt rund 63 Milliarden Euro.
Mit 19 Milliarden Euro stellt das Budget für das Bürgerrechte, die Freiheit, Sicherheit sowie Justiz den kleinsten Anteil dar. Im Vergleich zur aktuellen Haushaltsperiode soll sich das Budget damit allerdings mehr als verdoppeln: 58 Prozent mehr Geld soll dem Posten zugesprochen werden.
Die EU-Staaten müssen dem Nachtragshaushalt allerdings noch zustimmen. Die Forderung der Kommission könnte bei den größten Beitragszahlern der EU auf Widerstand stoßen. Die Mitgliedstaaten müssen dem Haushalt mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.
Wie sich die EU finanziert
Der größte Teil der traditionellen Eigenmittel sind die Einnahmen aus Zöllen, die bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus Nicht-EU-Staaten erhoben werden, sowie Zuckerabgaben. Das sind Abgaben, die sich aus der Gemeinsamen Marktorganisation für Zucker ergeben und von den Produzenten auf die Zucker- und Isoglukosequoten zu entrichten sind (123,4 Millionen Euro im Haushalt 2012). In den 1970er Jahren waren die traditionellen Eigenmittel neben den nationalen Beiträgen die Haupteinnahmequelle. Sie machten etwa 1974 mehr als 60 Prozent der Einnahmen aus. Im Haushaltsplan für das Jahr 2012 liegt der Anteil der traditionellen Eigenmittel an den gesamten Einnahmen nur noch bei 14,9 Prozent (19,294 Milliarden Euro).
Die Mehrwertsteuer-Eigenmittel beruhen auf einem einheitlichen Prozentsatz, der auf die harmonisierte MwSt-Bemessungsgrundlage jedes Mitgliedstaats angewandt wird. Sie betragen im aktuellen Jahr 14,498 Milliarden Euro. Die MwSt-Grundlage ist auf 50 Prozent des Bruttonationaleinkommens jedes Mitgliedstaats begrenzt. Mit dieser Kappung soll vermieden werden, dass die weniger wohlhabenden Mitgliedstaaten, in denen der Verbrauch und somit die Mehrwertsteuer einen verhältnismäßig höheren Anteil am Nationaleinkommen ausmachen, einen Betrag abführen müssen, der nicht in Relation zu ihrer Beitragskapazität steht.
Die BNE-Eigenmittel basieren auf einem einheitlichen Prozentsatz, der auf das Bruttonationaleinkommen (BNE) jedes Mitgliedstaats angewandt wird. Mit ihnen werden die Haushaltseinnahmen und ‑ausgaben ausgeglichen, das heißt es wird der Teil der Ausgaben finanziert, der von anderen Einnahmequellen nicht abgedeckt ist. Diese eigentlich als Ergänzung gedachte Einnahme stellt heute mit 93,718 Milliarden Euro die wichtigste Einnahmequelle dar.
In den Haushalt fließen auch sonstige Einnahmen, darunter fallen Steuern, die auf die Gehälter der EU-Bediensteten erhoben werden, Beiträge von Drittländern zu bestimmten EU-Programmen sowie Bußgelder von Unternehmen, die gegen das Wettbewerbsrecht oder andere Rechtsvorschriften verstoßen haben. Dadurch sollen im laufenden Jahr 1,575 Milliarden Euro in die Kassen kommen.
Einige Länder haben kritisiert, dass ihr eigener Beitrag zum EU-Haushalt zu hoch ist und die einzelnen Mitgliedstaaten ungleich belastet werden. Zur Korrektur dieser Ungleichgewichte wurden unter anderem folgende Korrekturmechanismen eingeführt: Großbritannien werden zwei Drittel seines Nettobeitrags (Differenz zwischen den Zahlungen und Rückflüssen) erstattet. Die finanzielle Belastung aufgrund des Briten-Rabatts wird proportional zum Anteil der einzelnen Mitgliedstaaten am BNE der EU auf die übrigen Mitgliedstaaten aufgeteilt. Seit 2002 jedoch ist dieser Betrag für Deutschland, die Niederlande, Österreich und Schweden, die ihren Beitrag zum EU-Haushalt für zu hoch hielten, auf 25 Prozent ihres eigentlichen Pflichtanteils begrenzt.
Darüber hinaus gibt es weitere Ausnahmen: Schweden und die Niederlande werden Pauschalbeträge gezahlt, beide Länder haben – wie Österreich und Deutschland auch – zudem reduzierte Mehrwertsteuer-Abrufsätze vereinbart.
Die Europäische Union hat 2010 nach eigenen Angaben 127,795 Milliarden Euro eingenommen. Für 2012 ist eine Steigerung der Einnahme auf 129,088 Milliarden Euro geplant.
„Das ist ein völlig inakzeptabler Vorschlag der Kommission. Er kommt zu einer Zeit, in der die meisten EU-Mitgliedstaaten schwierige Entscheidungen treffen, um die öffentlichen Ausgaben zu senken“, kritisierte der britische Finanz-Staatssekretär Greg Clark laut einer Mitteilung. Die von Brüssel geforderte Erhöhung sei umfangreicher als das Hilfspaket für das klamme Zypern in Höhe von zehn Milliarden Euro.
Für Deutschland würde die notwendige Steigerung eine zusätzliche Belastung um 2,2 Milliarden Euro bedeuten. Frankreich müsste 1,7 Milliarden Euro beisteuern, Großbritannien 1,6 Milliarden und Italien 1,3 Milliarden. Budgetfragen sind der EU stets äußerst umstritten. Erst im vergangenen Dezember hatten sich die 27 EU-Staaten nach langem Kampf mit dem Europaparlament auf den Haushalt 2013 geeinigt. Er hat nach damaligen Angaben einen Umfang von 132,8 Milliarden Euro, nun sollen es also 144 Milliarden Euro werden.